<1>
Am 21.03.2012 wurden in dem westafrikanischen Staat Mali der amtierende Präsident Amadou Toumani Touré (ATT) gestürzt sowie die demokratische Verfassung des Landes durch einen Staatsstreich des Militärs unter der Führung von Hauptmann Amadou Sanogo außer Kraft gesetzt.
Der Militärputsch wurde nur einige Wochen vor den bereits längerfristig angesetzten Neuwahlen im Land durchgeführt, ungeachtet der Tatsache, dass der seinerzeit amtierende Präsident Touré bei den für April 2012 angesetzten Wahlen nicht angetreten wäre.
<2>
Als Auslöser für den Staatsstreich werden zumeist die Rebellen im Norden Malis genannt, die sich nur wenige Wochen vor dem Putsch zum wiederholten Male gegen das bestehende System und damit auch aktiv gegen die Armee und Staatsbedienstete des ATT-Regimes auflehnten. Dadurch verlor Präsident Touré zunehmend den ohnehin schwachen Rückhalt in Gesellschaft und Armee.
Die Rebellion im Norden und der Militärputsch im Süden des Landes stürzten den Staat Mali in ein gewalttätiges, von bürgerkriegs-ähnlichen Zuständen geplagtes, gesellschaftliches und politisches Chaos, in dem eine Vielzahl bewaffneter Gruppen mit unterschiedlichsten Interessen, um die politische, soziale und ökonomische Macht kämpfen.
<3>
Eine internationale Militärintervention unter einem offiziellen UN-Mandat unter der Führung von Frankreich ist seit Beginn des Jahres 2013 in Mali im Einsatz. Die internationale Eingreiftruppe konnte zwar innerhalb weniger Wochen die strategisch wichtigsten Stellungen im Norden Malis zurückerobern und eine Übergangsregierung einsetzen, sowie Mitte und Ende 2013 unter Beobachtung durch die UNO einen neuen Präsidenten bzw. ein neues Parlament wählen lassen. Dennoch kommt es bis heute immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf die Armee, Polizei und die Zivilbevölkerung im Norden Malis.
Die zwischenzeitlich von internationalen Beobachtern als "Musterdemokratie" bezeichnete malische Gesellschaft ist zerbrochen, und die Situation droht erneut zu eskalieren. Dadurch ist auch die (relative) soziale, politische, wirtschaftliche und religiöse Stabilität der angrenzenden Staaten wie Mauretanien, Niger, Burkina Faso u.a. gefährdet
<4>
Doch wie kam es überhaupt zur Rebellion im Norden und zum Militärputsch im Süden, trotz anstehender Neuwahlen?
Ziel dieser Artikels ist es, die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Faktoren in Mali zu untersuchen, um so die Situation im Land vor, während und nach dem Putsch besser verstehen zu können.
<5>
Um die aktuellen Ereignisse in Mali analysieren zu können, ist es notwendig sich mit der Geschichte des Staates und der in ihm lebenden Ethnien auseinanderzusetzen. Denn einige der heutigen politischen und sozialen Probleme lassen sich sowohl auf präkoloniale, koloniale, als auch post-koloniale Geschehnisse zurückführen.
<6>
Bereits vom 12. - 14. Jhd. gehörte das heutige Territorium Malis, zusammen mit weiteren Teilen Westafrikas zum "Großreich Mali [1]" (vgl. Karte 1).
Ende des 14. Jhd. wurde das Reich Songhay von der namensgebenden Ethnie gegründet und konnte sich schnell über weite Teile Westafrikas ausbreiten, besonders im Gebiet des heutigen Mali (vgl. Karte 2), wo die Songhay nach und nach die Gebiete des zerfallenden malischen Großreiches eroberten. [2] Das Machtzentrum des Reiches Songhay lag in der Hauptstadt Gao, die zuvor auch die Hauptstadt des Reiches Gao war. [3] Während dieser Zeit verbreitete sich auch der Islam in der Region und arabisch-islamischer Lebensformen fanden hier schnell weite Verbreitung. [4]
<7>
Ende des 16. Jhd. wurde das Songhay-Reich von marokkanischen Truppen zerstört, woraufhin sich die Bambara aus der Vorherrschaft der Songhay lösten und eine Reihe kleinerer Herrschaftszentren entlang des Niger gründeten [5] die jedoch nur von kurzer Dauer waren.
"Untereinander zerstritten, waren die Bambara nicht in der Lage, sich gegen die aus Guinea einfallenden Krieger des Volkes der Toucouleur zu wehren, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Macht im nahezu gesamten heutigen Staatsgebiet Malis übernahmen." [6]
<8>
Vor dem Einfall der Europäer und den Auswirkungen der Kolonialzeit gab es im Gebiet des heutigen Mali also eine Vielzahl unterschiedlich großer und mächtiger Reiche, die eine Vielzahl von Ethnien, Kulturen, Sprachen und Religionen umfassten, wobei Einfluss und Machtbereiche der unterschiedlichen Ethnien, Clans und Gruppen ständig veränderten. Herrscher wurden zu Beherrschten und umgekehrt, was bis heute zu vielfältigen Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen führt, die weiterhin um die Macht konkurrieren.
Mit der Eroberung weiter Teile Westafrikas durch die französische Kolonialmacht haben sich die Machtverhältnisse und damit einhergehend auch die politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Situation abermals drastisch verändert. Dadurch wurden die Grundsteine für viele der aktuellen Probleme Malis und seiner Nachbarstaaten gelegt.
1894 konnten die Franzosen mit der Einnahme Timbuktus die Eroberung des heutigen Mali abschließen, und 1895 wurde die Kolonie "Französisch-Sudan" gegründet [7], die 1904 in die Föderation "Französisch-Westafrika" eingegliedert wurde. [8]
Das Territorium der Teilkolonie Französisch-Sudan war im Laufe der Zeit mehreren Änderungen unterworfen (vgl. Karten 3, 4, 5, 6), wodurch mit der Zeit das heutige Territorium des malischen Staates entstand. [9]
<9>
Die von den Kolonialmächten am Reißbrett entworfenen Grenzen ignorierten die über Jahrhunderte gewachsenen geographischen, ethnischen und sprachlichen Strukturen in der Region. [10] Bestehende Gesellschaften und Handelsnetzwerke wurden gesplittet und ungeachtet der enormen kulturellen Diversität der vielzähligen Ethnien neu zusammengesetzt. [11]
Durch Verbote und Auflagen, Zwangsarbeit, Privilegierung bestimmter ethnischer Gruppen und bewusste Unterdrückung und allgemeine Marginalisierung der Gesamtbevölkerung, Zwangsumsiedelung und andere Maßnahmen hat die französische Kolonialregierung verheerende und langfristige Probleme erschaffen und so das enorme Konfliktpotenzial in Mali und allen anderen frankophonen Staaten Afrikas zusätzlich künstlich verstärkt.
<10>
1958 wurde Französisch-Sudan (wie alle französischen Kolonialgebiete südlich der Sahara) [12] zu einem halbautonomen Staat, der "République Soudanaise", umgewandelt. [13]
1959 schloss sich die "République Soudanaise" mit dem Senegal, Niger, Burkina Faso und Benin zur autonomen "Mali-Konföderation" zusammen, die jedoch bereits im August 1960 auf Grund von Interessenskonflikten wieder zerbrach. [14]
Am 22. September 1960 schließlich wurde die unabhängige Republik Mali ausgerufen, ein zunächst marxistisch-geprägter Staat, dessen Grenzen seitdem unverändert bestehen. [15]
<11>
Die malische Regierung hatte die Aufgabe, einen Staat zu regieren, der eine Fläche umfasst, die etwa dreimal größer ist als die von Deutschland. Darüber hinaus musste die Regierung mehr als zehn unterschiedliche Ethnien, [16] die weit mehr als zwanzig unterschiedliche Sprachen sprechen [17] vereinen, um sie nach Möglichkeit zu einer kollektiven kulturellen und nationalen Einheit zu formen.
Gleichzeitig war die neue Regierung gezwungen, sowohl gewisse europäische Interessen (besonders wirtschaftliche) der früheren Kolonialmacht zu wahren, [18] als auch marxistische Maxime befolgen, um nicht bei den neuen Verbündeten aus Süd-Amerika, Europa und Asien in Ungnade zu fallen. [19] Und auch die außenpolitische Sicherheit, mit den ebenfalls im Chaos versunkenen neuen Nachbarstaaten, musste irgendwie aufrecht erhalten werden. [20]
<12>
Auf Grund der Vielzahl und Diversität der Probleme stand die malische Regierung von Beginn an unter enormen Druck, der seitdem zu mehreren politischen und sozialen Konflikten und gewalttätigen Eskalationen geführt hat. [21] Dieser Druck wurde nach einem Staatsstreich 1991 noch erhöht, denn Mali wurde zu einer demokratischen Republik mit freien Wahlen und einem vom Volk gewählten Präsidenten und "in politisch interessierten Kreisen galt der westafrikanische Binnenstaat als politische 'Vorzeigedemokratie' in Afrika" (ZMSBw (Hofbauer & Münch), 2013: 7f).
<13>
Als Ursachen für den erneuten Ausbruch der Gewalt Anfang 2012 gelten vor allem die Revolution in Libyen, das Verhalten des ehemaligen malischen Präsidenten, als auch die finanziellen und technischen Möglichkeiten staatlicher und nicht-staatlicher Gruppen.
Bereits während der Kolonialzeit gab es in Mali eine starke Arbeitsmigration in die wirtschaftlich starken Regionen im Süden Malis, vor allem aber in die nördlichen Nachbarstaaten Algerien und Libyen. Sie verstärkte sich in den Dürreperioden in den 1970ern, die die malische Wirtschaft stark schwächte, und setzt sich bis heute fort. [22] Viele Tuareg, die einen Posten in der Armee des libyschen Diktators Ghaddafi hatten, sammelten hier militärische Erfahrung, bevor sie nach dem Sturz Ghaddafis - ausgerüstet mit schwerem Militärgerät und Finanzmitteln – in ihre nordmalische Heimat zurückkehrten. [23]
<14>
Die Unzufriedenheit mit der Regierung in Bamako, das hohe Maß an Eigenständigkeit und das starke Bewusstsein für regionale Besonderheit, das sich bei den Tuareg über die Jahrhunderte ausgebildet hat, gepaart mit Ausrüstung und Finanzmitteln, die die der staatlichen Armee bei weitem überstiegen, wurde der Aufstand der Tuareg-Rebellen Anfang 2012 überhaupt erst ermöglicht. [24]
Die malische Regierung selbst trägt aber auch eine Teilschuld am Ausbruch und Erfolg des Konfliktes. Denn während die Zentralregierung im nachkolonialen Staat wohl zu keinem Zeitpunkt in der Lage war, ihre Ansprüche und Forderungen in Nordmali durchzusetzen (wie das Einholen von Steuern, Grenzkontrollen, o.ä.), zog sie sich zeitweise bewusst aus bestimmten Regionen komplett zurück und überließ die Rechtsprechung lokalen Autoritäten, die sie zu diesem Zweck finanziell unterstützte und mit Waffen ausrüstete. [25] Dadurch konnten die lokalen Autoritäten ihre Machtbasis erweitern, während die Zentralregierung zunehmend an Bedeutung verlor.
<15>
Wie bereits der Aufstand von 1990 [26] wird der aktuelle Konflikt "[...] beeinflusst und eingebettet in größere regionale Dynamiken, vor allem mit den nördlichen Nachbarländern Algerien und Libyen." (Schlichte, 2013:70)
Dass die Armee in Nordmali im Eiltempo von den Rebellen überrannt werden konnte, lässt sich auf die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme der malischen Regierung, aber auch auf Fehlentscheidungen und die bewusste Marginalisierung ganzer Regionen durch die Präsidenten Konaré und Touré zurückführen.
"Die Schwierigkeiten, die schon die französische Kolonialmacht bei der Kontrolle des Raumes hatte, sollten sich schließlich bis in die Gegenwart fortsetzen." (Schlichte, 2013: 71)
<16>
Dass der Konflikt bisher nicht beigelegt werden konnte liegt neben der Vielfalt der Akteure und den tiefgreifenden ökonomischen und sozialen Problemen, laut Wolfgang Schreiber, an der Spaltung des 'Akteurs Mali' und den dadurch entstandenen zahlreichen 'Konfliktlinien' [27].
Auf den Konflikt zwischen den Rebellen in Nordmali und der Regierung folgte der Putsch gegen den Präsidenten durch die malische Armee und darauf die Verdrängung der Tuareg Rebellen durch islamistische Gruppierungen, die wiederum nicht als einheitlicher Block auftraten, sondern verschiedene Interessen verfolgen. Darüber hinaus verfolgen die internationalen Akteure unterschiedliche Interessen, wodurch eine Einigung auf eine gemeinsame politische Linie erschwert wird. [28]
<17>
Neben den bereits beschriebenen Problemen des Staates Mali und den Konflikten zwischen der malischen Regierung und den Gruppierungen in Nordmali, allen voran den Tuareg, spielen auch die folgenden Konfliktlinien eine bedeutende Rolle für die aktuelle Situation im Land [29]:
-
Konflikte innerhalb des Staates und der Armee
-
Konflikte zwischen MNLA und islamistischen Gruppen
-
Konflikte zwischen islamistischen Gruppen
-
Konflikte zwischen internationalen Akteuren
<18>
Der Konflikt zwischen der malischen Regierung und der Armee lässt sich zurückführen auf die widersprüchliche Politik der Regierung bezüglich des Umgangs mit Aufständischen in Nordmali und nicht erfüllten Forderungen nach Bezahlung und besserer Ausrüstung der Armee, um die Rebellion zu bekämpfen. [30]
Seit dem Putsch durch Hauptmann Sanogo ist die Armee gespalten, in Putschisten und Loyalisten und es soll sogar noch Anfang 2013 zu Schusswechseln zwischen den beiden Teilen der Armee gekommen sein. [31]
Darüber hinaus haben sich diverse Milizen gebildet, die zwar nicht mit den Rebellen und Islamisten sympathisieren, gleichzeitig aber auf ihre Autonomie gegenüber dem Staat bestehen und "[...] insbesondere eine Integration in die malischen Sicherheitskräfte [verweigern]." Schreiber, 2013: 208
<19>
Eine weitere Konfliktlinie entstand durch die Gruppen MNLA und Ansar Dine, die zwar zunächst gemeinsam gegen die malische Armee vorgegangen waren, sich dann jedoch trennten und in kriegerische Konflikte gerieten. [32]
Dabei gelang es Ansar Dine relativ schnell, die Kämpfer der MNLA sowohl aus Kidal, als auch aus Timbuktu zu vertreiben und dort die Kontrolle zu übernehmen. [33]
<20>
In der Region Gao agierte die MNLA zunächst gemeinsam mit der radikal-islamistischen Gruppierung MUJAO, doch es kam zum Bruch zwischen diesen beiden Gruppen und der Vertreibung der MNLA aus ihren letzten größeren Stützpunkten in Gao und Ménaka. [34]
Über die Zusammenarbeit zwischen MNLA und AQIM ist nur wenig bekannt. [35]
<21>
Durch den Bruch mit den islamistischen Gruppen ist die MNLA ein potenzieller Verbündeter der malischen Regierung. Die Forderung nach Unabhängigkeit bzw. Autonomie der MNLA und die Tatsache, dass ein autonomer Norden die malische Armee jedoch weitgehend ausschließen würde, macht ein derartiges Bündnis sehr problematisch. [36]
<22>
Von Bedeutung sind auch die Beziehungen, besonders aber die Konflikte, zwischen den agierenden islamistischen Gruppen Ansar Dine, MUJAO und AQIM. Zwischen Ansar Dine und AQIM gab es schon vor dem Konflikt Geschäftsbeziehungen, die auch während des Konflikts von Bedeutung weiter bestanden haben können, "[...] da die AQIM zwar über große finanzielle Mittel, aber nur wenige Kämpfer verfügte." (ZMSBw (Schreiber), 2013: 210). Spannungen zwischen AQIM und MUJAO bestehen seit der Abspaltung der MUJAO von der AQIM. [37]
<23>
Innerhalb der AQIM bestehen offensichtlich Konflikte zwischen den operierenden Anführern. Aufgrund der unzureichenden Informationen ist es jedoch nicht möglich, sich um darüber ein Bildmachen können. Auch über die persönlichen Beziehungen zwischen Einzelpersonen innerhalb der verschiedenen islamistischen Gruppen (und zu einzelnen Vertretern anderer Gruppen) wissen wir nur wenig. [38] So werden bestimmte Personen, wie beispielsweise Oumar Ould Hamaha als Stellvertretender Führer der AQIM, als Sprecher von Ansar Dine, aber auch als Militärchef der MUJAO genannt. [39]
Dies deutet entweder auf eine enge Verflechtungen zwischen den Gruppen hin, oder auf einen Konkurrenzkampf unter ihnen, bei dem verschiedene Akteure, teilweise mehrfach, ihre Loyalität gewechselt haben. [40]
<24>
Unstimmigkeiten zwischen Ansar Dine und den anderen Gruppen könnten darauf beruhen, dass Ansar Dine, im Gegensatz zu den anderen beiden Gruppen, zunächst in regionale Friedensgespräche mit der Regierung eingebunden war. [41]
Nach der französischen Militärintervention spalteten sich einige Untergruppen von der Ansar Dine ab. Hiervon galt die MIA als die bedeutendste Splittergruppe, da sie zum einen durch familiäre Beziehungen mit einflussreichen Tuareg in Verbindung stand und zum anderen weil sie die Ansar Dine aus deren Hochburg in Kidal vertreiben konnten und gleichzeitig die malischen Truppen dort fernhalten konnten. [42]
<25>
Die Krise in Mali führte - neben den gewaltsamen Auseinandersetzungen auf regionaler und nationaler Ebene - auch zu politisch bedeutsamen Konflikten auf internationaler Ebene, an denen unter anderem Bündnisse wie die ECOWAS, die AU, die UNO und internationale NGO's, aber auch einzelne Staaten wie Frankreich, die USA und private Großkonzerne beteiligt sind. [43]
Probleme entstanden u.a. durch fehlende Ansprechpartner auf internationaler politischer Ebene für die militärische Übergangsregierung nach dem Putsch 2012. Eine Folge davon war, dass Malis Mitgliedschaft in der ECOWAS und in der AU suspendiert wurde, was unter anderem Waffenlieferungen an die Armee verhinderte. [44]
Auch die unterschiedliche Ansätze zur Vorgehensweise bei der Konfliktlösung führten zu Problemen und Verzögerungen. So drängte Niger auf eine schnelle Militärintervention, während Burkina Faso friedliche Verhandlungen für zielführender hielten. [45]
<26>
Der wichtigster regionaler Akteur außerhalb der ECOWAS Algerien war – auch im eigenen Interesse - strikt gegen eine voreilige Militärintervention in Mali, besonders gegen den Einsatz von Truppen aus Ländern außerhalb der Region. Die ablehnende Haltung gründete unter anderem auf der Sorge vor einem zunehmenden Fremdeinfluss in der Region, insbesondere aus Frankreich, dessen Kolonialgeschichte das Verhältnis der beiden Staaten Frankreich und Algerien bis heute belastet. Ein Einsatz amerikanischer Truppen muss – spätestens seit dem Angriff auf Libyen im März 2011 (Becker 2011) - als eine massive Bedrohung empfunden werden, dessen Auswirkungen auf die Nachbarstaaten nicht vorherzusagen ist. [46]
<27>
Weitere Spannungen bestanden zwischen Frankreich und den USA. Frankreich befürwortete bereits früh eine militärische Intervention der NATO, um die Ordnung in ganz Mali wiederherzustellen. [47] Die USA sprachen sich dagegen für eine Militärintervention durch die ECOWAS zur Stabilisierung des Südens aus, lehnten aber die Rückeroberung des Nordens von Mali ab, solange nicht eine neue legitime malische Regierung durch freie Wahlen ernannt war.
Hier ist zu berücksichtigen, dass Frankreich nicht nur stärkere wirtschaftliche und geopolitische Interessen in Mali und den Nachbarländern hat (unter anderem die Uranförderung im Niger), sondern dass auch viele französische Staatsbürger in Mali leben, zu deren Schutz Frankreich verpflichtet ist. [48]
<28>
Nach dem Einmarsch der Franzosen Anfang 2013 hat sich die Situation im Süden des Landes stabilisiert, seit September gibt es einen neuen Präsidenten [49] und seit Dezember ein neues Parlament. [50] Im Norden konnten die meisten Städte zwar von der malischen Armee zurückerobert werden, die Situation ist aber weiterhin nicht ganz unter Kontrolle. [51] Wichtige Ausnahmen sind Kidal und Gao. Hier kam es seit Beginn der französischen Militärintervention immer wieder zu Anschlägen und Attentaten auf Angehörige von Polizei, Armee, Regierung und auch auf die Zivilbevölkerung. Kidal wird als einzige Stadt zumindest im Januar 2015 (Göbel 2015) noch von den Tuareg-Rebellen besetzt. [52] Die versuchen vor allem durch mediale Propaganda (besonders über das Internet), [53] national und international Einfluss und Unterstützung zu gewinnen.
<29>
Über die Auswirkungen des Konflikts, sowohl auf mittlere, als auch auf lange Sicht, lässt sich bestenfalls spekulieren, denn bislang schafft es keine der Parteien, sich dauerhaft behaupten und eine neue, von der Mehrheit anerkannte Regierung zu stellen. Sicher ist nur, dass durch den Konflikt hunderte Menschen ums Leben gekommen sind, [54] Zehntausende misshandelt und vertrieben, [55] ganze Städte und Landstriche verwüstet und historisches und kulturelles Erbe dauerhaft zerstört wurde. [56]
<30>
Der Wiederaufbau der staatlichen Infrastruktur, besonders in Nordmali, die Herstellung einer gesellschaftlichen Ordnung und die notwendige Schaffung einer nationalen, demokratischen Einheit wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Anspruch nehmen. All das setzt voraus, dass sich die agierenden Akteure gegenseitig anerkennen, sich respektieren und gemeinsam an der Entwicklung des Staates Mali beteiligen.
Eine solche Einigung ist jedoch nicht in Sicht, und erst in der Silvesternacht 2014 kam es zu einem Raketenangriff auf Kidal, [57] was deutlich zeigt, dass der Konflikt noch nicht überstanden ist und die Aufständischen weiterhin über massive Kampfmittel und anhaltenden Kampfeswillen verfügen.
Literatur
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'Neues Parlament in Mali: Präsidentenpartei gewinnt Wahlen'. Auf: Tagesschau.de. http://www.tagesschau.de/ausland/mali674.html , (15.04.2014)
Becker, Markus 29.03.2011
‘Luftkrieg gegen Gaddafi: "Schreckgespenst" jagt Truppen des Diktators‘. Spiegel.de - Wissenschaft. http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/luftkrieg-gegen-gaddafi-schreckgespenst-jagt-truppen-des-diktators-a-753776.html , (28.01.2015)
Blecker, Jens 2013
'Wieder tote Zivilisten: Die Unmenschlichkeit des Krieges'. Auf: IKNews. http://www.iknews.de/2013/01/14/wieder-tote-zivilisten-die-unmenschlichkeit-des-krieges/ , (15.04.2014)
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'Augenzeugen: Islamisten zerstörten UNESCO-Kulturerbe'. Auf: derStandard.at. http://derstandard.at/1339639439622/Augenzeugen-Islamisten-zerstoerten-UNESCO-Kulturerbe , (15.04.2014)
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'Mali bleibt im Bann der Islamisten'. Auf: derStandard.at. http://derstandard.at/1385168944945/Mali-bleibt-im-Bann-der-Islamisten , (15.04.2014)
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‘Kein Ende von Scharia und Terror‘. Deutschlandfunk – Eine Welt 17.1.2015, http://www.deutschlandfunk.de/mali-kein-ende-von-scharia-und-terror.799.de.html?dram:article_id=308960 (28.01.2015)
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'Mali zwischen Scharia und Krieg - Vertriebe suchen Frieden'. Auf: Hamburger Abendblatt.de. http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article113073394/Mali-zwischen-Scharia-und-Krieg-Vertriebene-suchen-Frieden.html , (15.04.2014)
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Schoepp, Sebastian 2013(b)
'Militäreinsatz in Mali: Unsinnige Grenzziehungen aus der Kolonialzeit'. Auf: Sueddeutsche Zeitung.de. http://www.sueddeutsche.de/politik/militaereinsatz-in-mali-wie-einst-in-franzoesisch-sudan-1.1588785-2 , (15.04.2014)
Schreiber, Wolfgang 2013
'Nichtstaatliche bewaffnete lokale und internationale Gruppen in Mali'. In: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) [Hrsg.] - Wegweiser zur Geschichte: Mali. Paderborn, München, Wien, Zürich: Ferdinand Schöningh Verlag. S. 207 - 215.
Sokome, Sileymane 2013
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'History of Mali'. Auf: World History at KMLA. http://www.zum.de/whkmla/histatlas/westafrica/haxmali.html , (15.04.2014)
Landkarten:
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[1] GIZ, 2014: http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/
[2] GIZ, 2014: http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/
[3] Enzyklopädie des Sudan http://www.eslam.de/begriffe/s/songhaireich.htm
[4] GIZ, 2014: http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/ , 1. Absatz
[5] GIZ, 2014: http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/ , 2. Absatz
[6] GIZ, 2014: http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/ , 2. Absatz Ende
[7] Omnia Verlag, 2013: http://www.omnia-verlag.de/weltimwandel/php/start.php?id=5646&bc=-5646 , 2.Absatz
[8] Omnia Verlag, 2013: http://www.omnia-verlag.de/weltimwandel/php/start.php?id=5646&bc=-5646 , 2.Absatz
[9] WHKLMA, 2005: http://www.zum.de/whkmla/histatlas/westafrica/haxmali.html ; GIZ, 2014: http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/ , 4. Absatz; Omnia Verlag, 2013: http://www.omnia-verlag.de/weltimwandel/php/start.php?id=5646&bc=-5646 , 2. Absatz
[10] GIZ, 2014: http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/ , 7. Absatz
[11] Schoepp, 2013(a): http://www.sueddeutsche.de/politik/militaereinsatz-in-mali-wie-einst-in-franzoesisch-sudan-1.1588785
[12] Omnia Verlag, 2013: http://www.omnia-verlag.de/weltimwandel/php/start.php?id=5646&bc=-5646 , 2. Absatz
[13] GIZ, 2014: http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/ , 6. Absatz
[14] Sokome, 2013: 112; GIZ, 2014: http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/ , 6. Absatz
[15] GIZ, 2014: http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/ , 6. Absatz; Omnia Verlag, 2013: http://www.omnia-verlag.de/weltimwandel/php/start.php?id=5646&bc=-5646 , 2. Absatz
[18] Omnia Verlag, 2013: http://www.omnia-verlag.de/weltimwandel/php/start.php?id=5646&bc=-5646
[19] Omnia Verlag, 2013: http://www.omnia-verlag.de/weltimwandel/php/start.php?id=5646&bc=-5646
[20] Schoepp, 2013(b): http://www.sueddeutsche.de/politik/militaereinsatz-in-mali-wie-einst-in-franzoesisch-sudan-1.1588785-2
[21] ZMSBw (Heyl & Leininger), 2013: 73f; Omnia Verlag, 2013: http://www.omnia-verlag.de/weltimwandel/php/start.php?id=5646&bc=-5646 ; GIZ, 2014: http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/
[22] Schlichte, 2013: 68f
[23] Schlichte, 2013: 69
[24] Schlichte, 2013: 69f
[25] Schlichte, 2013: 69f
[26] Der Auslöser für die Tuareg-Revolte 1990 war die Rückführung Tausender Dürreflüchtlinge seit 1989 aus Algerien und Lybien. (Schlichte, 2013: 70)
[27] Schreiber, 2013: 207
[28] Schreiber, 2013: 207
[29] Schreiber, 2013: 207ff
[30] Schreiber, 2013: 207
[31] Schreiber, 2013: 207f
[32] Schreiber, 2013: 208f
[33] Schreiber, 2013: 209
[34] Schreiber, 2013: 209
[35] Schreiber, 2013: 209
[36] Schreiber, 2013: 209
[37] Schreiber, 2013: 210
[38] Schreiber, 2013: 210
[39] Schreiber, 2013: 210
[40] Schreiber, 2013: 210f
[41] Schreiber, 2013: 211
[42] Schreiber, 2013: 211
[43] Schreiber, 2013: 212
[44] Schreiber, 2013: 212
[45] Schreiber, 2013: 212f
[46] Schreiber, 2013: 213
[47] Schreiber, 2013: 213ff
[48] Schreiber, 2013: 215
[49] Grill, 2013: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-111320153.html
[50] Allmeling, 2013: http://www.tagesschau.de/ausland/mali674.html
[51] Der Standard, 2013: http://derstandard.at/1385168944945/Mali-bleibt-im-Bann-der-Islamisten
[52] MOZ, 2014: http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1230230/
[53] MNLA, 2014: http://www.mnlamov.net/
[54] FAZ, 2013: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/mali-viele-tote-bei-kampfeinsatz-gegen-islamisten-12023821.html ; Handelsblatt, 2013: http://www.handelsblatt.com/panorama/aus-aller-welt/zwei-tote-berichterstatter-in-mali-abscheuliches-verbrechen-an-franzoesischen-journalisten/9021078.html ; Blecker, 2013: http://www.iknews.de/2013/01/14/wieder-tote-zivilisten-die-unmenschlichkeit-des-krieges/ ;
[55] Caritas, 2013: http://www.caritas-international.de/hilfeweltweit/afrika/mali/vertreibung-krieg-gewalt?show=situation ; Hamburger Abendblatt, 2013: http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article113073394/Mali-zwischen-Scharia-und-Krieg-Vertriebene-suchen-Frieden.html ;
[56] Süddeutsche, 2012: http://www.sueddeutsche.de/politik/islamisten-zerstoeren-weltkulturerbe-mali-ruft-un-zum-schutz-seiner-heiligtuemer-auf-1.1398117 ; Der Standard, 2012: http://derstandard.at/1339639439622/Augenzeugen-Islamisten-zerstoerten-UNESCO-Kulturerbe ;.
[57] MOZ, 2014: http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1230230/
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Empfohlene Zitierweise ¶
Krempel P (2015). 6. Mali - Hintergründe, Ursachen und Auswirkungen des Konflikts. AAeO, Vol. 2015. (urn:nbn:de:0009-10-41279)
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