Artikelaktionen
<< < > >>

Emilie Ziegler an Eltern und Geschwister:

Ein eindrucksvolles Bild davon, wie sie sich in Basel zurechtfindet

(Basel, 30. April 1850)

Nbrg Em 1

<1>

Gestern als am Sonntag werdet Ihr meinen Brief erhalten haben, ich dachte als daran vormittags, jetzt werdet Ihr ihn lesen und von mir reden, es war mir beinahe, als hörte ich Euch zu. Ich bin bis jetzt immer noch bei H Insp., am Sa hätte ich sollen fortgehen, weil man mein Bett einpacken mußte, aber ich wollte sie jetzt gerade in der größten Unruhe und Geschäft nicht verlassen. Ich behelfe mich eben mit dem Schlafen, und wenn ichs genau nehme, ist mirs ganz wohl, noch eine Weile bei diesen Leuten zu sein. Ich habe sie so lieb, ach, daß ich fort muß, doch es ist ja des Herrn Wille, der nur mein Bestes will, (fromme Sprüche) [...] und ich komme ja wieder zu guten Leuten. Ihr werdets wirklich recht viel zu arbeiten haben auf der Linde und den Gärten; an die Linde denke ich oft, es wird wirklich auch Schlehenblüte haben, trinket Ihr auch Thee daraus?

<2>

Ihr Lieben, wenn ich jetzt wieder zu Euch käme, würdet Ihr Euch wundern ob mir (= über mich), denn ich bin ganz anders geworden, ach, bei fremden Leuten, da lernt man, wie oft fällst Du mir ein, lb Mutter, wie ganz anders wäre ich jetzt gegen Dir, ich wäre nimmer so trutzig und wortkarg u so schrecklich lieblos, oh vergib mir, daß ich Dich hiedurch so oft betrübt habe, und Dir das Leben verbittert, wo es meine Pflicht war, ich will gar nichts von der Liebe sagen, es zu erheitern, es hat mich schon oft betrübt, könnte ich noch einmal die Jahre leben, die ich daheim zubrachte. Es wäre ganz anders, doch ich will jetzt noch thun, was ich kann, will recht herzlich für Dich beten, daß der Herr Dir Gesundheit und Kraft und Lust verleihen möge, daß Du der Haushaltung und allen Geschäften noch recht lange vorstehen kannst, vor allem aber, denn dies ist die Hauptsache, daß er Dein Herz in wahrer Liebe zu sich ziehe. (Sie erzählt liebenswürdig und genau von ihrem Spaziergang durch Basel, von den Straßen, sie verirrt sich, bis zur Rheinbrücke [...], sie lernt die Stadt auf solchem Wege kennen.)

<3>

Es ist mir ein großer Nutzen, daß ich eine Zeitlang hier sein kann, wo man mir die Basler Gebräuche sagen kann, daß ich sie schon weiß, wenn ich in eine Stelle komme, denn dies ist ein großer Vortheil, besonders auch, wie es bei vornehmen Leuten hergeht, denn zu solchen, soviel an mir liegt, gehe ich wieder. Da kann man Bildung lernen, die mir so ziemlich fehlt, und worauf man hier mehr als bei uns, auch bei Dienstboten geht. Es thut mir gut, in so kurzer Zeit mit einigen Haushaltungen näher in Berührung zu kommen. Hier in diesem Haus arbeite ich mit der Stubenjungfer alles und frage sie alles, bei einer Frau hätte ich das nicht können, da wäre ich mehr die Magd gewesen; bei Herrn Mittlers werde ich auch können manches lernen, denn da werde ich auch nicht grade als eine Magd behandelt. Sie haben H Insp. außerordentlich lieb und ich bin von ihm ihnen empfohlen worden. Doch es gehe wie es will, wie es kommt, so ist es mir gut, an diesem Glauben will ich festhängen und mich halten als an einem Anker, wenn da Schifflein auf tobenden Wellen geht. Lebet wohl und seid herzlich gegrüßt von Eurer Emilie.

Fenster schließen