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Emilie Ziegler an Gottliebin Merkle

(London, 29. Okt. 1856)

Nbrg Em 5

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Geliebte Gottliebin, es hat mich so herzlich gefreut, daß Du mich mit einem Briefchen bedacht hast, daß ich nicht umhin kann, Dir auch, wenngleich mit der linken Hand, einige Worte zu schreiben. Solchen Briefwechsel haben wir wohl bei unserem Abschied nicht erwartet, aber ich bins gewiß, so wunderbar des Herrn Rath hier ist, so herrlich wird es auch hinausführen, dies predigt mir die wunderbare Rettung u Erhaltung meines Lebens u meiner Gesundheit, die mir jetzt erst, seit ich mich wieder gesund u wohl fühle, groß u wichtig dasteht; ein Kleines nur, so wärs um mein Leben geschehen gewesen, u ebenso ein Kleines, so hätte ich müssen den Rückschritt vom Missionsdienst antreten, wenn nämlich meine Gesundheit einen zu starken Stoß erlitten hätte, über diese Gefahren hinweg bin ich wie auf Adlers Flügeln getragen worden, daß selbst mein Daumen, dem zwei Ärzte das Abnehmen prophezeit hatten, mir bleiben muß; o wie groß ist der Herr in allem seinem Thun. Herr Prälat Kapf schrieb mir, daß dies die Missionstaufe gewesen sei, die ich durchgemacht habe; ich glaube es, denn seit ich auf Missionsboden stehe, gehts bei mir durch dick u dünn u über Stock u Stein, u ich werde jetzt das Angeld haben, von dem, was kommt; es ist mir nicht unerwartet; ehe ich diesen Weg betrat, war mirs unverborgen, was die Liebe mit sich bringt. Und jetzt, da ich davon geschmeckt habe, lasse ich den Nachsatz doch nicht weg: doch es komme noch so trübe, der am Kreutz ist meine Liebe. Weil ich erfahren, daß, je trüber es von außen kommt, je heller wirds von innen, und daß es herrlich ist, ein Schäflein Christi werden u in der Huth des guten Hirten stehn.

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Die mir von Dir u Hannele mitgegebenen Briefe für Eueren Bruder sind gerettet. Hr Inspektor schrieb mir, ich solle den Seinigen mit nächster Post absenden, was am 24. Okt geschehen ist. Vor einigen Wochen kamen Briefe von Afrika hier an, worunter auch zwei von unserem Gottlieb; Hr Linder schickte sie mir zum Lesen, sie waren von Sierra Leone aus geschrieben, von wo er jetzt wieder neu gestärkt nach Akropong zurückgekehrt ist. Der gute Gottlieb weiß immer noch nicht, daß er eine Braut hat, u ich habe schon so viel als Solche erfahren; aus diesem Umstand ziehe ich aber auch eine Lehre; wie nämlich der Herr so treulich für uns sorgt, ohne daß wirs wissen; wieviel treue Pflege des guten Hirten wird uns droben erst klar werden.

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Nun liebe Schwester, sei mit mir dem Herren befohlen, wills Gott, so schreibe ich Dir bald von Afrika aus, wo wir wahrscheinlich als Christbescheerung ankommen werden, unsere Abreise wird den 24. Nov geschehen. Und mit herzlichen Grüßen an die lb Geschwister in Eßlingen u Deinen lb Mann, sowie auch Deine Missionsfreunde in Gmünd bleibe ich Deine im Herrn Dir verbundene Emilie Ziegler. Grüße von meinem Reisegefährten besonders von Br. Heck.

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