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Johann Gottlieb Christaller an Emilie:

Christallers Reflexionen über seinen Abschied von Emilie und seinen Kindern; gibt eine Vorschau auf seine Aufgaben in Aburi

(Basel, 18./19. Juni 1862)

M1,62 G C 4

<1>

[...] Der Abschied ist nun vorüber u ich denke, Du hast Dich in Deinem Gott u Heiland gefaßt, d.h. Du hast empfunden u geglaubt, daß Du doch von Ihm umschlossen, gehalten u getragen bist sammt den lb Kindern, u daß Er Dich nicht verlassen noch versäumen wird. Laß Dich Ihm nun auch ganz kindlich, sei fröhlich u getrost, befiehl Ihm Deinen Weg u hoffe auf Ihn. Er wirds wohl machen. [...] (Liedvers) [...]

<2>

Sorg' und sorge auch nicht zuviel, es geht doch, wie Gott es will. Glaub nur feste, daß Du nun von Gott in diese Lage, wie sie jetzt ist, versetzt bist, schreib es nicht den Menschen zu, die ja ohne Gottes Willen kein Haar krümmen können; solange Du nicht von den Menschen absiehest, wirst Du nicht ruhig; was Andere fehlen, das möge ihnen Gott offenbaren u wir können uns auch darüber aussprechen, wenn wir Aufforderung u Beruf dazu haben. Aber zunächst müssen wir durch das, was uns auferlegt wird, auf uns selber achten lernen, unsere Vergangenheit durchforschen, unsere Gegenwart erkennen, die Zukunft aber unter Treue in der Gegenwart und betendem Sorgen dem weisen u gnädigen Walten des Herrn überlassen. (nächster Liedvers) [...]

<3>

Ich will Dir nun meine wenigen Erlebnisse von vorgestern bis diesen Morgen beschreiben. Luisle (d. i. die Magd) sagte mir unterwegs, sie sei nicht mißmuthig u unzufrieden über Dich in letzter Zeit, sondern über sich selber; sie selber fieng damit an, daß sie mich um Verzeihung bat, u ich sagte ihr darauf, was Du mir gesagt, worauf sie Jenes erwiderte. Sie möchte gerne Jemand haben, dem sie ihr Herz aufschließen könnte. In diesem Begehren mag Irrthümliches unterlaufen, aber ich sehe nicht ein, warum es unbefriedigt bleiben sollte. Da könntest Du Missions- oder Seelenarbeit treiben. Du kannst ihr ja von vornherein den Standpunct bezeichnen, auf dem Du als Frau bleiben mußt, um das Zuviel der Vertraulichkeit abzuhalten, aber ich wollte lieber, daß Du zuweit Dich herunterließest, als daß Du zu hoch droben bliebest. Fasse doch Deinen Christen- und Missionsberuf Anderen gegenüber klar u scharf ins Auge, bekümmere Dich u sorge auch für andere (dieß soll man thun u die Sorge für das eigene und der eigenen Kinder Heil und Wohl nicht lassen), dann verstrickst Du Dich nicht zu sehr in die trüben Gedanken über Deine eigene Gegenwart u Zukunft.

<4>

'Wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen', und wer so sein Leben verlieret, der wird es finden; wer aber nur auf sein Leben denkt u dieses zu erhalten sucht, der wird es verlieren oder doch desselben nie froh werden. Wenn Dir in der Schule Noten und Geographie und auf dem Feld Ackerbohnenzupfen zuwider war, so hättest Du es eben doch gerne thun sollen, den Widerwillen überwinden sollen und so ists auch mit anderen Sachen. Laß Dich täglich einführen in Gott gefälliges Thun u Leiden u hänge Deinen sorgenvollen Gedanken nicht nach. (Liedvers) [...] Doch der Herr und sein Geist und Wort mögen Dir diese Sachen offenbaren u klarer machen als ichs vermag, u ich will ihn für mich um dasselbe bitten. ([...] Dann schildert er seine 'wenigen Erlebnisse'. In der Eisenbahn traf er verschiedene Bekannte) [...]

<5>

Füge Dich nur recht geduldig u dankbar in Deine Lage, sonst könnte sie schlimmer werden, wenn Du recht ruhig u gelassen, ja fröhlich wirst, so wird auch die Störung Deiner Gesundheit sich wieder geben. [...] Der öffentliche Abschied war am Samstag in der Missionsstunde gehalten worden, auch David hatte geredet und am So um 11 Uhr wurde letzterer von Hrn Pf Geß im Missionshaus in der Stille (ohne vorherige Bekanntmachung in der Stadt) ordinirt. (Über die mitreisende Missionsbraut Jungfer Meyer.)

<6>

Ich komme richtig nach Aburi (daß auch ein wissenschaftlich gebildeter Bruder dort sei, sagte Hr Weitbrecht.)

<7>

H Insp. sagte: warum Du nicht mitgekommen seiest? Ich sagte, das hätte ja keinen Zweck gehabt, Du hättest nur die traurige Rückreise (von Basel nach Württ.) allein machen müssen.

<8>

[...] Dienstag VM wandte ich zwei Stunden an den Correcturbogen von Zimmermanns 'Richter u Ruth' in Ga; wahrscheinlich wird Br. Süß von der Committee von der ferneren Correctur beauftragt werden. [...] (Er macht weitere Besuche in Basel.)

<9>

[...] Frl Scholtz ist wieder wohl, fürchtet aber, sie könnte ein Rückenmarksleiden bekommen.

<10>

Diesen Brief erhältst Du am Fr Morgen, ein Brief, den Du am Fr vor 4 Uhr in Waiblingen auf die Post thätest, würde mich noch in England treffen können. (Adresse folgt hier.)

<11>

Doch denke ich, Du wirst nichts so Dringendes zu schreiben u keine Zeit haben, hoffe dagegen, vier Wochen auf einen Brief unter der Adresse Aburi (Adresse ist angegeben.)

<12>

Heute Abend waren also wir Drei vor der Committee. (vgl. Prot. 86,10) Es wurde uns treulich und offen ans Herz geredet, was mir gehörte, nahm ich im Namen des Herrn hin. Mein Vertrauen steht auf Ihn. Die Puncte meiner Instruction sind:

<13>

Die Aufgaben und Fassung derselben enthält nichts, was mich oder dich unruhig zu machen brauchte. Ich erklärte, im Namen des Herrn und im Vertrauen auf seine Gnade, ihm dienen zu wollen so gut ich kann und weiß.

<14>

Die Committee erwarteten nicht zuviel von mir, u "Was in dem Herrn Du thust, das wird gelingen" sagt Spitta. Laß uns nur getrost u recht fleißig beten.

<15>

Am Nachtessen hörte ich, daß Br. Igel gestorben sei! Br. Steinemann sei so krank an einer Art Wassersucht, daß er wohl nicht mehr werde heimkehren können, sondern auch sterben werde. Br. Knecht komme nach Europa.

<16>

[...] Ich meinestheils habe das Vertrauen zum Herrn: ich werde noch nicht sterben, sondern leben u des Herrn Werk verkündigen. Aber vor dem Leiden will ich mich dabei nicht scheuen, sondern getrost mein Kreuz auf mich nehmen u den alten Menschen daran sterben lassen. [...]

<17>

Heute ist also unser Abreisetag. Bis hieher hat uns der Herr geholfen. Er wird uns auch ferner helfen. Ihm wollen wir ganz u gar vertrauen u auch über Menschen nicht mehr klagen; die, mit denen wirs zu thun hatten, meinen es doch gut, wenn sie auch nicht immer das Rechte treffen. Aber Er hat alles in seiner vorwärts und rückwärts alles überschauenden Weisheit wohl gemacht.

<18>

[...] Wir werden nun morgen nachmittags 2 Uhr hier abreisen und über Straßburg am Fr Mittag um 12 Uhr in Paris anlangen, dann nur 2 Std verweilen und nach Boulogne fahren, um von dort über den Kanal zu fahren, wobei wir wohl in Folkstone, nicht fern von dem Platz, wo ihr Schiffbruch gelitten, landen werden.

<19>

In diesem Fall werden wir also 22 Stunden auf der franz. Eisenbahn sein, und die folgende Nacht wieder auf Eisenbahn und Dampfschiff, am Sa (Nachmittag?) und Sonntag in London, am Montag Abreise nach Liverpool, am Dienstag Abfahrt von dort.

<20>

Ich möchte nun wohl gerne wissen, wie es Dir besonders geht, aber ich befehle Dich Gott u seiner Gnade. Laß Gottliebe bald zu Dir kommen. Ein schwarzes Halstüchle wirst Du noch gefunden haben. Macht nichts. Das Zollstäbchen auch. In meinem Kasten liegen Bücher [...] Sollte nun noch etwas vergessen sein, so wirds keinen Schaden für die Ewigkeit bringen. Wir müssen vergessen u über Kleinigkeiten wegsehen lernen. Das hast Du ja erfahren. Benutze u genieße den Trost, der in wahrer Fülle Dir zu Gebot steht bei dem, der reich ist über alle, die ihn anrufen. Küsse die Kinder in meinem Namen u weise sie treulich zu Jesu. Ihm dem Treuen sei befohlen mit Deinem G.Chr.

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