Artikelaktionen
<?xml version="1.0" encoding="UTF-8"?><document><element name="title"><value> Woher kommen die Infixe im Isu (Kameruner Grasland)?</value></element><element name="description"><value>de: Die westliche Ring-Sprache Isu (Süd-Bantoid) des Kameruner Graslands setzt ein palatales Infix zum Ausdruck einer Reihe verwandter verbaler Funktionen – imperfektiver Aspekt, Pluraktional, Kausativ – ein. Damit hebt sie sich deutlich vom engeren Bantu- und weiteren Benue-Kongo-Habitus ab, der sich dadurch auszeichnet, Kategorien dieser Art entweder durch verbale Suffixe oder durch Periphrase mithilfe von Hilfsverben zu kodieren. Morphologische Distributionsanalyse, interne Rekonstruktion und externer Vergleich innerhalb der Ring-Gruppe ermöglichen es, die historischen Ursprünge dieses palatalen Infixes einzukreisen und es als Abbauprodukt einer Hochvokal-Reduplikation (ursprünglich in Progressivfunktion) zu identifizieren, wie sie (a) in anderen Niger-Kongo-Sprachen nicht unüblich ist, und (b) wie sie sogar als kognate Vorläuferkonstruktion in der Süd-Ring-Sprache Babungo nachgewiesen werden kann. Funktional-diachron gesehen, wurde im Isu ein vormaliger Progressiv in zunehmendem Maße als Imperfektiv grammatikalisiert und ist damit in die Domäne der älteren Imperfektiv-Strategie -ə (&lt; *-a) eingedrungen. Auf diese Art fügen sich das Isu und seine nächsten Verwandten trotz dieser eigentümlichen Infix-Phänomene sauber in das Gesamtbild westafrikanischer Sprachen ein.</value></element><element name="body"><value> Einführung Die westliche Ring-Sprache Isu setzt ein palatales Infix zum Ausdruck einer Reihe verwandter verbaler Funktionen – Imperfektiv-Aspekt, Pluraktional, Kausativ – ein. So scheidet z.B. dieses palatale Infix bei den durch Unterstreichung hervorgehobenen Verben in den Satzpaaren Es sind keine echten minimalen Paare, denn abgesehen vom Aspektgegensatz unterscheiden sich die Sätze auch in den Parametern Tempus und Fokalität. Tempus und Aspekt sind hier zumindest teilweise voneinander abhängig, denn das Futur-Tempus ist gewöhnlicherweise mit Imperfektiv-Aspekt verknüpft, d.h. Aspekt ist in Bezug auf das Futur-Tempus grammatikalisiert. in (1-3) die imperfektiven Formen in (b) von den perfektiven in (a). ( 1 ) Isu: palatales Imperfektiv-Infix -i-: bɔ̀ʔɔ̀ (PF) vs. biɔ̀ʔɔ̀ (IPF) 'tragen, nehmen', ná (PF) vs. niáa (IPF) 'behalten, verwahren' (a) ɣú mə́ bɔ̀ʔɔ̀ nù ná úkʰí w-íy 3pl P0.FOC tragen verstecken behalten 3:Geld 3-DEFOC 'Sie haben das Geld genommen und versteckt.' (b) ɣú kî biɔ̀ʔɔ̀ nèe niáa ŋwɔ̀ ùkʰí w-íy 3pl F1 tragen:IPF verstecken:IPF behalten:IPF PRÄFOC 3:Geld 3-DEFOC 'Sie werden das Geld nehmen und verstecken.' ( 2 ) Isu: palatales Imperfektiv-Infix -i-: bɛ́mə́ (PF) vs. biɛ́mə́ (IPF) 'zustimmen' (a) mə́ mâŋ mwàmì bɛ́mə́ sɔ̀ʔɔ̀ ŋwɔ̏ 1sg nur probieren zustimmen auch PRÄFOC 'Ich habe mich nur zögerlich einverstanden erklärt.' (b) mə́ kî màŋə̀ mwàmə̀ biɛ́mə́ sɔ̀ʔɔ̀ ŋwɔ̏ 1sg F1 nur:IPF probieren:IPF zustimmen:IPF auch PRÄFOC 'Ich werde mich nur zögerlich einverstanden erklären.' ( 3 ) Isu: palatales Imperfektiv-Infix –i-: màʔà (PF) vs. miàʔà (IPF) 'werfen' (a) mə́ mə́ màʔà ìtáí y-íy 1sg P0.FOC werfen 5:Stein 5-DEFOC 'Ich habe einen / den Stein geworfen.' (b) mə́ ɲîə miàʔà yə̀ ìtáí 1sg nun werfen:IPF CFUG 5:Stein 'Ich werfe einen / den Stein weg.' Das palatale Infix –i- wird direkt nach dem Initialkonsonanten der verbalen Wurzel eingeschoben. Auf diese Weise lassen sich – wie in (4) dargestellt – von verbalen Basen mit perfektiver Grundbedeutung wie bɛ́mə́ 'zustimmen', bɔ̀ʔɔ̀ 'tragen, nehmen', ná 'behalten, verwahren' und màʔà 'werfen' die Imperfektiv-Stämme biɛ́mə́ , biɔ̀ʔɔ̀ , niáa bzw. miàʔà ableiten. ( 4 ) Isu: palatales Imperfektiv-Infix –i- Perfektiv Imperfektiv Bedeutung bɛ́mə́ biɛ́mə́ zustimmen bɔ̀ʔɔ̀ biɔ̀ʔɔ̀ tragen, nehmen ná niáa behalten, verwahren màʔà miàʔà werfen Ein aspektueller Gegensatz zwischen Perfektiv und Anterior alias Perfekt auf der einen Seite und Imperfektiv, Progressiv, Kontinuativ, Habitualis auf der anderen Seite ist im Bantu und im Benue-Kongo durchaus weit verbreitet. Allerdings werden Kategorien dieser Art hier eher durch Suffixe ausgedrückt, wie z.B. durch das Proto-Bantu Anterior-Morphem *-ide , das mit dem neutralen (imperfektiven?) Suffix *–a kontrastiert, sowie das Final-Suffix –a[ŋ]g zum Ausdruck des Habituals / Imperfektivs (Sebasoni 1967), oder durch Periphrase mithilfe von Hilfsverben wie 'da sein, an einem Ort sein' (5-6). Der Rückgriff auf Infixstrategien zum Ausdruck von Aspektkategorien dagegen scheint im Bantoid und Benue-Kongo eher ungewöhnlich und daher erklärungsbedürftig. ( 5 ) Verbalstruktur im Bantu (Meeussen 1967, Nurse 2003: 90, Güldemann 2003:184) Initial – Subjekt – Negativ – T(A) – Objekt – Wurzel – Extensionen – Final – Suffix ( 6 ) Aspekt-Gegensatz im Bantu (Nurse 2003: 96-98) Perfektiv: unmarkiert Perfekt / Anterior: Suffix *- ide Imperfektiv: Suffix: –a Final: –a[ŋ]g Periphrase mit Auxiliar 'da sein, an einem Ort sein' Innerhalb der westlichen Gruppe der Ringsprachen ist das palatale Infix bisher im Isu und im nahverwandten Zoa festgestellt worden. Es tritt dagegen nicht im Weh und dem deutlich besser dokumentierten Aghem auf; und inwieweit es in den übrigen westlichen Ringsprachen Bu, Kumfutu, Kuk, Cha’ verbreitet ist, ist unbekannt. Ziel dieses Beitrags ist es, über eine Distributionsanalyse und genauere Funktionsbestimmung eine Hypothese zum Ursprung dieses Infixes zu liefern und sie durch vergleichende Beobachtungen zu stützen. Das palatale Infix in Kausativ- und Pluraktional-Funktion Die Situation ist sehr viel komplexer als in (1-4) angedeutet, denn zum einen tritt das palatale Infix als nur eine – wenn auch prominente – Markierungsweise des Imperfektivs auf, und zum zweiten übernimmt das palatale Infix neben der Kodierung des Imperfektivs auch noch andere Funktionen, wie z.B. die eines Kausativs Der morphologische Kausativ ist marginal und weitgehend beschränkt auf qualitätsanzeigende Verben und wenige andere. Abgesehen von der Infixstrategie bilden einige Verben den Kausativ nur mit Suffix –i vs. –ə ( kùm 'ankommen', ŋúŋ 'saugen', twáb 'scharf sein; süß sein'), andere vollziehen interne Vokalwechsel ( ŋə̀m 'heiß sein' &gt; ŋù[u]mì 'erhitzen'). Viele Verben dualer Transitivität benötigen keinen Kausativstamm, denn sie vereinigen in sich eine intransitive und eine transitive Lesart, z.B. dzwùʔì 'locker sein, sich lockern; etwas lockern, locker machen'. In der überwiegenden Mehrheit wird zur Bildung eines Kausativs die Strategie der Periphrase mit zɨ́ŋí 'machen' gewählt. (7) und eines Pluraktionals Darüber hinaus zeigen einige Verben mit inhärenter Pluraktionalität einen palatalen Bestandteil direkt nach dem Initialkonsonanten, der mit dem pluraktionalen Infix in Verbindung zu bringen wäre, z.B. kyílí 'reiben'. (8), vgl. Kießling 2004. In beiden Funktionen tritt das palatale Infix allerdings nicht allein auf, sondern nur gemeinsam mit einem Suffixpaar -i (Perfektiv) vs. –ə (Imperfektiv). ( 7 ) Isu: Kausativ-Infix –i- Simplex Kausativ, Perfektiv Kausativ, Imperfektiv Bedeutung bɛ́b biɛ́bí biɛ́bə́ schlecht sein &gt; verderben lə́ŋ liə́ŋí [lyíŋí] liə́ŋə́ schwarz sein &gt; schwärzen fə̀m fiə̀mì [fyìmì] fiə̀mə̀ weiß sein &gt; weißen bàŋ biàŋì biàŋə̀ rot sein &gt; rot machen dàb diàbì diàbə̀ lang sein &gt; verlängern tsɛ́m tsəɛ́mí tsəɛ́mə́ tropfen &gt; abtropfen lassen ( 8 ) Isu: Pluraktional-Infix –i- Simplex Pluraktional, Perfektiv Pluraktional, Imperfektiv Bedeutung fɛ́b fiɛ́bí fiɛ́bə́ Luft ausstoßen &gt; in mehreren Schüben blasen; worfeln kɛ́m kiɛ́mí kiɛ́mə́ in zwei Teile zerbrechen &gt; in mehrere Teile zerbrechen kàb kiàbì kiàbə̀ kratzen &gt; wiederholt kratzen Distribution der Imperfektiv-Allomorphe Neben dem palatalen Infix gibt es mehrere andere Strategien, einen Imperfektivstamm von einer verbalen Basis abzuleiten, z.B. das Suffix –ə ( mwàmə̀ IPF &lt; mwàmì 'probieren' in (2)) und diverse Typen der Vokalalternation ( nèe IPF &lt; nù 'verstecken' in (1)). Tabelle (9) stellt die Verteilung der beiden häufigsten Strategien der Imperfektiv-Bildung in Abhängigkeit von der Silbenstruktur der perfektiven Basis dar. ( 9 ) Verteilung der Imperfektiv-Bildungsstrategien (IPF) in Abhängigkeit von der Verb-Struktur Struktur der perfektiven Basis Imperfektiv per Suffix -ə Infix –i- A CVC + + (PL) B CVCi + + (IPF) C CVCə, CV 1 ʔV 1 +/- [= n.a.] + (IPF) D1 CiVCV, CyiCV + +/- [= n.a.] D2 {tw, dw, sw, zw}VCi + - D3 {ts, dz, bv, pf}VCi + - E CV + + (IPF) F Cai + - G CV 1 V 2 - - Hieran lässt sich erkennen, dass die beiden Bildungsweisen, Infix –i- und Suffix -ə , in einer komplexen Beziehung zueinander stehen, die nur teilweise komplementär ist. Bei Verben des Strukturtyps A (die im Auslaut die Konsonanten p , b , k , m , n , ŋ erlauben) kontrastieren beide Bildungsweisen sogar: es ist eine doppelte Ableitung von Imperfektiv per Suffix -ə und Pluraktional mit palatalem Infix möglich, so dass sich morphologische Quadrupel im Paradigma ergeben wie in (10) aufgelistet. Dentale Plosive im Auslaut der Basis tendieren dazu, im Pluraktional zum Liquid l verschoben zu werden. Dies ist allerdings kein automatischer phonotaktisch bedingter Prozess, sondern scheint vielmehr Ergebnis der Fusion des dentalen Auslauts mit dem Reflex eines vormaligen Erweiterungssuffixes *- lə mit pluraktionaler und / oder attenuativer Funktion zu sein. So liegt diese Lenition z.B. in den pluraktionalen bzw. attenuativen Ableitungen biə̀lì (PF) 'viel zerreißen' (IPF biə̀lə̀ ) bzw. mʌ́lə́ (PF) 'teilweise einsinken' (IPF miə́lə́ ) der Verben bʌ̀d 'reißen, spalten, Fufu aufteilen' bzw. mʌ́d 'tief sein, einsinken, in einer Flüssigkeit untergehen' vor, fehlt aber in den einfachen Imperfektivformen bʌ̀də̀ bzw. mʌ́də́ . Es sieht allerdings so aus, dass die lenierte pluraktionale Form bei einigen Verben Imperfektivfunktion übernimmt und dabei eine vormalige nicht-lenierte Imperfektivform verdrängt. So alternieren z.B. bei zʌ̀d 'wischen, fegen' die beiden Imperfektive zʌ̀də̀ und zʌ̀lə̀ . Bei bwád 'schlagen' dagegen scheint ein ursprünglich nur durch Suffigierung mit Schwa gebildeter Imperfektiv * bwádə́ inzwischen durch bwálə́ ersetzt. Die Hypothese, dass hier ein liquidhaltiges Suffix *- lə mit einem dentalen Wurzelauslaut verschmolzen ist, wird durch Evidenz aus der benachbarten westlichen Ring-Sprache Weh bestärkt, wo als Vorläufer der modernen Imperfektivform buɔ́lə́ des kognaten Verbs buɔ́d 'schlagen' durch Kähler-Meyers Daten von 1935 der ältere Imperfektiv buɔ́d-lə́ belegt ist. Auch das Aghem bewahrt Reste eines vormaligen liquidhaltigen Suffixes - lɔ (Hyman 1979: 83f.), das als eins der lexikalisch konditionierten Allomorphe des Imperfektivs generalisiert wurde. ( 10 ) CVC (Typ A): Imperfektivsuffix -ə Perfektiv Imperfektiv Pluraktional Perfektiv Pluraktional Imperfektiv Bedeutung bə̀m bə̀mə̀ biə̀mì, byìmì biə̀mə̀ verfaulen bʌ́b bə́bə́ biə́bí, byíbí biə́bə́ fragen bɔ́ŋ bɔ́ŋə́ biɔ́ŋí biɔ́ŋə́ vom Boden auflesen dàŋ dàŋə̀ diàŋì diàŋə̀ überqueren fáŋ fáŋə́ fiáŋí fiáŋə́ binden fə́m fə́mə́ fiə́mí, fyímí fiə́mə́, fyímə́ leiden kàb kàbə̀ kiàbì kiàbə̀ kratzen kɛ́m kɛ́mə́ kiɛ́mí kiɛ́mə́ brechen mɔ̀ʔ mɔ̀ʔɔ̀ miɔ̀ʔì miɔ̀ʔɔ̀ imitieren táŋ táŋə́ tiáŋí tiáŋə́ zählen tə́m tə́mə́ tiə́mí, tyímí tiə́mə́, tyə́mə́ weben; graben; schießen tə́ŋ, tɨ́ŋ tə́ŋə́ tiə́ŋí, tyíŋí tiə́ŋə́, tyíŋə́ stoßen Verben des Typs B (11) enden in der perfektiven Grundform auf i und bilden den Imperfektiv durch eine Kombination aus palatalem Infix und Suffix -ə , das die Endung i ersetzt. Bisher ist nicht klar, ob es hier distinkte Pluraktionalformen gibt bzw. ob Imperfektiv und Pluraktional homophon sind. In manchen Fällen vereint die zweite Form beide Funktionen. ( 11 ) CVCi (Typ B): IPF durch Kombination aus Infix –i- und Suffix -ə (ersetzt PF-Finalvokal) Perfektiv Imperfektiv Bedeutung bə̀lì biə̀lə̀ antworten káŋí kiáŋə́ braten kɔ́ŋɔ́ kiɔ́ŋə́, kiɔ́ŋɔ́ sich über ebenen Grund bewegen nə̀ŋì niə̀ŋə̀ sich hinlegen tàŋì tiàŋə̀, tiàŋà nähen tə́mí tiə́mə́, tyímə́ stehen bleiben Verben des Typs C (12) enden in der perfektiven Grundform auf Schwa oder Echovokal und bilden den Imperfektiv durch das palatale Infix. ( 12 ) CVCə , CV 1 ʔV 1 (Typ C): Imperfektiv-Infix -i- Perfektiv Imperfektiv Bedeutung bɛ́mə́ biɛ́mə́ zustimmen bɔ̀ʔɔ̀ biɔ̀ʔɔ̀ eine Last auf Schulter oder Kopf tragen dɔ̀ʔɔ̀ diɔ̀ʔɔ̀ sich setzen, anhalten mʌ́lə́ miə́lə́ sinken, untergehen lə́mə́ liə́mə́ warten màʔà miàʔà werfen Der Echovokal ist reguläres Ergebnis einer transglottalen Totalassimilation eines Schwa, wie anhand der produktiven Ableitung von Imperfektiven in (13) nachgewiesen werden kann. Hier fällt allerdings eine Restriktion auf: der terminale Vokal im Imperfektiv kann neben Schwa nur a oder ɔ sein. Dies ist vermutlich das Ergebnis einer Kette von Assimilationen innerhalb der Wurzel, die vor Glottalverschluss nur a oder ɔ erlauben, vgl. (41-45) . ( 13 ) Imperfektivsuffix -ə : Totalassimilation an den Wurzelvokal durch Glottalverschluss Perfektiv Imperfektiv Bedeutung bàʔ bàʔà hüten bwɔ̀ʔ bwɔ̀ʔɔ̀ bohren bwɔ́ʔ bwɔ́ʔɔ́ klingen fàʔ fàʔà arbeiten fɔ̀ʔ fɔ̀ʔɔ̀ messen; imitieren kɔ̀ʔ kɔ̀ʔɔ̀ sehen tsɔ́ʔ tsɔ́ʔɔ́ lachen tsʊɔ̀ʔ tsʊɔ̀ʔɔ̀ ausspülen Bei den beiden Typen B und C (11 und 12) besteht der Verdacht, dass der vokalische Auslaut der perfektiven Basis bereits ein (mehr oder weniger) fossiles Suffix darstellt. Genau genommen lässt sich bei Typ C in (12) nicht sagen, ob kein Schwa antreten kann oder ob es antritt, aber restlos an das bereits vorhandene Schwa assimiliert wird. Bei Typ D1 (14) ersetzt das imperfektive Suffix -ə einen perfektiven Finalvokal i . Das palatale Infix kann hier nicht angreifen, weil die Ausgangsbasis an der entscheidenden Stelle direkt nach dem Initialkonsonanten bereits ein i oder einen palatalisierten Konsonanten enthält. ( 14 ) CiVCV , CyiCV (D1): Imperfektivsuffix -ə (ersetzt PF-Finalvokal i ), Infix –i- blockiert Perfektiv Imperfektiv Bedeutung biə̀lì biə̀lə̀ viele Dinge zerreißen biɛ́bí, biə́bí biɛ́bə́, biə́bə́ verderben kyílí kyílə́ reiben tiàŋì tiàŋə̀ stolpern liáʔí liáʔá [&lt; *liáʔ-ə] Bei wurzelfinalem Glottalverschluss operiert wiederum die transglottale Totalassimilation und gleicht das imperfektive Suffix - ə ganz an den Wurzelvokal an . zerschmettern Ebenfalls blockiert ist das palatale Infix –i- für den Imperfektiv, wenn der Initialkonsonant wie bei Typ D2 labialisiert (15) oder wenn er wie bei Typ D3 affriziert ist (16). ( 15 ) {tw, dw, sw, zw} VCi (D2): Imperfektivsuffix -ə (ersetzt PF-Finalvokal i ), Infix -i- blockiert Perfektiv Imperfektiv Bedeutung twúmí twúmə́ zurückweisen d(w)ʊ́ʔí dwɔ́ʔɔ́ sich freuen swɔ̀ʔì swɔ̀ʔɔ̀ necken twʊ̀ʔì twɔ̀ʔɔ̀ [twʊ̀ʔə̀, twɔ̀ʔə̀] sorgfältig pflegen z(w)ʊ̀ʔì zwɔ̀ʔɔ̀ pressen, drücken ( 16 ) {ts, dz, bv, pf} VCi (D3): Imperfektivsuffix -ə (ersetzt PF-Finalvokal i ), Infix -i- blockiert Perfektiv Imperfektiv Bedeutung dzɔ́ŋí dzɔ́ŋə́, dzɔ́ŋɔ́ zurückkehren tsəɛ́mí tsəɛ́mə́ fallen lassen bvʊ́ʔí bvɔ́ʔɔ́ rufen dz(w)ʊ̀ʔì dzwɔ̀ʔɔ̀ (sich) lockern Bei einem Vergleich der Ausgangsformen der verbalen Strukturtypen D1, D2, und D3 in (14-16) fällt auf, dass sie alle im Gegensatz zu den Strukturtypen A, B und C in (10-12) durch einen komplexeren Anlaut gekennzeichnet sind, wobei die Komplexität entweder in einer Palatalisierung (14), Labialisierung (15) oder einer Affrizierung (16) besteht. Der Grund, warum gerade sie keine Imperfektivbildung mit dem palatalen Infix erlauben, könnte darin liegen, dass ihr komplexer Anlaut Produkt der Fusion eines simpleren Wurzelanlauts mit einem aktiven oder fossilen (palatalen) Infix der einen oder anderen Funktion ist, wie dies in (17) vorgeführt wird. ( 17 ) Pluraktionales oder kausatives Infix blockiert Imperfektivbildung durch Infix -i- Perfektiv Imperfektiv Bedeutung Basis biɛ́bí biɛ́bə́ verderben Kausativ &lt; bɛ́b 'schlecht werden' tsəɛ́mí tsəɛ́mə́ fallen lassen Kausativ &lt; tsɛ́m 'tropfen, sickern' biə̀lì biə̀lə̀ viele Dinge zerreißen Pluraktional &lt; bʌ̀d 'zerreißen, spalten' bvʊ́ʔí bvɔ́ʔɔ́ rufen Pluraktional &lt; bwɔ́ʔ 'klingen, Schall aussenden' kyílí kyílə́ reiben ?Pluraktional &lt; kʌ́d 'bedecken'? tiàŋì tiàŋə̀ stolpern ?Pluraktional &lt; * tàŋ ? liáʔí liáʔá zerschmettern ?Pluraktional &lt; * láʔ ? Bei biɛ́bí 'verderben' und tsəɛ́mí 'fallen lassen' ist der Ursprung des komplexen Anlauts transparent, denn beides sind produktive Kausative, jeweils von bɛ́b 'schlecht werden' bzw. tsɛ́m 'tropfen' abgeleitet. Die Stämme biə̀lì 'viele Dinge zerreißen' und bvʊ́ʔí 'rufen' sind als produktive Pluraktionalia von bʌ̀d 'zerreißen, spalten' bzw. bwɔ́ʔ 'klingen, Schall aussenden' transparent. Eine inhärente pluraktionale Bedeutung von Verben wie liáʔí 'zerschmettern' deutet darauf hin, dass es sich auch hier um einen fossilen Pluraktionalis handelt, der das palatale Infix konserviert; intern ließe sich hier eine Basis *láʔ rekonstruieren. In ähnlicher Weise könnte auch kyílí 'reiben' als Pluraktional der durchaus existenten Wurzel kʌ́d 'bedecken' gedeutet werden. Bei den labialisierten Anlauten tw, dw, sw, zw und den affrizierten Anlauten ts, dz, bv, pf lässt sich aufgrund der Nicht-Anwendbarkeit des Imperfektiv-Infixes -i- vermuten, dass sowohl Labialisierung als auch Affrizierung phonologische Weiterentwicklungen des Infixes sind. Allerdings besteht nur im Falle der Affrikate bv insofern ein direkter Zusammenhang, da bv sich im Paradigma wie die palatalisierte Variante von b verhält – wie in (17) aus der Tatsache deutlich wird, dass bvʊ́ʔí 'rufen' die pluraktionale Ableitung von bwɔ́ʔ 'klingen, Schall aussenden' ist, wie bei (36) weiter diskutiert wird. Hiermit verbunden ist eine Art Ablaut-Erscheinung, die den aspektbedingten Wechsel der Vokale ʊ (Perfektiv) vs. ɔ (Imperfektiv) betrifft, vgl. (41-45) unten. Das palatale Infix – sowohl in Kausativ- als auch in Imperfektiv-Funktion – tendiert zum Schwund, je mehr sich im Lautumfeld akute Schallqualitäten konzentrieren, d.h. wenn der jeweils vorangehende Konsonant dental / koronal ( t, d, s, z, n ) ist und der jeweils nachfolgende Vokal im gehobenen vorderen oder mittleren Bereich ( ɛ, i, ə, ɨ ) artikuliert wird, vgl. (18). Das palatale Infix scheint hier zunächst zu Schwa abgesenkt und zentralisiert zu werden, wie belegt im Kausativ tsəɛ́mí 'fallen lassen' (&lt; *tsiɛ́mí ) und im Imperfektiv zəɛ̀mə̀ 'aufwachen' (&lt; ziɛ̀mə̀ ). Es kann sich dann entweder ganz an der Vokal assimilieren, wie im Imperfektiv nɛ́ɛmə́ 'aufwachsen, gedeihen' (&lt; niɛ́mə́ ), oder aber als Längung in der Friktionsphase eines vorangegenden Frikativs bzw. einer vorangehenden Affrikate aufgehen, wie in den Varianten tssɛ́mí 'fallen lassen' bzw. zzɛ̀mə̀ 'aufwachen' (IPF). Die Vorläufer-Formen ziɛ̀mə̀ und niɛ́mə́ existieren als seltenere archaische Varianten. ( 18 ) Reduktion des palatalen Infixes in Umgebung akuter Lautqualität (Sibilanten, Koronale, Dentale, vordere Vokale) (a) tsɛ́m 'tropfen, sickern' KAUS: *tsiɛ́mí 'fallen lassen' &gt; tsəɛ́mí (Absenkung &amp; Zentralisierung) &gt; tssɛ́mí (kompensatorische Sibilanten-Dehnung) (b) nɛ́mə́ PF 'aufwachsen, gedeihen' IPF: niɛ́mə́ &gt; nəɛ́mə́ (Absenkung &amp; Zentralisierung) &gt; nɛ́ɛmə́ (Totalassimilation: kompensatorische Vokaldehnung) (c) zɛ̀m 'aufwecken' : zɛ̀mə̀ 'aufwachen' IPF: ziɛ̀mə̀ &gt; zəɛ̀mə̀ (Absenkung &amp; Zentralisierung) &gt; zzɛ̀mə̀ (kompensatorische Sibilanten-Dehnung) Bei einsilbigen Verben der Struktur CV ( V ) gibt es zahlreiche Muster, den Imperfektiv abzuleiten (19). ( 19 ) Imperfektiv-Bildungsstrategien bei einsilbigen Verben in Abhängigkeit vom Wurzelvokal Typ Perfektiv Imperfektiv E1 Ca Cɛ Cə Ciaa, Cəaa Ciɛɛ Ciəə E2 CV (V = a, ɛ, e, i, ə, ɨ, ɔ) CVV E3 Cʊ C[w]ʊɔ E4 Cu Cwee F1 Cai Caa F2 Cai Cii F3 Cau Cuu G Ci, Ciy, Ciə Ciaʔa H CVw, CVy, CVV, CwV = PF Die meisten dieser Muster (E1-4) können dabei u.a. als Produkte einer Fusion mit einem total oder teilweise assimilierten Suffix -ə erklärt werden. Allerdings ergibt sich auch hier keine saubere komplementäre Distribution entlang phonologischer Kriterien. So zeigt sich z.B., dass ein großer Teil der verbalen Basen mit den Wurzelvokalen a , ɛ oder ə den Imperfektiv durch einfache Vokallängung (E2) bildet (21), die als assimiliertes Suffix -ə gedeutet wird, während ein ähnlich großer Anteil derselben Gruppe (E1) den Imperfektiv zusätzlich mithilfe des palatalen Infixes ableitet (20). Dieses palatale Infix wird nach Sibilanten zu Schwa reduziert. ( 20 ) Ca, Cɛ, Cə (E1): Imperfektiv durch Infix -i- mit Vokaldehnung Perfektiv Imperfektiv Bedeutung dà diàa Feuer entzünden fá fiáa koten bɛ̀ biɛ̀ɛ in einer Falle fangen fɛ̀ fiɛ̀ɛ, fyìə schließen, verkaufen ká kiáa schaben má miáa landen ná niáa behalten kè kiɛ̀ɛ aufhängen tà tiàa springen ɲə̀ ɲiə̀ geben sá səáa reißen, spalten, sägen zá zəáa, ziáa an der Sonne zum Trocknen ausbreiten ( 21 ) CV (V = a, ɛ, e, i, ə, ɨ, ɔ) (E2): Imperfektiv durch Vokaldehnung Perfektiv Imperfektiv Bedeutung bà bàa hassen bwà bwàa dreschen dɛ̀ dɛ̀ɛ zeigen kwɛ̀ kwɛ̀ɛ kochen lwé lwée sich füllen dì dìi weinen kwí kwíi fangen bvɔ̀ bvɔ̀ɔ [bvwɔ̀] fallen pfɔ́ pfɔ́ɔ sterben zə́, zɨ́ zə́ə fliegen; verrückt werden Bei monosyllabischen Verben mit Wurzelvokal ʊ wird das Imperfektivsuffix –ə an die hintere Artikulationsstelle des ʊ unter Beibehaltung der mittleren Hebungsstufe zu ɔ teilassimiliert, wobei der ursprüngliche Wurzelvokal in eine Labialisierung des initialen Wurzelkonsonanten übergehen kann. ( 22 ) Cʊ (E3): Imperfektivsuffix –ɔ (&lt; *-ə) Perfektiv Imperfektiv Bedeutung fʊ́ fwʊ́ɔ, fwɔ́ɔ brennen, Feuer fangen mʊ́ mwʊ́ɔ trinken; Frucht tragen dzʊ̀, dzwɔ̀ Die zweite Alternative dzwɔ̀ wäre als rezente Rückbildung ausgehend vom Imperfektiv zu deuten. Die erste Perfektivform ist sicher archaischer. Eventuell hängt hiermit auch ídzʊ́ɔ 'Mund' zusammen. dzʊ̀ɔ, dzwɔ̀ɔ offen sein ts[w]ʊ̀ tswʊ̀ɔ erklären, beraten z[w]ʊ̀ zwʊ̀ɔ sprießen Ist der Wurzelvokal bei einsilbigen Verben dagegen u , dann wird der Imperfektiv durch einen langen mittleren Vokal -ee gebildet, wobei die labiale Qualität des Wurzelvokals als Labialisierung bei labialen oder velaren Konsonanten erhalten bleibt, nicht jedoch bei dentalen Konsonanten. Hier kann vermutet werden, dass der lange mittelere Vokal ee Ergebnis einer Weiterentwicklung des Imperfektivsuffxes –ə in Umgebung von u ist. ( 23 ) Cu (E4): Imperfektivsuffix –ee nach Wurzelvokal u (–ə &gt; -ee / u _) Perfektiv Imperfektiv Bedeutung bù bèe kommen gbù gbèe abschneiden kwú kwée genug haben kʰwù kʰwèe zusammenbinden mù mwèe anschwellen nù nèe, nɛ̀ɛ, nɛ̀i verstecken sú sée schlachten tú tée weglaufen, entkommen zú zɛ́ɛ pflanzen, säen zù zɛ̀ɛ gehen zʊ́ zʊɛ́ɛ sauber sein, glänzen Endet die perfektive Form einsilbiger Verben auf den Diphthong ai , so gibt es zwei Möglichkeiten: entweder der palatale Bestandteil wird durch den Vokal a ersetzt, wodurch ein langer Vokal aa entsteht (24). Dieses a könnte ebenfalls als Assimilationsprodukt eines vormaligen Imperfektivsuffixes –ə aufgefasst werden – wobei überdies der Verdacht besteht, dass der palatale Bestandteil des Diphthongs deshalb ersetzt werden kann und muss, weil er selbst ein Suffix –i mit perfektiver Funktion ist, das bereits in den Nischen der kausativisch und pluraktionalisch erweiterten Verben beobachtet wurde (7, 8, 10). Oder aber – und dies ist die zweite Möglichkeit – der Diphthong wird im Imperfektiv durch ein langes ii ersetzt (25): hier kann allerdings die Endung i der Perfektivform eben kein perfektives Suffix repräsentieren, sondern muss vielmehr einen anderen, z.B. genuin lexikalischen Ursprung besitzen. In einigen Fällen, die allerdings über beide Gruppen verteilt sind, erweist sich das i aufgrund externer Parallelen als Vokalisierung von terminalem *n , und zwar bei bvái 'flechten' (&lt; Proto-Ring *bván ), ŋwài 'kämpfen' (&lt; Proto-Ring *nɔ̀n ~ nʊ̀n ), səái 'in Stücke reißen; diskutieren [PLUR]' (&lt; Proto-Ring *sán ), liái 'ansehen, beobachten' (&lt; Proto-Ring * lán ), kwái 'treffen' (&lt; Proto-Ring * kpén ), dzài 'sagen' (&lt; Proto-Ring * dzàn ), sài 'auswählen' (&lt; Proto-Bantu * càd ). Der Unterschied zwischen beiden Mustern liegt vermutlich eher darin begründet, dass die Formen in (24) einen Vorläufer *CVn besitzen, während die meisten Vorläuferformen in (25) auf eine Struktur *Ci(V)n oder *Cwin zurückgehen, die auf eine ältere Infigierung hinweist. Darauf deuten insbesondere die Junkturformen der Aghem-Kognata: fiàn 'verfaulen' (Isu fwài ), miàn 'beenden' (Isu mài ), ʃiàn 'auswählen' (Isu sài ), ʃwìn 'schießen; mit voller Kraft werfen' (Isu sʊài ). In den jeweiligen Finalformen des Aghem fällt der auslautende Nasal regelmäßig fort. Die im Isu auftretenden Perfektive der Form Ciai in (24) mögen dabei eine spätere Generation von Bildungen mit palatalem Infix repräsentieren. ( 24 ) Imperfektivsuffix –a ersetzt terminales i der Perfektivform (–ə &gt; -a / a _) Perfektiv Imperfektiv Bedeutung bvái bváa flechten biái biáa anordnen; verabreden bvʊài bvʊàa sich gründlich waschen kwái kwáa treffen kiái kiáa kochen liái liáa, ʎáa ansehen, beobachten miái miáa Zweifel durch Geste andeuten niài niàa ausstrecken ŋwài ŋwàa kämpfen səái səáa in Stücke reißen; diskutieren [PLUR] swái swáa jäten tsəài tsəàa in entgegengesetzte Richtungen stellen / setzen zʊài zʊàa ausruhen ( 25 ) Diphthong ai des Perfektivs wird im Imperfektiv durch ii ersetzt Perfektiv Imperfektiv Bedeutung dzài dzìi sagen fài fìi helfen kài kʰìi abkühlen fwài fwìi verfaulen mài mìi beenden nài nìi verlieren, verloren gehen sái síi schärfen sài sìi auswählen sʊài sʊìi schießen, mit voller Kraft werfen zʊài zʊìi atmen zʊì,zʊàʔì zʊàʔà [zʊìi] sich streiten Endet die Perfektiv-Form einsilbiger Verben auf den Diphthong au , so wird er im Imperfektiv durch ein langes uu ersetzt (26), wobei der graslandinterne Vergleich zeigt, dass der Vokal u Reflex eines vormaligen labialen Plosivs *b ist. ( 26 ) Diphthong au des Perfektivs wird im Imperfektiv durch uu ersetzt Perfektiv Imperfektiv Proto-Grasland Bedeutung dzàu dzùu [*gàb] aufteilen, verteilen káu kʰúu ? suchen, finden sàu sùu *sòb durchbohren táu túu *táb stark sein; glänzen Wurzeln, die im Perfektiv auf die Vokale i, iy, iə auslauten, bilden den Imperfektiv mit etwas, das wie ein komplexes Suffix -aʔa Hier besteht jedoch der Verdacht, dass mit dem Glottalverschluss im Imperfektiv ein terminaler Wurzelkonsonant erhalten geblieben ist, der im Perfektiv dagegen abgestoßen wurde. Andererseits geht innerhalb der Graslandsprachen ein nicht-initialer Glottalverschluss oft auf einen vormaligen velaren Plosiv * k zurück, so dass hier vermutet werden kann, dass dieses Imperfektivsuffix Reflex eines mit dem Bantu-Präfinal *- ag (Sebasoni 1967, Nurse 2003) kognaten Suffixes *- ak ist. aussieht (27). ( 27 ) Imperfektiv durch Suffix –aʔa Einige dieser Formen in (27) und (20) ermöglichen auch die Ableitung eines Pluraktionals durch zusätzliche Suffigierung von - i ab, z.B. kiài 'in Scheiben abschneiden' (&lt; kʰɨ̀y, kyì ), fiái 'koten, ausscheiden' (&lt; fá ). Perfektiv Imperfektiv Bedeutung biə́ biáʔá verbrennen dì diàʔà ausbreiten und festhaken fí fiáʔá leiden kʰɨ̀y, kyì kiàʔà, kiàa Scheibe abschneiden mì miàʔà mit Lehm verputzen piə̀ piàʔà anzünden síy səáʔá hochspringen tiə́ tiə́ə [tiáʔá] treten tíy tiáʔá peitschen zʊìy, zʊàʔì zʊàʔà, zʊìi sich streiten Viele einsilbige Verben der Struktur CVV , CVw , Cvy oder CwV (nicht aber der Struktur CV ) differenzieren Perfektiv- und Imperfektivstamm formal gar nicht (28). ( 28 ) Kein Unterschied zwischen Perfektiv und Imperfektiv Perfektiv = Imperfektiv Bedeutung bwí ermüden, weich werden, schwach werden lwìy segnen nìy nehmen, bekommen, erben ŋwìy bitter werden; wild werden fiɛ̀ schnitzen fuɔ̀ anfeuchten, durchfeuchten guɔ̀ mahlen kʰuɔ̀ schnarchen, rumpeln muɔ̀ leben, bleiben ŋwɔ̀ aufstehen, fortgehen, sich aufmachen sʊɔ̀ spielen gúw lügen gbúw bellen tsùw eintauchen, eintunken tsúw picken zúw hören, zuhören, gehorchen zùw schälen, abpellen twàa schreiben zái gähnen Weiterhin gibt es eine Restgruppe von Verben (29), die bei der Imperfektivbildung gehäuft Unregelmäßigkeiten zeigen und vermutlich einer sehr individuellen Erklärung bedürfen, die aber erst geleistet werden kann, wenn die Grundlagen des Systems insgesamt besser verstanden sind und mehr abgesicherte komparative Daten aus benachbarten Ringsprachen zur Verfügung stehen. ( 29 ) Unregelmäßige Bildungsweisen des Imperfektives (kombinierte Konsonanten- und Vokalwechsel) Perfektiv Imperfektiv Bedeutung vʌ̀lə̀ vʊɔ̀lə̀, vɔ̀rɔ̀ hacken, Feldbau treiben fʊ́kə́ fʊə́kə́ anfangen fə̀lì fʊ̀rə̀, fʌ̀lə̀ gießen, schütten niə̀ niə̀a, nèea regnen fʊ́ fʌ́lə́, fwʊ́ɔ kauen, etwas Zähes essen tʊ́w tʊ́wkə́, twʊ́kə́ holen, eine Flüssigkeit in einem Behälter auf dem Kopf tragen fwíy fwʊ́kə́, fwíyí öffnen, aufdecken níy niə́kə́ füttern twɔ́ŋɔ́ tyɔ́ŋə́, tyɔ́ŋɔ́ rufen Die Vielfalt imperfektiver Formen erweckt den Eindruck eines funktionalen Synkretismus ursprünglich unterschiedener morphologischer Bildungsweisen. Generell fließen in der Imperfektiv-Funktion mindestens zwei unterschiedliche Bildungsweisen zusammen: die Infigierung von –i- und die Suffigierung von Schwa, das eine Vielzahl von Allomorphen besitzt, die weitgehend durch Teil- oder Totalassimilation durch den Wurzelvokal erklärt werden können. Allerdings ist nicht nur die Imperfektivkategorie von Synkretismus betroffen: auch in den Perfektivformen haben Neutralisierungen vormaliger Gegensätze stattgefunden. Dies zeigt sich deutlich in Fällen, wo ein lexikalischer Gegensatz bei Homophonie der Perfektivstämme durch eine formale Opposition der jeweiligen Imperfektive aufrechterhalten wird. So besitzt z.B. die Perfektivform zʊài in (30) zwei distinkte Bedeutungen, 'atmen' und 'sich ausruhen', die im Imperfektiv durch divergente Bildungsweisen, zʊı̀i 'atmen' vs. zʊà [a] 'sich ausruhen', formal disambiguiert werden. Es besteht der Verdacht, dass hier allein der Imperfektiv den vormaligen Kontrast eines Simplexes mit der Bedeutung 'atmen' und eines davon abgeleiteten Pluraktionals mit der Bedeutung 'sich ausruhen, sich verpusten' bewahrt. ( 30 ) Konvergenz von Perfektivformen, Disambiguierung im Imperfektiv Homophone Perfektivstämme Imperfektiv 1 Imperfektiv 2 zʊài 'atmen'; 'sich ausruhen' zʊı̀i 'atmen' zʊà[a] 'sich ausruhen' biə́ 'verbrennen'; 'bauen' biáʔá 'verbrennen' biə́[ə] 'bauen' Diachrone Deutung Das palatale Infix des Isu scheint Abbauprodukt eines vormaligen reduplikativen Präfixes *C 1 i- mit ursprünglicher Progressivfunktion zu sein, d.h. eines Präfixes, das den initialen Wurzelkonsonanten verdoppelt und einen hohen Vokal einschiebt: eine Bildungweise, die als Hochvokal-Reduplikation aus vielen westafrikanischen Sprachen der Niger-Kongo-Familie in diversen Funktionen (Faraclas &amp; Williamson 1984: 2) bekannt ist und u.a. auch im weiteren Grasland, z.B. im Ghomala’ (Nissim 1975: 158f., Nissim 1981: 262-3, 294) und Fe’fe’ (Hyman 1972: 95-126), und im Nordwest-Bantu, z.B. Ewondo (Redden 1979: 17f., Essono 2000: 282), vorkommt. Wie sieht der Mechanismus aus, nach dem aus solcher Initialreduplikation mit Hochvokal *C 1 i- ein palatales Infix –i- entsteht? Wie in (31) dargestellt, stünde am Anfang ein perfektiver Verbalstamm wie z.B. bɔ̀ʔɔ̀ 'tragen', von dem ein Imperfektiv durch ein Präfix abgeleitet wird, das aus der Reduplikation des Anfangskonsonanten b und dem hohen vorderen Vokal i besteht: Ausgangspunkt wäre also eine intern rekonstruierbare Form *b 1 i -b 2 ɔ̀ʔɔ̀ . Im nächsten Schritt (31b) findet eine haplologisch motivierte Reduktion statt. Diese Haplologie tilgt den wurzelinitialen Konsonanten, d.h. das Original, das der Reduplikation Pate gestanden hat. Infolge dieser Tilgung wird in (31c) der verbleibende reduplizierte Konsonant im Präfix als Wurzelbestandteil umgedeutet, wodurch der hohe Vokal i des Präfixes in die Wurzel hineinrutscht. Die Entstehung des palatalen Infixes ist also die Folge einer haplologisch motivierten Reduktion einer reduplizierten Verbform mit nachfolgender paradigmatisch bedingter Reanalyse morphologischer Grenzen. ( 31 ) Isu: Infixgenese durch haplologisch motivierte Reduktion einer reduplizierten Verbform Perfektivstamm: bɔ̀ʔɔ̀ 'tragen' Schema Beispiel (a) Imperfektiv-Ableitung durch *C 1 i- * C 1 i -C 1 VC 2 V * b 1 i -b 2 ɔ̀ʔɔ̀ (b) haplologisch motivierte Tilgung von C 1 der Wurzel *C 1 i-∅VC 2 V *b 1 i-∅ɔ̀ʔɔ̀ (c) paradigmatisch bedingte Reanalyse des reduplizierten Initials als Wurzelbestandteil: Hochvokal wird Infix C 1 - i -VC 2 V b 1 - i -ɔ̀ʔɔ̀ Ließe sich nun zeigen, dass reduplizierte und reduzierte Imperfektivformen, also die Stadien (31a) und (31c), bei einigen Verben des Isu in freier Variation koexistieren, dann wäre dies sicherlich ein trefflicher Beweis für die historische Realität des Prozesses. Dies konnte bisher nicht festgestellt werden. Stattdessen lässt sich die Hypothese durch zwei allgemeine und zwei spezielle Beobachtungen stützen: (a) der angenommene Prozess der Infixgenese ist nicht einzigartig (universale Plausibilität des Reduktionsprozesses, typologische Plausibilität); (b) die angenommene Vorläuferform, d.h. die Reduplikation mit Hochvokal, ist in der Region kein exotisches Verfahren, sondern als 'high-vowel reduplication' wohl bekannt, und ihre Funktionen sind semantisch plausibel mit den Funktionen des palatalen Infixes im Isu in Verbindung zu bringen (sprachgeographische Plausibilität); (c) Kognata dieser angenommenen reduplizierten Vorläuferformen lassen sich in ähnlicher Funktion in anderen Ringsprachen nachweisen; (d) die Annahme des hohen Vokals im reduplizierten Präfix kann nebenbei andere morphophonologische Merkwürdigkeiten erklären. Typologische Plausibilität des Mechanismus Typologisch gesehen ist diese Art der Infixgenese durchaus kein Unikum in Afrika, sondern z.B. im Kuschitischen zu beobachten, wenn auch in spiegelbildlicher Form. So ist es in der südkuschitischen Sprache Alagwa (Tanzania) z.B. kein Präfix, sondern ein reduplikatives Suffix -aC z , von dem im Zuge einer haplologisch motivierten Reduktion Teile in die Wurzel eindringen (Kießling 2003: 114ff.) und hier infolge einer paradigmatisch bedingten Reanalyse der Morphemgrenzen ein Infix –aa - erzeugen. ( 32 ) Alagwa: Genese des Infixes –aa- durch die haplologisch motivierte Reduktion einer mit dem reduplikativen Suffix -aCz gebildeten progressivischen Verbform Simplicia: ʔar 'sehen', kwaħ 'werfen' Schema ʔar 'sehen' kwaħ 'werfen' (a) Progressiv-Ableitung durch Suffix – aCz (mit Durativsuffix – im ) * C 1 i -C 1 VC 2 V ʔar 1 -ar 2 -im kwaħ 1 -aħ 2 -am (b) haplologisch motivierte Tilgung von C 1 der Wurzel *C 1 i-∅VC 2 V ʔaØ-ar 2 -im kwaØ-aħ 2 -am (c) paradigmatisch bedingte Reanalyse des reduplizierten C 2 als Wurzelbestandteil: Vokalbestandteil wird Infix C 1 i VC 2 V ʔ-aa-rim kw-aa-ħam Im Prinzip liegen beide Fälle parallel, sowohl im Hinblick auf die reduplikative Ausgangsform als auch im Hinblick auf Weg und Motivation der Reduktion. Der einzige Unterschied besteht darin, dass der Ursprung des Alagwa-Infixes in Übereinstimmung mit dem überwiegend suffigierenden Charakter dieser südkuschitischen Sprache in einem Suffix (‑ aC z ) liegt und nicht, wie beim Isu, in einem Präfix ( C 1 i- ). Isu-externe und -interne Evidenz für eine Hochvokal-Reduplikation C 1 ɨ- Im Speziellen kann diese Hypothese der Infixgenese aus einer vormaligen Hochvokal-Reduplikation durch zwei weitere Beobachtungen gestützt werden: zum einen ist eine solche initiale Reduplikation mit (zentralem) Hochvokal in nahverwandter Funktion in mindestens einer anderen Ring-Sprache, nämlich im Babungo aus der südlichen Ring-Gruppe, belegt; zum andern gibt es sogar Isu-interne Evidenz für eine solche Reduplikation in einer etwas anderen Funktion. Das reduplikative Präfix der Form C 1 ɨ - erfüllt im Babungo zwei Funktionen (Schaub 1985: 217f., 353ff.): von dynamischen Verben leitet es einen Progressiv ab (33), und bei qualitativ-stativischen Verben erzielt es eine Intensiv-Bedeutung (Schaub 1985: 218, 255), vgl. (34). ( 33 ) Babungo: Präfix C 1 ɨ - für den Progressiv(-Imperfektiv) (Schaub 1985: 353ff.) (a) H-Verben: bwéy 'schlafen', sáŋ 'schlagen', kúunə́ 'heimkehren', nyɔ́ŋsə́ 'säugen' Simplex-Perfektiv Progressiv(-Imperfektiv) ŋwə́ bwéy 'er schlief' ŋwə́ bɨ́-bwéy 'er schläft gerade' ŋwə́ sáŋ wée 'er schlug das Kind' ŋwə́ sɨ́-sáŋ wée 'er schlägt gerade das Kind' ŋwə́ kúunə́ 'er kehrte heim' ŋwə́ kɨ́-kúunə́ 'er ist dabei, heimzukehren' ŋwə́ nyɔ́ŋsə́ wée 'sie gab dem Kind die Brust' ŋwə́ nyɨ́-nyɔ́ŋsə́ wée 'sie ist dabei, dem Kind die Brust zu geben' (b) L-Verben: bwèy 'leben', fèe 'sich fürchten', nə̀ʔnə̀ 'sich schütteln', fèsə̀ 'erschrecken' Simplex-Perfektiv Progressiv(-Imperfektiv) ŋwə́ bwêy 'er lebte' ŋwə́ bɨ́-bwéȳ 'er ist am Leben, er ist lebendig' ŋwə́ fée bɔ́ɔ 'er fürchtete den Leoparden' ŋwə́ fɨ́-fée bɔ́ɔ 'er fürchtet den Leoparden' ŋwə́ nə́ʔnə̀ 'er schüttelte (sich)' ŋwə́ nɨ́-nə́ʔnə́ 'er ist dabei, sich zu schütteln' ŋwə́ fésə̀ wèe 'er erschreckte das Kind' ŋwə́ fɨ́-fésə́ wée 'er ist dabei, das Kind zu erschrecken' ( 34 ) Babungo: Präfix C 1 ɨ - für den Intensiv (Schaub 1985: 218) bày 'rot werden' ŋwə́ bɨ́-báȳ 'er wird knallrot' Diese zweite Funktion des Intensivs verbindet die Babungo-Reduplikation mit einem Reduplikationstyp derselben Form, der auch marginal im Isu von einer Gruppe qualitätsbezeichnender Verben und Adjektive einen Intensiv ableitet. ( 35 ) Ableitung des Intensivstamms durch reduplikatives Präfix C 1 ɨ - Verbalwurzel Intensiv-Verbaladjektiv Beispiel nè 'groß' nɨ̀-nè kâʔ fə̀ nɨ̂nê fɩ̏y 'ein sehr großer Baum' ŋkàʔ mə̀ nɨ̂nê mɩ̏y 'sehr große Bäume' dʌ̀d , dʌ̀də̀ 'schwer' dɨ̂dʌ́də̀ ítái ì dɨ̂dʌ́də́ yíy 'ein sehr schwerer Stein' átái à dɨ̂dʌ́də́ yíy 'sehr schwere Steine' buí 'weich' bɨ̂buí kâʔ fə̀ bɨ̂buí fíy 'sehr weiches Holz' ŋkàʔ mə̀ bɨ̂buɩ̂ mɩ̏y 'sehr weiche Hölzer' dzʊ̀n , dzʊ̀nə̀ 'alt' dzɨ̂dzʊ́nə̀ ndzʊ̀ ì dzɨ̂dzʊ́nə̀ yɩ̏y 'ein sehr altes Kleidungsstück' ndzʊ́ tə̀ dzɨ̂dzʊ́nə́ tíy 'sehr alte Kleidungsstücke' bàŋ , bàŋə̀ 'rot' bɨ̂báŋə̀ ndzʊ̀ ì bɨ̂báŋə̀ yɩ̏y 'ein knallrotes Kleidungsstück' ndzʊ́ tə̀ bɨ̂báŋə́ tíy 'knallrote Kleidungsstücke' miə́lí, miə́lə́ 'tief' mɨ̂miə́lə́ Diese Intensivform basiert auf einem mit Infix – i - gebildeten Pluraktional, der vom Simplex mʌ́d 'tief sein; einsinken' abgeleitet ist. tsɨ́m kə̀ mɨ̂miə́lə́ kíy 'ein sehr tiefer Teich' útsɨ́m ù mɨ̂miə́lə́ wíy 'sehr tiefe Teiche' bɛ́b, bɛ́bə́ 'schlecht' bɨ̂bɛ́bə́ kâʔ fə̀ bɨ̂bɛ́bə́ fíy 'ein schlechtes Holz' ŋkàʔ mə̀ bɨ̂bɛ́bə̀ mɩ̏y 'schlechte Hölzer' Diese reduplikativen Intensivformen des Isu stehen morphosyntaktisch zwischen Nomen und Verb und könnten daher als Verbaladjektive oder Partizipien bezeichnet werden. Sie basieren formal auf imperfektiven Verbformen und teilen mit Verben die tonale Morphologie. Andererseits fehlen ihnen aber entscheidende Charakteristika des Verbs: so können sie nicht nach Aspekt flektiert werden und treten nicht als Matrixverb eines Satzes auf, sondern nur in obiger attributiver Konstruktion, die Merkmale eines Relativsatzes aufweist. Wenn nun der Progressiv des Babungo mit dem Imperfektiv des Isu kognat ist, stellt sich die Frage nach dem Imperfektiv im Babungo. Der Progressiv des Babungo basiert tonal auf dem Imperfektiv: 'progressive aspect is marked by a prefix, consisting of a repetition of the initial consonant of the verb root [...] plus a central vowel. The tones found in the progressive aspect indicate that it is an elided form of a reduplication of the verb in its imperfective aspect.' (Schaub 1985:217). Eine Reanalyse von Schaubs (1985:337ff.) Beschreibung des Aspektgegensatzes im Babungo zeigt, dass der Perfektivaspekt durch einen schwebenden *H als Präfix zum Verb markiert wird, während der Imperfektivaspekt durch Präfigierung einer Abfolge von schwebendem *LH markiert. Im Isu gibt es einen schwebenden *L als Präfix zur Markierung des Imperfektivs in nicht-initialen serialisierten Verben. Wenn dieser als kognat zum Babungo *LH -Imperfektiv gedeutet wird, scheint folgende Interpretation wahrscheinlich: das Babungo repräsentiert einen archaischeren Zustand des Verbalaspekts als Isu. Die tonale Markierung des Imperfektivs wurde im Isu auf nicht-initiale serialisierte Verben zurückgedrängt, während gleichzeitig die vormalige Progressiv-Strategie *C 1 i- , die im Babungo als solche erhalten ist, als Imperfektiv-Markierung grammatikalisiert wurde. Der Prozess der semantischen Extension spiegelt sich formell in einem Prozess der Erosion entlang den Linien des Eindringens eines hohen Vokals als Infix in die Wurzel. Die Doppelfunktion der Babungo-Reduplikation als Progressiv (dynamische Verben) und Intensiv (stativisch-qualitative Verben) liefert das Scharnier, das das palatale Infix und die Reduplikation des Isu miteinander verbindet. Anlaut(per)mutation Dasselbe historische Szenario der haplologisch motivierten Reduktion einer hochvokalhaltigen Reduplikation hilft auch, eine andere Merkwürdigkeit der verbalen Morphophonologie zu erklären: die Alternation von b vs. bv bei einigen Verben in (36). ( 36 ) Paradigmatische Alternation von b vs. bv Perfektiv Imperfektiv Pluraktionaler Perfektiv Pluraktionaler Imperfektiv bʊ́ní 'schlafen' bv ʊ́nə́ - - bwɔ́ʔ 'klingen, Schall entsenden' bwɔ́ʔɔ́ bv ʊ́ʔí bv ɔ́ʔɔ́ bwɔ̀ʔ 'bohren' bwɔ̀ʔɔ̀ bv ʊ̀ʔì, bvɔ̀ʔì bv ɔ̀ʔɔ̀ bwàlì 'zwischen Stöcker zwängen, um Platz zu schaffen' bv ʊàlə̀ - - bwá 'beugen, drehen; ruhig werden' bv ʊáa - - Hier wäre *bv als Resultat einer (bantutypischen) regressiven Spirantisierung vor Hochvokalen zu analysieren. Man bräuchte somit den hohen Vokal des hypothetischen reduplikativen Präfixes als Auslöser dieser Spirantisierung, die dann – integriert ins Gesamtbild der morphophonologischen Entwicklung – so abliefe wie in (37). ( 37 ) Verzahnung von Hochvokal-Reduplikation und Spirantisierung Perfektivstamm: bʊ́n-í 'schlafen' (a) Imperfektiv-Ableitung durch *C 1 i- -ə * b 1 i -b 2 ʊ́n-ə́ (b) haplologisch motivierte Tilgung von C 1 der Wurzel *b 1 i-∅ʊ́n-ə́ (c) Spirantisierung (unter Einfluss des Hochvokals) *b 1 v i-ʊ́n-ə́ (d) Monophthongisierung (Tilgung des Hochvokals) *b 1 v∅-ʊ́n-ə́ (e) paradigmatisch bedingte Reanalyse des reduplizierten Initials als Wurzelbestandteil *b 1 vʊ́n-ə́ Die anderen Fälle in (36) sind formal ähnlich gelagert, Ableitung siehe (38). Es kommen nur zwei Komplikationen hinzu: zum einen signalisieren die Affrikaten im Anlaut den Pluraktionalstamm, nicht den Imperfektiv; zum zweiten kommt eine Änderung der Vokalqualitäten dazu, die Resultat von transglottalen Assimilationen ist, vgl. (41-47). ( 38 ) Verzahnung von Hochvokal-Reduplikation und Spirantisierung Perfektivstämme bwɔ̀ʔ 'bohren' (* bʊ̀ʔ ) bwɔ́ʔ 'klingen, Schall entsenden' (* bʊ́ʔ ) (a) Pluraktional-Perfektiv-Ableitung durch *C 1 i- -i * b 1 i -b 2 ʊ̀ʔ-ì * b 1 i -b 2 ʊ́ʔ-í (b) haplologisch motivierte Tilgung von C 1 der Wurzel *b 1 i-∅ʊ̀ʔ-ì *b 1 i-∅ʊ́ʔ-í (c) Spirantisierung (unter Einfluss des Hochvokals) *b 1 v i-ʊ̀ʔ-ì *b 1 v i-ʊ́ʔ-í (d) Monophthongisierung (Tilgung des Hochvokals) *b 1 v∅-ʊ̀ʔ-ì *b 1 v∅-ʊ́ʔ-í (e) paradigmatisch bedingte Reanalyse des reduplizierten Initials als Wurzelbestandteil b 1 vʊ̀ʔ-ì b 1 vʊ́ʔ-í Die Gemeinsamkeit hier ist: unabhängig davon, ob Pluraktional- oder Imperfektiv-Funktion – die Affrikate bv im Anlaut ist die letzte Spur dieses reduplikativen Präfixes mit Hochvokal. Allerdings bleiben Konsonanten-Mutationen dieser Art im Isu auf den Fall b &gt; bv beschränkt (Affrizierung). Im benachbarten Zoa dagegen betrifft die Anlautmutation auch die Konsonanten s , z und dz , die im Imperfektiv durch ʃ , ʒ bzw. dʒ ersetzt werden wie in (39) angezeigt. ( 39 ) Zoa: Palatalisierung und Affrizierung des Anlauts in Imperfektiv Mutationstyp Perfektiv Imperfektiv Bedeutung s &gt; ʃ sɒ̀w ʃù, sù 'waschen' z &gt; ʒ zɒ́w ʒú 'hören' dz &gt; dʒ dzào dʒòo 'aufteilen, verteilen' dz &gt; dʒ dzà̰ dʒìa̰, dʒà̰ 'sagen' b &gt; bv bʌ́b bvə́bə́ 'fragen' Die Affrizierungsmutation b &gt; bv steht hier in einer Reihe mit Palatalisierungen wie s &gt; ʃ und z &gt; ʒ . Dies legt nahe, dass beide Typen Ergebnisse desselben Prozesses sind, nämlich der Reduktion eines palatalen Bestandteils: bv ist somit das reguläre Ergebnis einer Palatalisierung von b sowohl im Isu als auch im Zoa. Im Zoa ist diese Palatalisierung des Initialkonsonanten nur deutlich weiter fortgeschritten als im Isu. Die Affrizierung / Palatalisierung als Anlautmutation muss alt sein, denn sie ist in den modernen Ringsprachen sehr unregelmäßig verteilt, was darauf deutet, dass sie durch sekundäre Analogie- und Rückbildungs-Prozesse überlagert wurde. So wäre z.B. die Affrikate im Anlaut des Perfektivs des Aghem-Reflexes von Proto-West-Ring *bʊ́b 'fragen' in (40) als Ergebnis einer Rückbildung, ausgehend vom Imperfektiv, aus zu deuten. ( 40 ) Verteilung von b vs. bv bei Proto-West-Ring *bʊ́b (PF) 'fragen' vs. * bi-bʊ́b-ə (IPF) Perfektiv Imperfektiv Aghem bvʊ́ bvʊ́ɔ Bu bɨ́ [?] Isu bʌ́b bə́bə́ Weh bʌ́b [?] Zoa bʌ́b bvə́bə́ Ablaut: Vokalische Alternationen Neben diesen Konsonanten-Mutationen im verbalen Aspektparadigma treten vokalische Ablauterscheinungen auf, die vor allem den Vokalwechsel von ʊ im Perfektiv zu ɔ im Imperfektiv betreffen. In anderen Kontexten existieren marginale andere Ablaut-Muster. So tritt z.B. bei der Ableitung des Kausativs ŋù[u]mì 'wärmen, erhitzen; reizen' von der Wurzel ŋə̀m 'heiß werden' ein Wechsel von Schwa im Simplex zu langem uu im Kausativ auf. Komparative Evidenz verweist auf die Originalität der hinteren Qualität des Wurzelvokals in der Proto West-Ring-Rekonstruktion * nʊ̀m , die im Isu regressiv auf den vorangehenden Nasal übertragen wurde, was einen zentralisierten und delabialisierten Vokal hinterlassen hat. Somit bewahrt die Kausativform, die vermutlich über die Kette * ŋi - ŋùm-ì &gt; * ŋiùm - ì &gt; * ŋù[u]m - ì abgeleitet ist, eine ursprüngliche Eigenschaft, die im Simplex verschoben worden ist. ( 41 ) 'Ablaut' im Isu: Alternation von Wurzelvokal ʊ (Perfektiv) vs. ʊɔ ~ wɔ (Imperfektiv) Perfektiv Imperfektiv zʊ́ʔí 'erklären, lehren; lernen' [ zwʊ́ʔí ] zʊɔ́ʔɔ́, zwɔ́ʔɔ́ zʊ̀ʔì 'drücken, pressen' [ zwʊ̀ʔì ] zʊɔ̀ʔɔ̀, zwɔ̀ʔɔ̀ bwɔ̀ʔ (&lt; * bʊ̀ʔ ) 'bohren' bʊɔ̀ʔɔ̀, bwɔ̀ʔɔ̀ bvʊ́ʔí 'rufen' bvʊɔ́ʔɔ́, bvɔ́ʔɔ́ dʊ́ʔí 'sich freuen' [ dwʊ́ʔí ] dʊɔ́ʔɔ́, dwɔ́ʔɔ́ tsʊ̀ʔ 'ausspülen' tsʊɔ̀ʔɔ̀, tswɔ̀ʔɔ̀ tsʊ́ʔí 'heiter sein' tsʊɔ́ʔɔ́, tsəɔ́ʔɔ́ twʊ̀ʔì 'sorgfältig pflegen' twʊɔ̀ʔɔ̀, twɔ̀ʔɔ̀ [twʊ̀ʔə̀, twɔ̀ʔə̀] dzʊ̀ʔì '(sich) lockern' [ dzwʊ̀ʔì ] dzwɔ̀ʔɔ̀ Dieser Vokalwechsel ist Ergebnis einer Kette von Assimilationsprozessen, die von einer Imperfektivform mit Schwa-Suffix ausgehen, wie in (42) schematisch dargestellt und in (43) an Beispielen im Einzelschritt-Modus illustriert. Das Schwa bekommt zunächst die Merkmale [+hinten, +rund] des Wurzelvokals in progressiver Weise übertragen und wird dadurch zu ɔ , wie bereits an Verben der Gruppe E3 in (22) zu beobachten war. Als nächstes wird die Qualität dieses Vokals regressiv durch den Glottalverschluss hindurch vorweggenommen, wodurch der Diphthong ʊɔ entsteht, dessen vorderer Bestandteil sich dann weiter zum Approximanten entwickelt. ( 42 ) Morphophonologische Prozesse des Imperfektivs bei Verben der Struktur * Cʊʔ (a) Suffigierung des Imperfektiv-Morphems: *Cʊʔ- ə (b) Progressive transglottale Ausbreitung der Merkmale [+hinten, +rund] auf das Imperfektivsuffix: *Cʊʔ- ɔ (c) Diphthongisierung im Gefolge regressiver Vokalausbreitung durch den Glottalverschluss: Cʊ ɔ ʔ-ɔ (d) Diphthong-Auflösung durch Approximantenbildung (Mora-Verlust?): *C w ɔʔ-ɔ ( 43 ) Vokalische Assimilationen führen zu Ablaut Perfektivstämme: zʊ̀ʔ-ì 'drücken' zʊ́ʔ-í 'erklären' (a) Imperfektiv-Ableitung durch *-ə *zʊ̀ʔ-ə̀ *zʊ́ʔ-ə́ (b) progressive transglottale Ausbreitung der Merkmale [+hinten, +rund] *zʊ̀ʔ- ɔ̀ *zʊ́ʔ- ɔ́ (c) regressive transglottale Vokalausbreitung (Diphthongisierung) *zʊ ɔ̀ ʔ-ɔ̀ *zʊ ɔ́ ʔ-ɔ́ (d) Diphthong-Auflösung durch Approximantenbildung z w ɔ̀ʔɔ̀ z w ɔ́ʔɔ́ In den modernen Imperfektivformen ist somit der labiale Wurzelvokal ʊ der perfektiven Basis als Labialisierung des Initialkonsonanten erhalten geblieben, während der offenere Vokal ɔ Ergebnis der regressiven Assimilation ausgehend vom imperfektiven Schwa-Suffix ist. ( 44 ) Vokalische Assimilationen führen zum Ablaut Perfektiv Imperfektiv Pluraktional Perfektiv Pluraktional Imperfektiv 'bohren' bwɔ̀ʔ (&lt; *bʊ̀ʔ) bwɔ̀ʔɔ̀ (&lt; *bʊ̀ʔ-ə̀) bvʊ̀ʔì bvɔ̀ʔɔ̀ 'klingen, Schall entsenden' &gt; 'rufen' (PL) bwɔ́ʔ (&lt; *bʊ́ʔ) bwɔ́ʔɔ́ (&lt; *bʊ́ʔ-ə́) bvʊ́ʔí bvɔ́ʔɔ́ Die labialen Approximanten in den modernen perfektiven Erscheinungsformen der Verben bwɔ̀ʔ 'bohren' und bwɔ́ʔ 'klingen, Schall entsenden' (44) lassen sich vor dem Hintergrund der Kenntnis dieser morphophonologischen Prozesse in plausibler Weise als Rückbildungen erklären, die von den imperfektiven Formen bwɔ̀ʔɔ̀ bzw. bwɔ́ʔɔ́ ausgehen und jeweils ältere Simplicia * bʊ̀ʔ bzw. * bʊ́ʔ verdrängen. Dabei wurde im Zuge einer nachträglichen Regularisierung innerhalb des Paradigmas einfach der als Imperfektivmorphem eindeutig isolierbare Finalvokal abgestoßen; die fusionistischen Ergebnisse der regressiven Assimilation und Approximantenbildung (45c-d) dagegen wurden beibehalten. In beiden Fällen ist der zugrundeliegende Wurzelvokal ʊ als solcher einzig im pluraktionalen Perfektiv (unter Einfluss des Suffixes –i ) erhalten geblieben. Für diese Analyse spricht im Fall von bwɔ̀ʔ 'bohren' auch der externe Vergleich, insbesondere im Hinblick auf eine Anbindung an die West-Ring-Rekonstruktion * bʊ̀k 'bohren'. ( 45 ) Vokalische Assimilationen führen zum Ablaut Perfektivstämme: bwɔ̀ʔ 'bohren' (&lt; * bʊ̀ʔ ) bwɔ́ʔ 'klingen, Schall entsenden' (&lt; * bʊ́ʔ ) (a) Imperfektiv-Ableitung durch *-ə *bʊ̀ʔ-ə̀ *bʊ́ʔ-ə́ (b) progressive transglottale Ausbreitung der Merkmale [+hinten, +rund] *bʊ̀ʔ- ɔ̀ *bʊ́ʔ- ɔ́ (c) regressive transglottale Vokalausbreitung (Diphthongisierung) *bʊ ɔ̀ ʔ-ɔ̀ *bʊ ɔ́ ʔ-ɔ́ (d) Diphthong-Auflösung durch Approximantenbildung b w ɔ̀ʔɔ̀ b w ɔ́ʔɔ́ Die Ableitung der imperfektiven Pluraktionalformen (46) kombiniert die regressive transglottale Assimilation mit der Reduktion der Hochvokal-Reduplikation. ( 46 ) Verzahnung von Hochvokal-Reduplikation und Spirantisierung Perfektivstämme: bwɔ̀ʔ 'bohren' (&lt; * bʊ̀ʔ ) bwɔ́ʔ 'klingen, Schall entsenden' (&lt; * bʊ́ʔ ) (a) Pluraktionalis-Imperfektiv-Ableitung durch *C 1 i- -ə * b 1 i -b 2 ʊ̀ʔ-ə̀ * b 1 i -b 2 ʊ́ʔ-ə́ (b) progressive transglottale Ausbreitung der Merkmale [+hinten, +rund] *b 1 i-bʊ̀ʔ- ɔ̀ *b 1 i-bʊ́ʔ- ɔ́ (c) regressive transglottale Vokalausbreitung *b 1 i-b ɔ̀ ʔ-ɔ̀ *b 1 i-b ɔ́ ʔ-ɔ́ (d) haplologisch motivierte Tilgung von C 1 der Wurzel *b 1 i-∅ɔ̀ʔ-ɔ̀ *b 1 i-∅ɔ́ʔ-ɔ́ (e) Spirantisierung (unter Einfluss des Hochvokals) *b 1 v i-ɔ̀ʔ-ɔ̀ *b 1 v i-ɔ́ʔ-ɔ́ (f) Monophthongisierung (Tilgung des Hochvokals) *b 1 v∅-ɔ̀ʔ-ɔ̀ *b 1 v∅-ɔ́ʔ-ɔ́ (g) paradigmatisch bedingte Reanalyse des reduplizierten Initials als Wurzelbestandteil b 1 vɔ̀ʔ-ɔ̀ b 1 vɔ́ʔ-ɔ́ Auf diesen Wegen ist im Aspektparadigma des Isu marginal eine Art Ablaut entstanden, oder etwas technischer: eine paradigmatische Alternation der Vokale ʊ im Perfektiv und ɔ im Imperfektiv. Überall dort, wo der Prozess nicht mit einer Affrizierung des Initialkonsonanten verknüpft ist, alterniert der Vokal ʊ im Perfektiv mit Diphthong ʊɔ bzw. wɔ im Imperfektiv, d.h. der höhere gerundete Vokal (der eigentlich etymologisch der Wurzelvokal ist) bleibt in einer Labialisierung des Initialkonsonanten erhalten. Diese Entwicklung ist in (47) an den Beispielen Schritt für Schritt nachvollzogen. ( 47 ) Morphophonologische Anpassungsprozesse in Imperfektiven der Struktur *Cʊʔ-ə Perfektiv Intern rekonstruierte Imperfektivform Progressive Rundungs-Assimilation Regressive Vokalausbreitung Diphthong-Auflösung zʊ́ʔí 'erklären' *zʊ́ʔ-ə́ *zʊ́ʔ-ɔ́ zʊɔ́ʔɔ́ zwɔ́ʔɔ́ zʊ̀ʔì 'drücken, pressen' *zʊ̀ʔ-ə̀ *zʊ̀ʔ-ɔ̀ zʊɔ̀ʔɔ̀ zwɔ̀ʔɔ̀ bwɔ̀ʔ (&lt; * bʊ̀ʔ ) 'bohren' *bʊ̀ʔ-ə̀ *bʊ̀ʔ-ɔ̀ bʊɔ̀ʔɔ̀ bwɔ̀ʔɔ̀ dʊ́ʔí 'sich freuen' *dʊ́ʔ-ə́ *dʊ́ʔ-ɔ́ dʊɔ́ʔɔ́ dwɔ́ʔɔ́ tsʊ̀ʔ 'ausspülen' *tsʊ̀ʔ-ə̀ *tsʊ̀ʔ-ɔ̀ tsʊɔ̀ʔɔ̀ tswɔ̀ʔɔ̀ twʊ̀ʔì 'sich sorgen um' *twʊ̀ʔ-ə̀ *twʊ̀ʔ-ɔ̀ twʊɔ̀ʔɔ̀ twɔ̀ʔɔ̀ bvʊ́ʔí 'wiederholt rufen' *bvʊ́ʔ-ə́ *bvʊ́ʔ-ɔ́ bvʊɔ́ʔɔ́ bvɔ́ʔɔ́ tsʊ́ʔí 'heiter sein' Diese Form ist der Pluraktional von tsɔ́ʔ 'lachen' und scheint daher einen Prozess der regressiven transglottalen Vokalassimilation durch den hohen Vokal – i des Pluraktionals zu bezeugen: tsʊ́ʔí &lt; * tsɔ́ʔ-í . *tsʊ́ʔ-ə́ *tsʊ́ʔ-ɔ́ tsʊɔ́ʔɔ́ tsəɔ́ʔɔ́ Andererseits könnte – komplementär zur Absenkung des Vokals ʊ der Perfektivform zu ɔ auf die Hebungsstufe des ursprünglichen Schwa-Suffixes im Imperfektiv – eben dieser Vokal ʊ bei denjenigen Verben mit perfektivem Finalvokal i (z.B. bei 'erklären') auch Ergebnis einer regressiven Hebungsassimilation durch i sein, so dass es bei diesen Verben keinerlei Isu-interne Handhabe gibt, um zu entscheiden, ob nun die Vokalqualität der perfektiven oder der imperfektiven Form die ursprüngliche lexikalische Vokalqualität repräsentiert. Schluss Faraclas &amp; Williamson 1984 präsentieren zwei Modelle, mit deren Hilfe sie die Entstehung und den morphophonologischen Entwicklungsweg zweier unterschiedlicher reduplikativer Strategien des Niger-Kongo erklären: der Reduplikation mit hohem Vokal ('high vowel reduplication') in (48) und der Reduplikation mit einem nicht-hohen Vokal in (49). 'While Niger-Congo ([+high] vowel, R.K.) reduplication seems to have developed through the reduplication of the verb root, [-high] vowel reduplication could have resulted from the fusion of a verb root and a cognate object (a verbal noun derived from the verb in question) following it' (Faraclas &amp; Williamson 1984: 6). Die 'high vowel reduplication' sehen sie dabei als Endstadium der Reduktion einer Totalreduplikation der Verbalwurzel CVC - CVC (48a), die über die Stadien des Verlusts des finalen Konsonanten (48b) und der Reduktion des enthaltenen Vokals (48c) führt, wobei Reduktion maximale Hebung und – so denn das phonologische System der betreffenden Sprache dies zulasse – Zentralisierung meint, motiviert durch eine 'stricture assimilation' 'to bring about a maximally reduced vowel in a reduplicated syllable' (Faraclas &amp; Williamson 1984: 3). Der Befund in den westlichen Ring-Sprachen Isu und Zoa zeigt nun, dass mit der 'high vowel reduplication' sicherlich nicht die maximale Reduktionsstufe erreicht ist, sondern dass der Reduktionsweg über eine haplologisch motivierte Tilgung des initialen Konsonanten der Verbalwurzel (48d) weiter zu einer Form führen kann, in der von der ursprünglichen reduplizierten Silbe nur noch der Vokal-Bestandteil übrig bleibt, der als hochvokalisches Infix in die Wurzel eindringt. Selbst dieser hohe Vokal kann schließlich schwinden – allerdings nicht bevor er eine (bantutypische) Spirantisierung oder eine einfache Dehnung des vorangehenden Konsonanten ausgelöst hat (48e-f). Auf diesem Wege wäre eine ursprüngliche Totalreduplikation der verbalen Wurzel auf eine Modifikation des konsonantischen Wurzelanlauts geschrumpft, die sich synchron als Affrizierungs- oder Dehnungsmutation im morphologischen Paradigma offenbart. Vor diesem Hintergrund sollten auch die im Grasland oft beobachteten Elaborationen bei sekundären Modifikationen von Konsonanten gründlich untersucht werden, z.B. die mannigfachen Approximanten und Aspirationen im Ngimeboon (Anderson 2001). Zu überprüfen wäre ebenso, inwiefern sich Erscheinungen wie interne Vokaldehnungen in durativer Funktion im Lamnso’ ( bám 'ergreifen' vs. báamé 'umarmen', vgl. Ndzenyuy &amp; Mba 2003: 51) und Infixvokale mittlerer Hebungsstufe zur Partizipialbildung im Tikar ( tan 'zählen' : tean 'gezählt', vgl. Stanley 1991: 102-125) in dieses typologische Szenario integrieren lassen. ( 48 ) Ursprung und vollständiger Reduktionsweg der Hochvokal-Reduplikation (Faraclas &amp; Williamson 1984) (a) Totalreduplikation des Verbalstamms CVC-CVC (b) Verlust des finalen Konsonanten CV∅-CVC (c) Reduktion des reduplizierten Vokals C-CVC, Ci-CVC, Cu-CVC (d) haplologische Tilgung CV [+hoch] -∅VC (e) Affrizierung, Dehnung C [+affr] V [+hoch] -VC, CCV[+hoch]-VC (f) Hochvokal-Tilgung C [+affr] ∅-VC, CC-VC ( 49 ) Ursprung und Reduktionsweg der Nicht-Hochvokal-Reduplikation (Faraclas &amp; Williamson 1984: 14) am Beispiel des Obolo (Lower Cross) (a) Konstruktion aus Verb und kognatem Objekt (z.B. Verb-Fokus) CVC ə-CVC (b) Vokalassimilation CVC o-CVC, CVC e-CVC (c) Konsonantentilgung CVo-CVC, CVe-CVC (d) Vokalfusion / Approximantenbildung Cwo-CVC, Cye-CVC (d) Approximantentilgung Co-CVC, Ce-CVC Formal-diachron gesehen, erweist sich das palatale Infix des Isu als Abbauprodukt einer Hochvokal-Reduplikation, wie sie in anderen Niger-Kongo-Sprachen Westafrikas durchaus nicht unüblich ist und wie sie sogar als kognate Vorläuferkonstruktion mit Progressiv-Funktion in der südlichen Ring-Sprache Babungo nachgewiesen werden kann. Funktional-diachron gesehen, wurde im Isu ein vormaliger Progressiv in zunehmendem Maße als Imperfektiv grammatikalisiert und drang damit in die Domäne des älteren Imperfektivs ein, der mit einem Schwa-Suffix arbeitete. Auf diese Art fügt sich das Isu mitsamt seinen nächsten Verwandten trotz der eigentümlichen Infix-Phänomene sauber in das Gesamtbild westafrikanischer Sprachen ein. Darüber hinaus bleibt festzustellen, dass unabhängig voneinander in diversen Niger-Kongo-Sprachen die Tendenz dazu besteht, aspektuelle Markierungen so nahe an die verbale Wurzel heranzuziehen, dass eine phonologische Fusion stattfindet. Dies ist hier für die initiale Hochvokalreduplikation demonstriert worden, die in einigen Graslandsprachen der westlichen Ring-Gruppe palatale Infixe generiert. Ein anderer Fall ist das Eindringen von Teilen des Bantu-Perfektsuffixes *-ide in die verbale Wurzel mancher Bantusprachen (Zone J) – ein Prozess, der als 'imbrication' bekannt geworden ist (Bastin 1983). Literatur Anderson, Stephen 2001 Phonological characteristics of Eastern Grassfields languages. In: Ngessimo M. Mutaka &amp; Sammy B. Chumbow (eds), Research Mate in African Linguistics: Focus on Cameroon: a Fieldworker’s Tool for Deciphering the Stories Cameroonian Languages Have to Tell; in Honor of Professor Larry N. Hyman , Köln: Rüdiger Köppe Verlag, pp.33-54 Bastin, Yvonne 1983 La finale verbale -ide et l'imbrication en bantou . Tervuren: Musée Royal de l'Afrique Centrale Bastin, Yvonne 2003 The interlacustrine zone (Zone J). In: Nurse, Derek &amp; Gérard Philippson (eds.), The Bantu languages , London: Routledge, pp.501-528 Essono, Jean-Jacques Marie 2000 L'Ewondo - langue bantu du Cameroun: phonologie - morphologie – syntaxe . Yaoundé: Presses de l'Université Catholique d'Afrique Centrale Faraclas, Nicholas &amp; Kay Williamson 1984 Assimilation, dissimilation and fusion: vowel quality and verbal reduplication in Lower Cross. Journal of African Languages and Linguistic s 6,1:1-18 Güldemann, Tom 2003 Grammaticalization. In: Derek Nurse &amp; Gérard Philippson, The Bantu languages , London: Routledge, pp.182-194 Hyman, Larry 1972 A phonological study of Fe'fe'-Bamileke. Studies in African Linguistics , Supplement 4 Hyman, Larry 1979 Aghem grammatical structure . Los Angeles: UCLA Kießling, Roland. 2003 Infix genesis in South Cushitic. In: M. Lionel Bender, Gábor Takács &amp; David L. Appleyard (eds.), Selected comparative-historical Afrasian linguistic studies in memory of Igor M. Diakonoff , München: Lincom Europa, pp.109-122 Meeussen, A.E. 1967 Bantu grammatical reconstruction. Africana Linguistica 3 :79-121 Ndzenyuy, Vernyuy Francis &amp; Gabriel Mba 2003 Verbal Extensions in Lamnso. In: Idiata, Daniel Franck &amp; Gabriel Mba (eds.), Studies on voice through verbal extensions in nine Bantu languages spoken in Cameroon, Gabon, DRC and Rwanda , München: Lincom, pp.39-63 Nissim, Gabriel 1975 Cours de grammaire bamileke . Yaoundé: Université de Yaoundé Nissim, Gabriel 1981 Le bamileke-ghomálá' (parler de Bandjoun, Cameroun): phonologie, morphologie nominale, comparison avec des parlers voisins . Paris: SELAF Nurse, Derek &amp; Gérard Philippson (eds.) 2003 The Bantu languages . London: Routledge Nurse, Derek 2003 Aspect and tense in Bantu languages. In: Derek Nurse &amp; Gérard Philippson, The Bantu languages , London: Routledge, pp.90-102 Redden, James E. 1979 A descriptive grammar of Ewondo . Carbondale: Department of Linguistics, Southern Illinois University (Occasional Papers on Linguistics 4) Schaub, Willi 1985 Babungo . London &amp; al.: Croom Helm Sebasoni, S. 1967 La Préfinale du Verbe Bantou. Africana Linguistica 3 :123-135 Stanley, Carol 1991 Description morpho-syntaxique de la langue tikar . Lille: Université de Lille III Voeltz, Erhard Friedrich 1978 Proto Niger-Congo Verb Extensions. UCLA</value></element></document>