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Emilie an Johann Gottlieb Christaller

(Waiblingen, 17. Sept. 1863)

M1, 63 Em 85-86

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Mein lieber Gottlieb! Statt vieler Worte bekommst Du diesmal einen herzigen Besuch; ich freue mich, Dir diese Überraschung machen zu können. Wie mir(s) seitdem ergangen ist, kurz Folgendes: Durch die viele Arbeit u Sorge, die mir die Ausrüstung zu meiner Reise und das Weggeben der Kinder verursachte, ward ich so angegriffen u elend, daß ich einsehen mußte, es geht nicht mehr so, ich entschloß mich, die 3 ältesten Kinder nach Basel zu geben, ich hätte Anlaß gehabt zum Schreiben, weil ich noch nicht angezeigt hatte, da Fr Merkle (sie hat vorige Woche abortiert) nun doch Theodor nehmen will, u die Eltern wollen Ernst nehmen, letzten natürlich ohne Kostgeld. Ich konnte aber immer nicht nicht zum Schreiben kommen, es giengen 8 Tage vorüber u unterdessen ward ich durch fortwährendes Kopf- u Zahnweh ganz krank; da kam mir der Gedanke, ich sollte die kleinen Kinder auch weggeben, u weil mit Theodor auch Karoline nach Gmünd geht, die Haushaltung aufgeben u irgendwo ausruhen, da hatte ich auf einmal Muth zum Schreiben, es war Samstag, am Montag darauf 7. Sept. übrigens stand ich eben in der Mitte vom Zimmer, die Schlafhaube auf ein Tuch über den Kopf gebunden mit elendem Aussehen nach einer unruhigen Nacht, da trat H Inspektor zur Thüre herein, ich war sehr verwundert u schaute ihn eine Weile an; was ihm wahrscheinlich seinen liebenswürdigen Brief ins Gedächtnis rief, seine ersten Worte schienen mir darauf zu deuten. Er war mit seiner Frau nach Würtemb. gekommen, um seinen Sohn zu besuchen, blieb dort vom Mo bis Mi, gieng dann nach Stgrt u Leonberg u den Mo, 14. Sept. darauf wieder nach Basel. Er hatte meinen Brief vom Sa vorher noch nicht erhalten, u wollte mir rathen u helfen zu Unterbringung der kleinen Kinder; ich sagte, was ich geschrieben u er war ganz zufrieden. Mich hielt er für krank, u zwar so arg, daß er zweifelte, ob ich die Reise durchmachen könnte, das bezeichnet ihn wieder ganz. Er meinte, ich soll schnell die Kinder hergeben u in ein Bad gehen, ich versicherte ihm, ich sei nicht krank, sondern müd u schwach, ich brauche kein Bad, nur ein Ausruhen. Es half alles nichts, ich mußte zu Dr. Pfeilsticker gehen u fragen, in welches Bad ich soll, u ob ich überhaupt noch eine Reise durchmachen kann. Pfeilst. sagte nun Soden bei Frkf, Teinach oder Ditzenbach. Mittags kam H Insp. wieder, Pfeilst. Ausspruch zu hören, ihm waren alle 3 Plätze recht, aber mir nicht, in allen drei würde ich kränker vor Heimweh; ich bestand darauf, nicht in ein Bad zugehen, u er bestand darauf, ich müsse gehen, ich besann mich, was thun u da fiel mir Boll ein, u das war ihm am liebsten von allem; er hieß mich gleich an H. Blumh(ardt) schreiben, ob ich kommen dürfe, u die Antwort lautete 'ja'. Letzten Die, 15. Sept. gieng Julius mit Gottreich u Paul nach Basel, heut gieng Theodor mit Karol. u am Sa 19. Sept. gehe ich mit Martha nach Boll, es ist mir so, dort gehöre ich hin, es ist mir nun schwer u leicht, u fühle, daß für mich gebetet wird. H Pf von Buoch war gestern hier u läßt Dich grüßen.

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1 Sommerrock, 2 Paar Hosen, 2 Paar Schuhe u woll. Unterleibchen hab ich für Dich, zu Nachthemden wirds nicht kommen, ich hab keine Zeit, keinen Platz u fast keine Kraft, denn ich müßte es in Zeit von wenigen Tagen haben. Meine Kiste ist gepackt, daß sie während meiner Abwesenheit nach Bremen geschickt werden kann. In Deiner Bücherkiste mit Schloß habe ich unseren 2 Querta (?) und 1 Teppich; Br. Dieterle hätte ich gerne das Gewünschte gekauft, aber es fehlt an Raum, ich hätte zu Hütchen eine Hutschachtel machen lassen müssen u das nimmt schon ziemlich Raum weg, ich muß von meinen Sachen manches zurücklassen aus Mangel an Raum. Für Br. Schall [...] (hier bricht der Brief durch Abschneiden ab.)

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