Artikelaktionen
<< < > >>

Emilie an Johann Gottlieb Christaller:

Es hat gewisse Differenzen mit Inspektor Josenhans wegen Christallers weiterer Zukunft gegeben; Emilie, mit dem 4. Kind schwanger, hat gesundheitliche Probleme, zeigt aber ihre ganze Selbstgenügsamkeit und Bescheidenheit, auch versucht sie, in Glaubensdingen ihrem Mann weiteren Mut zu machen

(Winnenden, 20. Sept. 1861)

M3,61 Em 4

<1>

Mein lb Gottlieb! Es ist wieder Sonntag geworden zur Beantwortung Deines Briefes, u ist mir das nicht unlieb, denn da ists ruhiger von außen u innen. Daß Du Deine drei Wochen voll in Teinach bleiben willst, ist ganz recht, Du weißt ja nicht, ob Dir eine solche Kur-Zeit wieder zutheil wird. Wegen mir darfst Du nicht besorgt sein, der Herr hilft auch bei aller Schwachheit von einem Tag und einer Nacht zur andern; wenn ich mich mehr angegriffen fühle als sonst, wenn ich allein bin, wie es von meinen Umständen herkommt, auch habe ich viel gearbeitet und am Essen und Trinken zu sehr gespart, daß mirs oft ganz schwarz vor den Augen wurde u ich mich legen mußte, ich thue letzteres jetzt nicht mehr, u denke, der Herr wird sorgen, daß wir reichen. Ich wollte Dirs schon das letzte Mal schreiben. [...]

<2>

Wenn Du nach Gmünd kommst, möchtest Du wenigstens einigemal über Nacht bleiben, es pressiere nicht, sei ihr sogar lieber, wenn Du nicht in drei oder vier Wochen kommst. [...]

<3>

Daß Dich die unrichtigen Voraussetzungen in H Inspektors Brief inconvenierten, wußte ich wohl u sprach darüber mit H Haller, welcher meinte, daß sie gar nicht unrichtig seien, Du habest noch solche Gedanken, sein Neffe habe kürzlich nur eine halbe Stunde mit Dir gesprochen u hab's herausgehabt, daß Du immer noch eine Anstellung in dieser Art hoffest; das ist ein Stück von der Sprachenverwirrung, dachte ich, immer aber bist Du allein die Veranlassung, weil Du Dich weitläufig, und deshalb unklar u unbestimmt ausdrückst; Du bist so ein Sprachenmann u kannst solche Sprachenverwirrung hervorbringen; daß ich mit dieser Beurteilung nicht übereinstimmte, tadelte Herr Zeller u sagte mir grad zu, ich könne Dich nicht verstehen und beurtheilen, Du gäbest Deine eigentlichen Absichten u Gedanken lange nicht heraus; dieses u ähnliches gab mir viel zu denken, zu beten u gottlob auch zu glauben, daß der Herr alles herrlich hinausführen wird, wenn nämlich, das ist die Grundbedingung, aber ich zweifle nicht, daß der Herr sein Werk an Dir zum Ziel führen wird, und wenns ihn auch noch schwere Wege kostet, wenn du nämlich Deines Herzens Tücken erkennst, die so fein u darum so verborgen in Dir Herberge haben, ich meine Eigenliebe u Selbstgerechtigkeit; die beiden Herren Zeller u Inspektor haben scharfe Augen, die wissen, daß Dir (etwas?) fehlt und schlagen drauf los, nur treffen sie manchmal nicht den rechten Zweck, denn sie sind Menschen u wenn man geht, Unkraut auszureißen, so wird manchmal auch das Gute getreten u geknickt. Herr Zeller sagte mir, wenn ich Nachricht von Dir habe, soll ich auch kommen, ich gieng letzten Mittwoch u ward dann auf Donnerstag verwiesen, da gieng Gottliebin auch mit, ich hatte ihr vorher die Sachen erzählt, H Zeller sprach in der gleichen Weise mit ihr wie mit mir, u sie, die ja Deinem ganzen Leben nachgehen u nachdenken kann, kam zur gleichen Überzeugung wie ich. Ich hätte gerne mit dem, was ich jetzt geschrieben, gewartet, bis Du wieder hier bist, aber es ist mir, als dürften wir keine Zeit mehr verlieren, weil schon genug verloren ist, ich hätte sollen diese Fehler, die ich schon früher an Dir erkannte, nicht mit soviel Nachsicht behandeln, ich bin dafür bei H Inspektor, H Zeller u H Pf Meuret in dem Verdacht, ich bestärke Dich in den Sachen, von denen du abkommen müssest, wenn Deine Gaben u Kräfte noch fürs Reich Gottes verwendet werden können. (Sie haben mirs ins Gesicht gesagt, ersterer geschrieben.)

Nun leb wohl, lb theurer Gottlieb, nimm meine Worte zu Herzen u prüfe Dich, ich weiß, Du glaubst, daß es auf der ganzen Welt niemand besser mit Dir meint als Dein treues Weib, die schon manches Leid mit Dir getheilt hat.

Noch etwas fällt mir ein, Du schreibst von einer schriftlichen Darlegung Deiner Wünsche u Gedanken, die H Inspektor von Dir erwartet, u ich hab verstanden, daß Dein letzter Brief bereits das sei, u sein Brief nur privat Antwort dafür sei. Lies doch noch einmal, ich müßte mich sehr getäuscht haben. Es freut mich, wenn Du Dich da und dort nützlich machen kannst, ich glaube nicht, daß Dir das schadet. In herzlicher Liebe Deine Emilie Chr. (Kurzbericht über die Kinder schließt sich an.) [...]

Fenster schließen