Artikelaktionen
<< < > >>

Emilie Ziegler an Joseph Josenhans

(London, 20. Nov. 1856)

M1,56 Em 4

<1>

Verehrter Herr Inspector! Meinen herzlichen Dank für Ihren Brief, sowie für den früheren, den ich noch nicht selber beantworten konnte; der Herr hat geholfen, daß ich meine rechte Hand wenigstens zum Nöthigsten wieder benützen kann.

Br. Christaller weiß allerdings jetzt, daß ich komme, lebt aber gerade deßhalb in noch ziemlicherer Ungewißheit als vorher; er erhielt nämlich die Nachricht von Herrn Linder durch die den 24. Sept. abgegangene Post u erwartet uns daher mit den übrigen Geschwistern seit Ende Oktober. Er wird sich wohl nichts anderes als daß wir Schiffbruch erlitten, denken können. Br. Heck schrieb unsere Erlebnisse Br. Widmann mit der den 24. Okt abgegangenen Post, mit dieser Gelegenheit gieng auch Ihr Brief für Br. Christaller ab; mögen diese Briefe nun bald ankommen, u die lb Geschwister, bes. der theure Br. Christaller mit uns dem Herrn danken für unsere wunderbare Rettung.

<2>

Ihre Ermahnung in bezug auf mein Verhalten gegen meine Umgebung nehme ich mit dankbarem Herzen hin. Begleiten Sie mich mit Ihren Gebeten. Und wird der Herr mich wohlbehalten an den Ort meiner Bestimmung gebracht haben, so wird auch dort mein Bestreben sein, Ihren Vorschriften getreulich nachzukommen, wozu der Herr mir Weisheit geben wolle.

<3>

Ihre Mittheilungen von den nach Indien Gereißten (sic!) u den Bremer Geschwistern thun mir sehr weh; war ich vorher schon mißtrauisch gegen mich selber, in dieser Beziehung, so machts diese Nachricht mich noch mehr; wie armseliger Werkzeuge muß sich doch der Herr beim Aufbau seines Reiches bedienen; möge der treue Gott u Heiland, der uns dem leiblichen Tod entrissen, nicht minder wachen über unser geistiges Leben, damit nicht der letzte Betrug ärger werde denn der Erste; lieber wollte ich noch einmal Schiffbruch leiden u mein Leben dabei beschließen, als dem Feind, gegen den ich, wenn auch in meinem kleinen Theil, ins Feld ziehen soll, heimlich Thür u Thor öffnen. [...] (die Eltern seien an dem Wege ihrer Tochter nicht irre geworden durch das Unglück.)

<4>

Gestern Abend wurden wir von dem ehrwürdigen Hrn Dr.Steinkopf in der Bibelstunde verabschiedet; er gab jedem ein Reisegeld 1 Mark u einen Bibelspruch mit auf den Weg, derjenige, welcher mich traf, steht Jakobus 1,12 'Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet [...]', der freut mich.

<5>

Daß Br. Heck letzte Woche krank war, wird er Ihnen berichtet haben. Ich bekam dadurch Gelegenheit, ihm gleiche Liebe zu erweisen, mit der er mir auf dem Schiff beigestanden ist; wo ich oft dankte, daß Br. Heck die Reise mit uns machen mußte, denn zu keinem der übrigen Brüder hätte ich mich können dessen versehen, was er an mir gethan.

Mit herzlicher Hochachtung Sie grüßend Ihre Emilie Ziegler.

Fenster schließen