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Emilie an Johann Gottlieb Christaller:

Einsamkeitsgefühle, neue Depressionen und Gesundheitsprobleme bei Emilie; Bemerkungen über kommunikative Schwierigkeiten mit Inspektor Josenhans

(Waiblingen, 14. Juli 1862)

M1,62 Em 4-9

<1>

[...] Ich mußte u muß durch diese Vorkommenheit (d. i.: alles, was ihr begegnet) viel an meine Schiffbruchzeit denken, sie kommt mir in manchen Stücken wie ein Vorspiel von meiner jetzigen Lage vor, nur ist sie in mancher Beziehung mehr ein Gegenstück als ein Seitenstück zu nennen: Welche Anerkennung wurde mir damals zutheil, welche Lobeserhebungen, die ich nicht verdiente u die mir deßhalb angst u bange machten, wieviele herrliche u aus der Tiefe des Herzens kommende Trostesworte, u sie waren nicht nöthig; jetzt dagegen bin ich wie vertreten u vergessen, während ich nach Fassung ringe, sehe ich umher, ob sich niemand meiner erbarmte. Aber das ist kein Helfer; ach, muß ich oft denken, wie ärmlich ist der Menschen Thun, o der ist gewiß selig, der von Menschen abgewöhnt wird; wie ganz anders handelt Gott. [...] Mit meiner Gesundheit gehts nicht besser, sondern schlimmer, der immer abgehende Schleim schwächt mich sehr, in den ersten Tagen des Monats kam der Schleim ganz braun, u seitdem bin ich recht elend, schleppe mich nur mühsam herum, habe keinen Appetit, viel Kopfweh u werde sehr mager; nächsten Samstag ist wieder Zeit für meine P(eriode). Dies will ich noch abwarten, erfolgt sie nicht u wird mir nicht besser, muß ich den sauren Gang zu einem Arzt machen, wohin weiß ich nicht.

<2>

[...] Gottreich sagt so oft, er möchte zum Heiland in den Himmel, er ist im ganzen recht brav, wenn er sieht, daß ich betrübt bin oder weine, dann ist er sehr theilnehmend, bleibt immer bei mir u seufzt oft: wenn nur der Papa da wär. [...] Gottreich ist mir schon eine rechte Hülfe; ich freue u wundere mich oft seiner verständigen Reden; er möchte gerne wissen, wie weit Du jetzt von ihm weg seist.

<3>

[...] Dein Halstuch fand ich in einer Bücherkiste u trage es seitdem als Andenken. [...]

<4>

Gegenwärtig lese ich mit Interesse Heims Bibelstunden (im Heidenb). Die Beschreibung der Krankheit der afrikan. Mission erregt große Sensation in der Heimath u auch viel Ärgerniß.

<5>

[...] Noch etwas fällt mir ein, Du schreibst, Du habest mit H Insp. gerechtet, gelt, thu das nicht in einem Brief, schreib ihm nicht, als was Du mußt, auch von mir nichts, als was er wissen will u das so kurz als möglich. Laß ihn machen, wie u solang Gott ihn machen läßt.

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