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Johann Gottlieb Christaller an Gottliebin Merkle:

Emilie ist mehrfach krank, darum schreibt Christaller selbst, gerade auch über die Nachrichten wegen der Kinder; er beschäftigt sich im Garten; in seiner persönlichen Not sucht er selbst religiöse Hilfe beim Heiland

(Kyebi, 3. Aug. 1865)

M3,65 G C 2

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Geliebte Schwester!

Diesmal fällt unsere Post an Euch leider sehr mager aus, meine lb Emilie bekam am Mo wieder Fieber, brachte den ganzen Tag, Deinen Geburtstag, im Bett zu, heute war sie zwar den ganzen Tag auf, aber als sie morgens 1/2 Stunde an die Eltern geschrieben, mußte sie aufhören und schrieb erst nachmittags an Frl Scholtz u Frau Mohr.

<2>

Ich habe einen Kommitteebrief zu erwidern in Geschäftssache, der mich mehr als einen Tag kostete, schrieb auch an Hrn Pf Meuret, daß wir bitten, unsern Gottreich mit Lateinlernen, das er selber unter seinen Lernfächern aufführt, noch länger zu verschonen, da er noch so jung und schwächlichen Körpers ist. Er lernt scheints gern u leicht, hat in allen Fächern gut, (ist der erste von 4) nur in Aufmerksamkeit u Betragen z(iemlich) g(ut) Paul (schreibt Herr Meuret) sey bald so groß als der lb Gottreich, habe aber noch keine Lust zum Lernen u spiele am liebsten (thut ihm vorderhand recht so).

<3>

Hr Insp. bemerkt mir am Schluß eines Briefes: 'Deine kleine Martha ist die intime Freundin meiner Eugenie u kommt fast 2/täglich zu uns ins Haus. Sie ist ein nettes, gescheites u lb Kind.' Dagegen wills mit ihrem Wachsen scheints nicht recht vor- oder aufwärts, u mit dem Lernen pressierts ihr noch nicht. Wir haben noch kein Briefchen von ihr, aber es ist gewiß besser, sie werde nicht so früh ins Lernen getrieben.

<4>

An Gottreich und die zwei anderen schrieb ich u.a. auch von unserem Garten, daß die Bohnen darin so hochwachsen, daß ich an ein paar Stöcken die obersten nicht erreichen kann, wenn ich auf einem Stuhl stehe; ich weiß nicht, wieviele Fuß sie noch höher seilen werden, wenn sie eine höhere Stange hätten. Diesen Abend brach ich auf einem Fleckchen auf dem Stuhl stehend über mir oben von zwei Stöcken, ließ viele hängen, die ich nicht erreichen konnte, oder die schon zu dick waren, da ich mehrere Tage keine Zeit hatte zu brechen. Emilie salzt zwei steinerne Häfen voll, in denen wir Butter erhalten hatten, ein; auch schicken wir Bohnen, Rettige, Gurken den Geschwistern Kromer in Karanturu. Sonst haben wir nicht viel im Garten, ein paar Beete Mais, gewaltig hoch. Die Bohnen stammen aus dem elterlichen Garten in Waiblingen.

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Meine lb Emilie hatte gegen Ende Juni Fieber, 14 Tage nachher wieder, nach wieder 14 Tagen kam es, da sie Chinin nahm, nicht zum Ausbruch, aber dagegen acht Tage später, sie hatte, als sie (sich) schläfrig fühlte, nicht gleich einschlafen können, da wich der Schlaf fast ganz u bis zum Morgen hatte sie Fieber; das machte sie sehr niedergeschlagen, u sie meinte, nun bekomme sie es alle acht Tage, während es doch drei Wochen angestanden u dieses letzte bälder vorüber war als die zwei vorhergehenden. Frau Eisenschmid hatte und hat viel mehr Fieber, freilich ist sie noch jünger u kräftiger, aber ich hoffe, daß es jetzt auch bei uns wieder besser geht u daß wir nicht nur für so kurze Zeit hierher gekommen sind.

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Wir müssen oft noch recht sehen, wie ungeduldig u kleingläubig wir sind. Ich muß allemal wieder darauf kommen, daß es uns in vielen Stücken noch besser geht als anderen, u daß des Guten, der Treu u Barmherzigkeit, die uns der Herr erweist, mehr ist als des Schweren, u weit mehr als wir verdienen, während, was die Leiden betrifft, uns nie zuviel geschieht, und das war mir vorletzte Nacht, als ich neben Emilie wachte u ihr zusprach, so groß, daß wir an Jesu einen Halt u Ruhepunkt haben in allen Lagen u Vorkommnissen, daß wir wirklich in Ihm, dem Einen, alles haben. [...] Ists auch eine Freude, Mensch geboren sein? Ja, es wäre zum Weinen, wenn kein Heiland wär - ists nicht so auf Erden gut, ein Mensch zu sein?

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