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Johann Gottlieb Christaller an seine Schwestern und Schwäger:

Christaller gibt einen sehr eingehenden Bericht über seine gesamten Tätigkeiten der vergangenen Monate in seinem Missionsbereich

(Akropong, 7.-10. Aug. 1854)

Nbrg JG Chr 21

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Geliebte Schwestern und Schwäger!

Der Herr richte Eure Herzen zu der Liebe Gottes und zu der Geduld Christi! 1. Thess. 3.

Dieses Wort von der Geduld fiel mir in den Sinn, weil Ihr wahrscheinlich schon geraume Zeit wieder auf Nachricht von mir durch Briefe oder durch Geschwister Dieterle gewartet habt. Es will freilich mir auch zu lange bedünken, mehr als ein halbes Jahr nichts mehr voneinander zu erfahren, aber wir wissen ja Alle eins vom andern, daß ein Jedes in guten Händen ist, so daß wir nicht mit ängstlichen Sorgen aneinander zu denken haben. Sollten Zeiten kommen, wo wir des Leidens und zwar des Leidens Christi viel haben, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christum, besonders wenn wir unsere Herzen zu der Geduld Christi richten lassen. Diese ist freilich etwas anderes und geht weiter als geduldige Abwartung von Briefen. Wir gehen ja den Zeiten entgegen oder leben schon drin, von denen es heißt: hie ist Geduld und Glaube der Heiligen. Off. 13,10; 14,12. -

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Ich nehme nun Eure lieben Briefe vom 2.-15. April, die ich am 19. Juni 54 erhielt, als ich gerade wieder in Usu war, zunächst vor mich. Die ersten Zeilen der lb Gottliebin sind dem dankbaren und wehmüthigen Andenken an die geliebte Mutter geweiht; auch ich theile diese Eure Empfindungen wie die des Dankes gegen Gott für alles, was er an ihr und an uns, die sie ja dort auch noch als die Ihrigen weiß, gethan hat. Bei wem immer die Vollendung der mühseligen Erdenwallfahrt so zum Preis Gottes gereicht, da heißt es mit Recht: Ende gut alles gut. Ein gutes Ende im rechten Sinne war ja auch längst der lb Mutter Bitte gewesen, denn wenn sie mich in meiner Kindheit das treffliche Gebet 'Ach Gott u Herr, ich lebe zwar' auswendig lehrte und schloß dann 'Herr Jesu Christ, mein höchstes Gut, ich bitt dich, durch dein theures Blut, machs nur mit meinem Ende gut', so giengen diese Worte ihr gewiß von Herzen. Ich weiß, wir alle werden einst auch mit Lob u Dank unser Leben beschließen, aber würdig den Herrn zu preisen, werden wir erst jenseits des Grabes imstande sein. Einstweilen wollen wir lernen u üben.

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Ihr hattet strengen Winter u schönen Frühling; wir haben des ersteren Grimmkälte, aber auch des letzteren Lieblichkeit nicht. Es kann übrigens sowohl in der Regenzeit als in der trockenen Jahreszeit besonders morgens u abends so kalt sein, daß es uns friert, besonders die Geschwister, die schon länger hier sind; einen großen Theil des Jahres haben wir häufig besonders morgens Nebel, die nichts anderes sind als Wolken, die über unser Gebirge ziehen oder daran hängen blieben. Mich hats noch wenig gefroren u die Hize war mir auch noch selten lästig. Das Klima ist überhaupt nicht oder nicht mehr so gefährlich, wenigstens bei vernüftiger Lebensweise u gehöriger, jedoch nicht ängstlicher Sorgfalt. Es könnten sich Auswanderer in unserem afrikanischen Missionsgebiet ebensowohl ansiedeln u gut fortbringen als anderswo u wir hoffen, daß es auch noch dazu kommen werde.

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Die Schilderungen von Eurem glücklichen u zufriedenen Berufs- und Familienleben freuen mich recht; für die von der lb Gottliebin mitgetheilten Winnender Veränderungen und Neuigkeiten ist mit mir Frau Mohr ihr recht dankbar; besonders der frühe Tod der Frau von Jul. Reutter erregte ihre und meine innige Theilnahme. Du darfst, lb Gottliebin, nicht um Entschuldigung bitten, daß Du 'manches schreibest, was mich nicht interessiere'. Du wirst in diesem Stück nicht leicht zuviel thun. Mit Frau Mohr grüßt Euch auch ihr Mann, damit ich die Nachrichten von mir nicht zulange verschiebe, bemerke ich hier, daß ich seit 1. Mai die Kost bei ihnen habe, weil die Geschwister Dieterle am 4. Mai nach Usu abreisten, um dort das Dampfschiff nach Europa abzuwarten; eines aber kam nicht, und die zwei nächsten nahmen sie nicht mit, so daß sie nun bereits 1/4 Jahr dort hingehalten sind. Ich bin recht daheim bei Mohrs, besonders ihr kleiner Immanuel, geb. 4.7.1853, der in diesen Tagen frei zu gehen anfängt, macht mir viele Freude. So oft er mich sieht, jauchzt er u streckt die Arme nach mir aus. Ich kann bei ihm an Eure kleine Johanna denken, die ja nur 1 vollen Monat älter ist.

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Vom Krieg u von der Not in der Heimat erfahren wir immer einiges durch den Baseler Volksboten, die Süddeutsche Warte, den Christenboten, aber natürlich oft verspätet, mitunter durch englische u französische Zeitungen früher. Ihr dürft Euch dadurch aber nicht abhalten lassen, Eure Meinungen u Ansichten darüber mitzutheilen. [...]

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Dir, lb Hannele, danke ich besonders auch für Deinen lb Brief, da ich mir wohl denken kann, daß Du schwer zum Schreiben kommst. Was Deine lb Kleine betrifft, die Du so viel zu hüten hast, so denke daran, daß die Kleinen auch Engel zu Hütern u Wächtern haben u befiehl sie fleißig dem, der auch sie mit seinem Blut zum Eigenthum erkauft hat und auch dem Eigenwillen, der sich in diesen Jahren besonders ausbilden kann, zu steuern vermag. Den kleinen Imanuel Mohr habe ich außer der Mittagszeit auch hie und da während der Arbeitszeit in meinem Zimmer, lasse ihn auf dem Boden mit unzerbrechlichen gleichgültigen Sachen spielen, die Kinder sind mit wenigem zufrieden, nur nicht für lange; wenn solche Kleinen auch manchmal fallen oder sich stoßen, es thut ihnen nicht leicht etwas, thut ihnen auch nicht so weh, als man meinen könnte, der lb Gott hat es so eingerichtet, daß ihr Leib fast allenthalben wie mit schützendem Polster versehen ist und die Knochen, die meist noch Knorpel sind, sind ebenfalls mehr elastisch; Ihr werdet noch von keinem Beinbruch u keiner Gelenkverrenkung eines Kindes gehört haben, und etwaige Abschürfungen oder Verwundungen heilen schnell.

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Du, lb Rapp, sprichst von der Unbeständigkeit und Unsicherheit des Irdischen in gegenwärtiger Zeit. Der Eindruck, den die Lage der Dinge auf uns machen muß, ist allerdings ein ernster und darf wohl die Errettung der eigenen Seele und der Seelen derer, die uns anbefohlen sind, zum Hauptaugenmerk machen. Ja laßt uns unsere Häupter emporheben, denn unsere Erlösung naht sich. Wahrscheinlich wird es vorher noch durch wohl tiefere weitere Irrsal gehen, aber die Erlösung ist denen, die das unvergängliche Reich suchen, die die Erscheinung unseres Herrn Jesu Liebe haben, gewiß.

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Nun ist es aber Zeit, daß ich auch über mein seitheriges Ergehen und gegenwärtiges Befinden berichte, nicht wahr?

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Vom 27. Jan. bis 1. Febr war Br. Schlegel bei uns mit Br. Zimmermann, ersterer konnte aber erst einige Wochen von Usu aus auf seine Station Kwita abgehen, weil in jener Zeit die Usu-Leute u die übrigen Bewohner der Küstenebene ostwärts bis an den Volta-Fluß eine aufrührerische feindselige Stellung gegen die Engländer eingenommen hatten. Es waren lange Palaver (d. h. Verhandlungen) in dießer Sache auch hier und in Akyem und einige Male war es in Usu auf dem Punkt, daß von dem Fort aus auf die bewaffneten Neger geschossen oder die von den meisten Einwohnern verlassene Stadt zusammengeschossen worden wäre. Durch Abse(t)zung oder Rücktritt des verhaßten Kommandanten (eines alten englischen Mulatten) und Verzicht der Engländer auf Wiedererhebung der Kopfsteuer wurde der Friede wiederhergestellt, nur daß die Neger 2.000 heads cowries d. h. 2.000 Haufen von je 2.000 kleinen Muscheln, das sind etwa 3.333 Gulden Strafe zahlen mußten.

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Am 5. März erhielt ich erst Eure Briefe vom 25. Sept.-30. Okt. 1853. Von Hannele, Gottliebin und einen längeren von Georg. Ich erfuhr daraus nachträglich das Nähere über Hanneles Kleine, der Gottliebin Hochzeit, die Krankheitszustände der lieben Mutter, die Noth der Heimat. Die 'Blätter für Taubstumme' wünschte ich recht sehr auch zu erhalten; von dem was Ihr den Taubstummen bietet, könnten wir gewiß auch manches benüzen, und schon das, daß die Aufsäze von Euch geliefert werden, macht mich verlangend, sie zu bekommen. Wenn Ihr sie unter Kreuzband natürlich ohne Beischließung von Briefen mit am Schluß dieses Briefes beigefügter Adresse mir unmittelbar zuschicket, so ist das Porto nur unbedeutend. Vielleicht könntet Ihr sie auch vielleicht unter Kreuzband nach Basel schicken, etwa 2 Exemplare. Eines an Hrn Insp.Josenhans, den es gewiß auch interessiert, mit der Bitte, das andere durch das Comptoir an mich gelangen zu lassen. Ihr könnt ja den ersten und dann je einen halben Jahrgang zusammen nehmen. Es wird mir sehr große Freude machen, sie zu bekommen.

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Vom 15.-25. März waren die Br. Dieterle u Mahler samt den Zöglingen auf einer Reise nach Gyadam u Kyebi, den beiden Hauptstädten des Akyem-Landes abwesend; sie wurde wegen Br. Süß unternommen, der am 31. Aug. von Akropong aus nach Gyadam gegangen war u von dem wir beunruhigende Nachrichten hinsichtlich seiner Gesundheit vernommen hatten. Süß wollte den Versuch machen, auf eigene Faust u sein eigenes Vermögen daran wendend dort eine Missionsstation zu begründen, hat sich nun aber neuerdings wieder unter unsere Stations- und General-Conferenz u die Leitung der Committee gestellt. Er kam am 8. Juni hieher, dann zu unseren Generalconferenzen nach Usu u reiste am 13. Juli wieder nach Gyadam zurück, wohin, sobald die ausnehmend schlechten Wege es zulassen, unser bisheriger Schullehrer Alexander Clerk aus Westindien mit Familie abgehen wird, um als Schullehrer u Katechist bei ihm zu sein, gemäß der Verfügung unserer Committee, welche die Station in Gyadam genehmigt hat. Ihr erinnert Euch vielleicht früherer Berichte von Süß in dem 'Heidenboten', die von dem lb Bruder etwas voreilig u mit zu großen Hoffnungen erstattet wurden u besser nicht abgedruckt worden wären; aus daher genommenen u sonstigen Gründen pressierte es mir bisher nicht sonderlich, etwas für den Heidenboten Geeignetes heimzuschreiben, in dem Missionsmagazin jedoch werdet Ihr hie u da etwas, wenigstens eine Erwähnung meiner, finden können.

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Ende März mußte einer unserer angestellten jungen Leute, Paul Staudt, entlassen werden. Es ist der, welcher am 16. Oct. 1853 Hochzeit hatte, war auch mein Gehilfe (ich hatte ihn vormittags zur Verfügung) wegen eigener Untreue u blinder Eifersucht hatten er u sein Weib oft Händel, was bei den heidnischen Negern im ersten Jahr scheints ziemlich Regel ist, sein Hauptfehler war ungebrochener u unversöhnlicher Stolz (auch Familienstolz) u Knechtung durch Fleischeslust. Er hat sich bis jetzt noch nicht gedemütigt. Solche Erfahrungen mit Getauften haben natürlich auch ihr Schweres. Statt seiner wurde Jonathan (Palmer) mein Gehilfe, der mir auch bessere Dienste leistet (durch Übersezen, allein, jedoch in meinem Zimmer, oder gemeinsam mit mir, Ertheilen einiger Lektionen bei den Katechisten-Zöglingen usw.). An den biblischen Geschichten konnte ich um verschiedener Umstände willen oft nicht fortmachen u sie nicht soweit bringen, als ich wünschte. Es geht in Afrika eben noch nichts mit Dampf, außer auf dem Meere, u selbst die Dampfschiffe machen einem oft die Zeit lang oder kommen gar nicht oder täuschen sonst die Hoffnung, wie es die Geschwister Diet(erle) 3mal erfuhren. Sonstige Arbeiten waren: Sammlung von Sprachstoff, grammatische Arbeiten, Übersezung der Katechismus-Sprüche u Haustafel aus dem Calwer Sprachbuch, der Hausordnung für unser Institut, eines Theiles des Heiligen Lucas, Lektionen am Institut.

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Unsere Zöglinge sind 10, seit Br. Dieterles Abreise ist Mader an seine Stelle getreten. Er hat, nachdem er zwei Jahre hier war, um eine Frau geschrieben, eine Schwester von Frau Widmann, die er noch nicht persönlich kennt, und um der Übernahme der Haushaltung des Instituts willen sein Gesuch wiederholt, aber es wurde ihm, obschon er jetzt im 4. Jahr hier ist, wegen der Geldnot der Gesellschaft, weil durch die Sendung eines Kaufmannes nach Usu für unsere Stationen mehr geschehe als für die schreienden Bedürfnisse in Ostindien gethan werden könne, wieder abgeschlagen. Von mehreren Missionaren in Ostindien, die schon länger ledig auf ihrem Posten stehen, erhalten Mörike u Leonberger Frauen, auf ihren Stationen waren nemlich bisher keine, was hier auch nicht der Fall ist.

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Mit dem Katechisten-Institut kann es in ein paar Jahren eine Veränderung geben, es ist nemlich beabsichtigt, das hiesige und das in Usu zu vereinigen; das vereinigte Institut wird dann aber wahrscheinlich weder hier noch in Usu sein, sondern in der Mitte zwischen beiden an einem Ort, von wo aus man mit Leichtigkeit sowohl in das Ga- als in das Otji-Gebiet auf kürzere Ausflüge machen kann. etwa in dem seit Meischels Heimreise verlassenen Aburi (Abude) Otji-Gebiet, oder ein paar Stunden davon auf der Ebene also im Ga-Gebiet, wo an einigen Orten schon mehrere christliche Familien sind. Wir hoffen, daß schon mit Br. Dieterles Rückkehr aus Europa Aburi von der Committee wieder besezt werden wird, vielleicht mit Br. Mader.

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Im April und Mai fühlte ich mich von der Arbeit und anderen allmählig wirkenden Ursachen etwas angegriffen, hatte etwas Kopfweh und mußte mich daher in der Arbeit etwas beschränken, ein paar Mal wenn Adolph das Wechselfieber hatte, was dieses Jahr schon sehr oft bei ihm der Fall war, blieb ich einen Vormittag bei ihm und las medicinische Bücher. Das Fieber kam gewöhnlich morgens (Frost, Mattigkeit, dann Hize, Durst, viel Erbrechen von Galle, große Mattigkeit, endlich Schweiß) währte bis mittags und nachmittags konnte er wieder herumspringen, wenn er vormittags noch elend war; aber am dritten Tag kams dann wieder. Doch in den lezten Monaten hatte er es nur einige Male.

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Auf Himmelfahrt u Pfingsten übersezte ich auch wieder einige Lieder ins Otji: 'Der Herr fährt auf gen Himmel', 'Auf diesen Tag bedenken wir', 'Zeuch ein zu deinen Thoren', 'Ein feste Burg ist unser Gott' (theilweise von Mader). Ein Dichter bin ich nicht, aber das Übersezen gelingt mir eher, freilich wird die Übersezung oft nicht ganz getreu, z.T. ist aber auch dieses möglich.

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Am 9. Juni reiste ich zur Generalconferenz nach Usu ab; ich gieng mit Jonathan zu Fuß die 5 Stunden bis Aburi, wo wir übernachteten und des anderen Tages drei Stunden bis auf die Ebene hinunter, wo im ersten Dorf zwei Hängemattenträger meiner warteten, die mich den größten Teil der noch übrigen 5 Stunden bis Usu trugen. Die ersten acht Stunden gehen immer durch Busch und durch 10 größere oder kleinere Dörfer. An manchen Stellen ist in dem Busch etwas gepflanzt, aber diese Stellen sind in 1 oder 2 Jahren wieder Busch. Man kann nicht sagen, Wald, denn dazu müßten es der großen Bäume mehr sein. Von diesen ist jedoch mehr als einer quer über den Weg gestreckt, und wenn man nicht unten durchgehen oder schlüpfen oder darüber wegsteigen kann, so wird durch den Busch daneben ein halbkreisförmiger Umweg gemacht u das geschieht immer wieder, so daß Ihr Euch den Weg nur an wenigen Stellen gerade denken dürft. Er geht auch über viele Baumwurzeln, Steine u Felsen, durch Morast u Wasser. (Zwischen Aburi u der Ebene konnte ich einmal nicht anders als mit Schuh u Strumpf hineintappen, auf der Ebene selber aber muß man oft während der Regenzeit längere Strecken durch Wasser waten. Der Weg ist eine Hauptstraße ins Innere, obwohl nirgends zwei nebeneinander gehen können außer durch die Dörfer. Doch sei er noch wie eine Eisenbahn im Vergleich mit den Akyem-Wegen, wenigstens während der Regenzeit.)

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In Usu hatten wir vom 13.-16. Juni Conferenz, zu welcher auch die Brüder Mohr und Süß eingetroffen waren; leztere giengen wieder am 16. und 17., Widmann am 19. (nachdem am 18. das Dampfschiff angekommen war, aber die Geschwister Dieterle nicht mitgenommen hatte). Ich wollte nach der Brüder Rath und Guthalten noch ein paar Wochen länger bei Br. Zimmermann in Usu bleiben, der Erholung wegen, wie auch den Br. Steinhauser nach öfteren Fiebern ein vierwöchentlicher Aufenthalt in Akropong (22. März bis 18. April) sehr gut gethan hatte. Ich arbeitete mit Br. Zimmermann oder mit Jonathan (der in seiner übrigen Zeit aus der Bibel oder sonst etwas übersezte). Die Brüder in Usu trinken morgens 8 Uhr Kaffee und essen nach 10 Uhr und 4 Uhr, wenn ich aber, wie in Akropong, erst um 2 Uhr wieder eigentlich zu arbeiten anfing, so hatte ich mittags zwei Stunden mehr Erholung u strengte mich auch sonst nicht zu sehr an. Doch regnete es während der zweiten Woche auch in Usu fast jeden Tag (im Akwapemgebirge hat es schon lange und viel mehr geregnet).

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Am 26. Juni arbeitete ich mit Jonathan von 8-9 an Lucas 12, fühlte aber dann, daß der Kopf den Dienst zu weiterer Arbeit versagte u wohl das Fieber im Anzug sein werde. So wars auch, es trat am Montag noch nicht stark auf, hielt aber am Dienstag, wo ich morgens anfing, Chininpillen zu nehmen, und Mittwoch an bis Mittwoch nachts Schweiß kam, daß ich 6 Hemden u 2 Leintücher durchnäßte. Doch war wieder schön Wetter zum Trocknen u Gesundwerden. Ich hatte das Fieber nicht heftig, konnte bei Tage viel schlummern, doch mühte sich dabei besonders nachts der dumpfe Kopf mit sonderbaren fixen Ideen ab. In den nächsten Tagen fühlte ich nicht viel besser, konnte aber ziemlich schwitzen u gieng bald wieder ein wenig spazieren.

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So gieng ich am 4. Juli morgens auf der Straße, die nach holländisch u britisch Accra (Genga und Ga) führt, spazieren. Eine Negerin hatte in einer der Regenwasserpfüzen etwas abseits der Straße ihren großen kugelrunden Topf gefüllt u rief einer in einiger Ferne auf der anderen Seite der Straße beschäftigten Person, die aber nicht hörte oder nicht kommen wollte, so daß sie um einen Aufhelfer verlegen war. Ich gieng auf sie zu, sie erwartete aber von mir scheints keine Hilfe, denn als ich sagte, ich wolle ihr aufhelfen, war sie ganz verwundert, bückte sich in kniende Stellung hin zu meinen Füßen u sagte einmal über das andere 'Oh Gottes Kind, dein Kopf erlange Leben, Gott segne dich,' (er zitiert im Originaltext). Ich führe dies nur als einen unbedeutenden Zug aus dem Negerleben an. Mit dem Prädikat 'Gottes Kind' können sie gleich bei der Hand sein, wenigstens die Accraer, besonders bei Missionsnegern, wenn sie einen etwas Kunstreiches machen sehen, so heißen sie ihn 'Teufelskind' (etwa gleich Tausendkünstler), wie Du, lb Georg, mit Deinen taubstummen Knaben geworden seid) so aber nur, wenn mans nicht hört, ins Gesicht würden sie ihn flugs Gotteskind nennen.

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Am 4. Juli kam der 'Forerunner', der mir am 19. Juni Eure Briefe gebracht und Br. Dieterle eine Kabine für die Heimfahrt zugesagt hatte, von der unteren Küste zurück, der Kapitän erklärte aber Br. St., daß er Dieterles nicht mitnehmen könne; nun kamen aber zwei Passagiere desselben mit dem Methodisten-Missionar Warton von British Accra zu Besuch ins Missionshaus, welche sagten, daß noch Plaz da sei und den Rath gaben, Dieterles sollten samt ihren Kisten und allem zu dem Schiff hinausfahren und auf Grund des gegebenen Versprechens auf Mitnahme bestehen; das geschah, man verabschiedete sich, sie fuhren in einem großen Boot die 3/4 Stunden ins Meer hinaus, aber - abends waren sie wieder da und Frau Dieterle wurde durch die Seekrankheit an diesem Abend und noch am folgenden Morgen hart mitgenommen. Der Kapitän hatte seine Ausreden, aber der wahrscheinlichste Grund ist, daß ihm böswilliger Weise eine Hautkrankheit, welche der kleine Paul schon lange bekommen, für mehrere Monate auch seine Mutter damit angesteckt und sie noch nicht ganz verloren hatte, als gefährlich dargestellt wurde; hier in Akropong bekommen fast alle Neger diese Krankheit einmal in ihrem Leben, an der Küste scheint sie hartnäckiger und wird von Engländern oder Mulatten zum Theil sogar (sehr unrichtig) Lepra (Aussatz) geheißen.

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Die Geschwister Dieterle und ihre Kinder waren seit sie in Usu sind, viel krank an Fieber, Aisen (?) usw u Bruder Dieterles Angegriffenheit, die ihm keine geistige Arbeit, nicht einmal Lesen erlaubt, hat eher zugenommen. Es ist eine schwere Geduldsprüfung für sie. Jene zwei Passagiere des Forerunners waren ein Arbeiter in der Baptisten-Mission auf Fernando Po und ein deutscher Doctor (nicht der Medicin), der mit dem Forerunner herausgekommen war, um einer neuen Niger-Expedition sich anzuschließen, um Erforschung der Sprachen willen, aber weil er krank geworden war, wurde er zurückgewiesen u mußte nun mit dem nemlichen Forerunner wieder heimkehren.

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Am 6. Juli wollte Br. Zimmermann mit seinen Zöglingen den vorgeschriebenen jährlichen größeren Missionsausflug antreten und auf einem Weg, der halb durch Ga, halb durch Otschi-Gebiet führte, wollte er zuerst mich nach Akropong begleiten, um von dort womöglich Br. Locher, der seit 14 Tagen mit seiner Frau noch bei den wiederholten Fiebern Erholung gesucht hatte, mitzunehmen auf seine Reise gegen den Volta hin. Wir brachen morgens 5 1/2 Uhr auf, ich mit Hängematte u 6 Trägern, da ich, um keinen Fieberanfall zu bekommen, mir keine Anstrengung erlauben durfte. Der Weg über die Ebene war gut, wir machten einmal unter einem Baum, dann in einem Dorfe Halt (Zimmermann liebt diese Jahreszeit zu reisen unter anderem weil man überall reifen Mais u Welschkorn antrifft, dessen Kolben gesotten oder gebraten sehr schmackhaft abzunagen sind. Ich esse sie sehr gerne, Ihr könnts Euch auch probieren, denn unser Mais ist ganz dasselbe wie Euer Welschkorn, nur daß die Stengel oft um ein ziemliches höher wachsen).

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Gegen Mittag aber hatte sich der Übergang des schönen Wetters in Regenwetter entschieden, der Regen überfiel uns unterwegs u hielt uns einige Stunden des Nachmittags in einem Negerdorfe hin. Doch brachen wir nochmals auf, um noch Damsa, wo fünf christliche Familienväter wohnen, zu erreichen, was auch vor Einbruch der Nacht geschah; der Weg aber führte durch viel Wasser, so daß wir froh sein durften, Träger zu haben (auch Br. Zimmermann hatte eine Hängematte u zwei Träger für solche Fälle mit sich). In Damsa besuchten wir die Christen in ihren Häusern, Zimmermann redete mit ihnen, auch ich konnte mit einem in Otschi verkehren; nachts waren einige bei unserer Abendandacht u sprachen nachher noch mit Zimmermann; ich konnte dabei ordentlich folgen, denn durch das als Mitglied der Censurcommission mir obliegende Lesen der Übersezungsarbeiten von Br. Zimmermann u meinem zweimaligen Aufenthalte in Usu war mir die Ga Sprache soweit bekannt, daß ich Predigten von Br. Zimmermann fast vollständig verstand. Zum Nachtessen hatten wir eine von unserem Hauswirt bereitete Landessuppe mit einem Huhn darin. Das Wasser, das man hier herum hat, sieht aber so grau wie dicke Lauge (aus). Es war Zimmermann u mir in dem Negergehöfte ein Zimmer, wenn mans so heißen will, angewiesen worden, nach vorn ganz offen; wir breiteten das grobe Tuch unserer Hängematte auf den harten Lehmboden u deckten uns mit wollenem Teppich. Br. Zimmermann befestigte den Deckel meiner Hängematte, (der mir aber den Regen nur nothdürftig abgehalten hatte u den ich mit den Schnüren daran rechts u links hatte dirigieren müssen, damit er, [...] als es durchs Gebüsch ging, nicht zerreißen würde) sowie ein Leintuch an dem Dache, so daß wir durch diese zwei Vorhänge auch nach vorne ein geschlossenes Schlafgemach hatten. Ich mußte Gott ganz besonders danken, daß er mich gesund erhalten hatte; mein Jonathan u einer von Zimmermanns Zöglingen hatten Fieber, wozu wohl das Waten durch das Wasser beigetragen hatte, sie waren aber nicht einmal so gescheit gewesen, ihre Hosen weit genug hinaufzustülpen. Ich schlief (in den Kleidern) bald ein, selbst unter dem gellenden Getrommel in unserer Nachbarschaft, das wie darauf berechnet schien, uns im Schlaf zu stören und uns daran erinnert, daß auch in diesem kleinen Plantagendorf außer den 5 Christen noch Fetischdiener wohnen. Morgens erwachte ich nach einem guten Schlafe, wie ich öfters in Akropong u Usu ihn nicht gehabt hatte.

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Br. Zimmermann verkehrte noch weiter mit den Christen, die recht lernbegierig u auch auf äußere Verbesserung ihrer Lage bedacht sind. Das Regenwetter ließ uns erst um 9 Uhr aufbrechen u nun gings, zunächst auf schön vom Busch gereinigtem Wege dem Gebirge zu. Gottfried Alema, jener kranke Zögling blieb zurück, Jonathan ließ sich nicht dazu bereden u meinte, es sei besser für ihn zu gehen. Einmal schlugen die vordersten einen falschen Weg ein, der zu einem Plantagendörfchen führte, doch gabs auch von da aus einen Weg nach Aburi. Als wir eine längere Strecke durch einen von dichtem Buschwerk gebildeten, die Sonne auch wenn sie geschienen hätte, kaum durchlassenden Tunnel abwärts gegangen und nun an dem eigentlichen Fuß des Gebirges angelangt waren, wo es zunächst in dem steinigen Bette eines Waldbächleins aufzusteigen galt, hatte es bei mir mit dem Getragenwerden ein Ende.

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Br. Zimmermann gab mir seinen Stock u ließ mich vorangehen - 10. Aug. - aus Sorgfalt für meine Gesundheit, öfters zum Langsamtun ermahnend oder nach meinem Befinden fragend.

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Ich bin unter solchen Umständen nicht verwegen, aber in dem, was Umstände u Beruf uns zumuten, auch getrost, und der Herr erhielt mich auch gesund.

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Wir hatten nur 25 Minuten eigentlich zu steigen, weniger als auf dem gewöhnlichen Wege, dann giengs auf dem schmalen Wegchen durch den Busch weiter, endlich wieder abwärts in ein Tälchen, wo wir eine Aburi-Plantage trafen u wieder aufwärts, bis unser Weg in den wohlbekannten nach Aburi einmündete.

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In dem verlassenen Missionshause rasteten wir über Mittag; die Leute wünschen immer wieder einen Missionar u eine Schule bei ihnen, was ihnen vielleicht bald gewährt wird. Der fernere Weg war theilweise sehr schlecht - gerade an solchen Stellen mußte ich gehen; in Mampong hielt ich eine Ansprache an die Leute; ich mußte noch, weil es Nacht wurde, mitunter den Weg mit dem Stock untersuchen u mich auf dem Rücken über Wasser tragen lassen, aber wir kamen glücklich u wohlbehalten in Akropong an.

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Ich mußte nun eine Weile langsam thun mit Geschäften, bin aber nun ordentlich wieder in Gang u habe Freudigkeit, Zuversicht u Hoffnung, wenns auch des Aufhaltenden und Niederhaltenden Manches gibt, was man ja nicht anders erwarten darf. Letzteres besonders ist ja nothwendig.

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Nun bin ich ja noch recht umständlich geworden, weiß wohl, daß Ihrs auch in anderen Dingen gerne so hättet. Ich sollte Euch auch für Euren Missionsverein brauchbare Mittheilungen machen, aber schöne Bekehrungsgeschichten u auffallende Wirkungen der Predigt können wir nicht berichten, denn dem Volke selber, das eben gar fest in seinem Jahrtausende alten Heidentum steckt, konnten wir offen gestanden noch nicht einmal verständlich genug predigen, haben noch nichts von der Bibel gedruckt, auf das wir fußen könnten. Aber es wird jetzt bald die Zeit der Anbahnung vorüber sein, einige Gehilfen sind nun herangereift, die jungen Leute, welche zur Erziehung u als Dienstboten in den Häusern der Missionare waren u sind und für die Wahrheit gewonnen wurden, mehren sich, es ist eben wieder ein halb Du(t)zend im Taufunterricht, und auch Alte stehen nahe, bei denen es sich hauptsächlich um einen Anfang des Durchbruchs handelt, während andere freilich gleichgültiger u feindseliger werden.

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Die Geschwister Widmann haben auch zwei kleine Kinder, welche von abergläubischen Heiden gleich nach der Geburt ersäuft werden sollten, weil sie je an dem kleinen Finger beider Hände eine dornähnlich Warze, die leicht mit Höllenstein weggeäzt werden konnte, mit auf die Welt brachten. Das Mädchen wurde am Osterfest vom Tode errettet (seine gefühllose Mutter hätte es ebenso gerne töten lassen wie ihre drei früheren aus demselben Grunde getöteten Kinder), der Knabe 4 Wochen später. Sie heißen Maria u Johannes. Die Mutter des letzteren, eine Sklavin, säugt nun beide, wenngleich mit Parteilichkeit; die Eigentümer der Mutter werden dafür bezahlt (auch sie hatten zwei frühere Kinder dieser Sklavin umbringen lassen), die Kinder aber gehören den Missionaren. - Die Geschwister Dieterle sind am 7. August mit einem Segelschiff abgereist, werden daher erst Ende Oct. oder Anf. Nov. nach Hause kommen.

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Habe ich Dir, lb Gottliebin, Deine frühere Frage, ob und wann wir eine Betstunde haben, beantwortet? Wir Männer haben eine am Mittwoch Abend 6 1/2 Uhr, die Frauen am Sonntag nach der Nachmittagskirche oder Abends.

Nun lebt wohl, der Herr mache uns tüchtig zum Erbtheil der Heiligen im Licht. Euer G. Christaller.

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(am Rand S 1 nachgetragen:) Dießmal wenigstens muß ich um Entschuldigung meines schlechten Geschreibs bitten, habe gerade kein gutes Federmesser und kann mich mit den Stahlfedern noch nicht recht befreunden, auch pressierts.

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(am Rand S 5 nachgetragen:) Meine tägliche Ordnung hier ist gegenwärtig: Aufstehen etwa 6 Uhr, Morgenandacht bei Mohrs, worin 10 - 20 Verse im NT gelesen und von Jonathan oder Daniel übersezt werden, um 7 Uhr bald nachher Frühstück, Mittagessen um 12 Uhr, wieder Arbeit von 2-5, Abendessen, Spazierengehen, 7 1/2 Uhr Abendandacht bei den Zöglingen, 8-9 Lesen und bald zu Bette.

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