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Emilie an Johann Gottlieb Christaller:

Nachdem Christaller nun nach Afrika unterwegs ist, bricht bei Emilie eine sehr starke Depression aus, zumal auch ihr körperlicher Zustand sie innerlich sehr belastet; die Kinder seien alle gesund, alle fragten, wann der Papa komme, Ernst sei ihre Augenweide

(Waiblingen, 20. Juni 1862)

M1,62 Em 1-3

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Gottreich sagt oft, der Papa soll doch nur wieder kommen und soll mit dem Schnellzug fahren. Von eigener Munterkeit weiß ich nicht viel zu sagen, es stehen mir immer die Thränen in den Augen; in meinem Gesundheitszustand hat sich noch nichts geändert, fühle immer nur eine große Mattigkeit in den Gliedern und zuweilen Leibschmerzen, wenn ich allein den gegenwärtigen Tag vor mich nehme und für alles andere die Augen zudrücke, so finde ich Kraft und Mut, weiter zu pilgern, nur diese Waffe habe ich, im übrigen stehe ich wehrlos da und mag gar nicht an meine Lage denken.

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Pf Geß u Conf(erenz) kamen mir grad vor wie viele Ärzte, die gar nicht sehr empfindsam sind für die Schmerzen, die ihre Verordnungen hervorrufen. Sie denken nur, andere habens ja auch leiden müssen; über kurz oder lang stehen wir auch in der Zahl seiner angeführten Märtyrer.

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Deine traurigen Neuigkeiten von Afrika haben auch Besorgnis in meinem Herzen erregt. Ich fühle oft eine geheime Angst in mir, der glimmende Docht meines Vertrauens auf Gott möchte verlöschen, wie der zu den Menschen verlöscht ist. Br. Igel gönne ich seinen Heimgang, es ist ein elend jämmerlich Ding auf dieser Erde; das Schönste, das ich von Jugend mir ins Aug gefaßt hatte (Missionsdienst), ists auch. Aber gottlob, eins habe ich bei diesem allen noch, ja es wär zum Weinen und zum Verzweifeln, wenn kein Heiland wär; freilich, der Himmel ists noch nicht so für mich auf der Erde, wie ers sein sollte und könnte, aber ich hoffe, er wirds noch werden. (Auch der Briefschluß gibt einen deutlichen Einblick in ihre große seelische Not:)

Lieber Papa b'hüt Dich Gott, es betet immer für Dich Dein Gottreich und Deine Martha. Leb wohl lieber theurer Gottlieb, bete fleißig für Deine Emilie.

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