Artikelaktionen

 

Johann Gottlieb Christaller an Eltern Ziegler:

Bericht über Marthas Geburt; sie suchen eine württ. Magd zur Betreuung; über Emiliens Sinn für 'in Gesellschaftsgehen'

(Basel, 2. Febr. 1859)

M3,59 G C 2

<1>

[...] Meinen lb Gottreich, der jezt versucht, frei zu gehen, habe ich des Nachts bei mir im Bette, in unserem anderen Zimmerchen, damit er in der Wohnstube nicht stört, und er ist gern bei mir.

<2>

In Beantwortung der beiden Briefe vom 16. Jan. danke ich zunächst für den Glückwunsch zum neuen Jahr. Wir freuen uns, daß wir in Jesu Frieden haben und uns um seinetwillen von unserem Vater im Himmel stets das Beste versehen dürfen. Möge Euch und uns Gottes Gnade u Friede in Christo Jesu dieses ganze Jahr hindurch reichlich zu Theil werden.

<3>

Ob Gottreich eine rechte Freude gehabt am Christbaum? Ja, er brannte aber nicht des Morgens, sondern an den Abenden der Weihnachtsfeiertage. An seinem Schwesterchen hat er von Anfang an eine Freude, doch wagt er nicht, es unsanft zu berühren, während er vor Weihnachten einer kleinen Puppe ein paarmal am Boden den Kopf entzwei schlug. Er ist meist lieb, kann aber auch öfters ungebührlich grillen u will öfters nicht auf seinem 'Schambre' sizen bleiben. [...] Der Winter ist bei uns außerordentlich mild. Emilie gieng noch am 26.Januar bei sehr angenehmem Wetter 1/2 Stunde mit mir spazieren, die lezten Tage regnete es, lezte Nacht fror es wieder.

<4>

Daß die lb Mutter schreibt, Emilie solle eine rechte Magd nehmen, u sich dann nicht so absondern u einhäuseln, ist ganz auch unsere Ansicht, uns durch die bisherige Erfahrung bestätigt, der lb Vater hat in betreff des 'in Gesellschaft Gehens' gewisse Bedenken, die an sich ganz richtig, aber, weil Emilie ganz dieselben Grundsäze hat, als Befürchtungen ihr gegenüber ausgesprochen, nicht begründet sind. Emilie wird immer nur ungern Besuche machen u in Gesellschaft gehen, u sich nie gewöhnen, außer(halb) ihrer Wohnung Erholung zu suchen. Wenns ihr als Schulmädchen schwer fiel, Einladungen nicht annehmen zu dürfen, u dgl., so war es später u ist es jezt noch das Gegentheil; sie dankt das ihren lb Eltern, u ich mit, aber auf der rechten Seite ins Extrem zu gerathen, ist auch nicht gut, u was sie an ihrem bisherigen Verhalten in dieser Beziehung ändern will, ist nicht mehr als Pflicht, sie will u soll nur den Pflichten der christlichen Gemeinschaft u der Dankbarkeit damit genügen.

<5>

Ähnlich ist es mit der Einfachheit des Haushalts. Wenn hinsichtlich der Geselligkeit Emilie fast auf dem Extrem war u mich gewissermaßen auch darin bestimmte, so war ich es in der Gleichgültigkeit gegen meine eigenen (allerdings nicht so gegen Anderer) Bedürfnisse. Aber das ist nicht immer Profit. Emilie dagegen hat, was ich von Anfang erkannte, ganz den richtigen Tact, u Bequemlichkeitsliebe ist ihr Fehler nicht, Arbeit ist immer ihre Freude; freilich hat sie keine Feldarbeit, aber ihre Führung u Ausstattung weist sie zunächst auch nicht darauf hin. Der lb Vater thut ganz recht, die Feldgüter zu verkaufen, denn Niemand lebet davon, daß er viele Güter hat, aber Emilie glaubt es noch nicht ganz. Doch hiemit genug.

Lizenz

Volltext

Kommentare

Es liegen noch keine Kommentare vor.

Möchten Sie Stellung zu diesem Artikel nehmen oder haben Sie Ergänzungen?

Kommentar einreichen.