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Johann Gottlieb Christaller an Martha Christaller:

Christallers Sorgenpaket wird immer wieder neu geschnürt

(Schorndorf, 14. Juni 1880)

M3,80 G C 5

<1>

Meine liebe, vielgeprüfte Tochter! Diesen Morgen traf ich Deinen Brief, als ich in unsere alte Wohnung ging, in der ich meine Arbeit noch habe, während Mutter u Kinder im neuen Hause sind. (G.Chr. schläft noch im alten Haus, Theodor kommt auch ins alte Haus zu Besuch, Paul mit Freund auch.)

<2>

Am Pfingstmontag kam Tante Merkle u besah sich unser neues Haus, das ihr wohlgefiel. Am 18. (Mai) war ich in Stgrt u traf abends auch Erdmann u Ernst, die am 19. auch etwas beim Umzug halfen u am 20. wieder gingen. (Martha habe neue Schwierigkeiten mit Frl. Scholtz.)

<3>

[...] Ich werde mich durch das, was sie gegen mich ausgestreut hat, nicht abhalten lassen, nach Basel zu gehen. Ich kann fröhlich u getrost sein bei dem, was über mich gelogen wird. Wenn ich oder Du schuld sein sollen, daß sie wegkam, so waren wir nur Werkzeuge in Gottes Hand, wobei wir freilich keineswegs stolz sein können, sondern uns selbst zu demüthigen haben.

<4>

[...] Ich hätte freilich anders an Frl. Scholtz schreiben sollen, als ich gethan; ich kann meine Gerechtigkeit nicht rühmen wie sie, u doch muß ich wieder denken, ich habe nicht zuviel gesagt. Daß ich ungewöhnlich erregt war, dazu haben die zwei Brüder in Tübingen beigetragen. Gegen den Kummer, den diese mir bereiten, ist das, was Frl. Scholtz mir durch ihren geistigen Groll zuzieht, ein geringes. Angenehm ist es natürlich nicht, unverdient verachtet zu werden. Aber die Einsichtigen werden von selbst davon zurückkommen, u dann habe ich ja nicht nach dem Urtheil, das ihre Freunde über mich fällen, zu fragen.

<5>

[...] Ich bin doch froh, daß Du hast bleiben dürfen bis zum Ende, wenn Du über Scholtz gelogen hättest, so hätte man ja Dich davonjagen u nicht sie entlassen sollen. Das muß doch jedem einleuchten, wenn einmal die zauberische Blendung durch ihre Gewandtheit verblaßt u verflogen ist.

<6>

[...] Es wird freilich am besten sein, Du kehrst mit mir zurück, die Vakanz werde ja bälder als sonst anfangen. Wenn man nach derselben Deine Hilfe nicht mehr bräuchte, dann ist es ja selbstverständlich, daß Du nicht wieder hingehst.

<7>

Wir können Dich daheim wohl brauchen, u Du bekommst ein ganz nettes Stübchen in dem Querhaus mit Fenster gegen Morgen. Bis Du kommst, werden die Mietsleute, die jetzt noch in unserem neuen Hause sind, ausziehen können oder doch bald nachher.

<8>

In dem Zimmer unseres neuen Hauses, das mein Arbeitszimmer werden soll, ist ein Kochofen, u es muß uns gegenwärtig als Wohnzimmer u Küche dienen, daneben schläft Mutter mit den zwei Kleinen (Karl u Gustav), oben ich mit Hanna u Oskar. Kommst Du u die Wirtsleute sind noch nicht fort, so kann ich ja wieder im alten Haus schlafen. [...] Wann soll ich denn kommen?

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