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<?xml version="1.0" encoding="UTF-8"?><document><element name="title"><value> Die Bantu-Philosophie von Tempels aus afrikanischer Perspektive</value></element><element name="description"><value>en: The study presents Placide Temples’ way towards the “Philosophie bantoue” and the repercussion of the latter in the African discourse. Three decisive aspects are investigated: first the prehistory, i.e., the socio-political, scientific and religious contexts, which prepared him and put him in an estate to discover that Africans do have a Philosophy, second his purposefulness and his singularity, and finally the history of its reception and the reactions by the African scholars and sages. |fr: Le texte présente le cheminement de Placide Tempels vers "La Philosophie bantoue" et les retentissements de celle-ci dans le contexte du discours africain. Trois aspects traités à cet effet sont: d’abord la préhistoire, c’est-à-dire les contextes socio-politiques, scientifiques et religieux qui l’ont préparée, ensuite son objectif et sa particularité à l’époque de sa publication, et enfin l’histoire de sa réception et/ou des réactions suscitées chez les savants africains.</value></element><element name="body"><value> Einleitung &lt;1&gt; Placide Tempels (1906-1977), Franziskanermissionar aus Belgien, veröffentlichte sein Buch „ Die Bantu-Philosophie“ zum ersten Mal 1945 in Elisabethville in Belgisch-Kongo auf Französisch (vgl. Tempels 1945c, 2001). Anders als der französische Philosoph Lévy-Bruhl (1951, 1960) zeigt Tempels, dass die Bantu In der Sprachwissenschaft wird das Wort Bantu zur Bezeichnung einer Untergruppe der Benue-Kongo-Sprachen innerhalb der Niger-Kongo-Sprachen verwendet. Sie sind von Kamerun bis Südafrika verbreitet. Tempels bezieht sich mit dem Begriff vorwiegend auf die Ethnie der Luba. ein gedachtes System der Welt entwickelt haben und dass dieses System auf bestimmten grundlegenden Prinzipien beruht. Diese Prinzipien sind: erstens, mit Blick auf die Bantu-Ontologie, die Theorie der Kräfte, die durch das Leben zum Ausdruck kommen; Für Tempels (2001, Kap. II) ist die Lebenskraft der fundamentale Begriff der Bantu-Ontologie. Hahnemann (1810: §§ 9, 11), deutscher Arzt und Begründer der Homöopathie, verwendete bereits den Begriff Lebenskraft als die Kraft, die im Zentrum des Menschen wirkt. Sie sei nichts Materielles, sondern als geistartig, dynamisch, energetisch zu verstehen. Für ihn ist es die Lebenskraft, die den materiellen Teil unseres Organismus belebt, alle Lebensvorgänge erhält und steuert und dadurch Harmonie und Ordnung bewirkt. Die Lebenskraft, auch Lebensprinzip genannt, wird als die einzige und richtige Stelle angesehen, an der Heilung bewirkt werden kann. Offen bleibt die Frage, ob Tempels bereits S. Hahnemann gekannt hat. zweitens, hinsichtlich der Kriteriologie, die äußere Evidenz, nämlich die Autorität, die Weisheit, die dominante Lebenskraft der Ahnen, aber auch die innere Evidenz, und zwar die Erfahrung der Natur und der lebendigen Phänomene; drittens, angesichts der Theorie des Menschen, die persönliche Kraft, welche zu wachsen und nachzulassen fähig ist; viertens, bezüglich der Ethik, der Begriff des 'Guten' als Verstärkung des Lebens und der des 'Bösen' als Beeinträchtigung der Lebenskraft. So präsentiert sich zusammenfassend die Bantu-Philosophie. Wenn im vorliegenden Text von “Bantu-Philosophie“ gesprochen wird, ist das Buch von Tempels gemeint. Das Wort Bantu zur Bezeichnung der Philosophie, die Tempels in Katanga bei den Luba beobachtet hat, ist zu allgemein, vage, sogar unhaltbar: Sprachen können unter dem Oberbegriff Bantu subsumiert werden; man kann aber nicht einfach das Wort Bantu als Oberbegriff für Völker verwenden, die sich hinsichtlich ihrer Kulturen stark unterscheiden. Korrekt wäre für den Fall der Bezeichnung einer Philosophie die Verwendung eines Begriffs, der auf die betroffenen Personen oder auf das Gebiet ihrer Herkunft hinweist. Zur Kritik an Tempels Verwendung des Wortes Bantu im Titel seines Buches vgl. u.a. Kagame 1956, Mbiti 1974:14. Auch wenn diese Philosophie nicht selten als Ethnophilosophie abgelehnt wird, kommt Tempels das Verdienst zu, der Frage nach der Existenz der Philosophie der Bantu als erster im 20. Jahrhundert nachgegangen zu sein. Damit löste er besonders in Afrika eine Reaktion aus, die als Anstoß für weitere philosophische Betrachtungen zum afrikanischen Denken diente, z.B. für die Philosophie von Kagame oder den Kritiker Hountondji . Ich werde darauf eingehen, wie Tempels zu seiner Bantu-Philosophie kam und wie sich diese im Kontext des afrikanischen Diskurses ausgewirkt hat. Deshalb sollen hier drei Aspekte behandelt werden: erstens die Vorgeschichte, zweitens die Bantu-Philosophie mit Blick auf ihre Zielsetzung und Besonderheit damals, und drittens die Rezeptions- bzw. Wirkungsgeschichte. Zur Vorgeschichte Der Afrikaner in der damaligen Zeit &lt;2&gt; Wie hat man ihn in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts charakterisiert? War er für eine philosophische Aktivität geeignet? Wenn man sich auf die Publikationen zwischen 1900 und 1944 beschränkt, sind diesbezüglich verschiedene Tendenzen zu erkennen, mit denen Tempels bei dem Entwurf der Bantu-Philosophie konfrontiert war. &lt;3&gt; Es war üblich, den Afrikaner als primitiv anzusehen und ihm daher eine eigentliche, kritische Philosophie abzusprechen. In der damaligen Literatur wurde das Wort 'Neger' häufig zur Benennung der Afrikaner gebraucht. Im vorliegenden Text, abgesehen von dem Zitat oder der Überschrift, wird das Wort Neger durch Afrikaner ersetzt. Für Lévy-Bruhl (1951, 1960) ist die vorlogische, sogar mystische, widersprüchliche Mentalität das Charakteristische einer primitiven Gesellschaft. Ihr wird die zivilisierte Gesellschaft gegenübergestellt: die Mentalität in dieser ist von einer logischen, widerspruchsfreien und also wissenschaftlichen Qualität geprägt. Von diesem Gegensatz aus heißt primitive Anschauung, angewendet auf den Afrikaner, eine kindliche Philosophie, von der Natur geprägt oder durch einen gewissen Animismus getragen. Anders als Lévy-Bruhl suchte der amerikanische Ethnologe Radin (1927) die Existenz einer intellektuellen Klasse in primitiven Gesellschaften zu zeigen und die Rolle und Stellung dieser Klasse zu definieren. Dennoch beharrt er darauf, von primitiven Menschen, von primitiven Gesellschaften usw. zu sprechen. Damit zeigt er, dass er noch an einen wesentlichen qualitativen Unterschied zwischen westlichen und anderen Kulturen glaubt. Über Lévy-Bruhl hinaus setzt Allier (1927), Professor an der evangelisch-theologischen Fakultät in Paris, voraus, dass die unzivilisierten Menschen intellektuelle Fähigkeiten wie die zivilisierten haben. In seiner Recherche über jene Fähigkeiten präsentiert er auf einer Linie mit Lévy-Bruhl den Glauben an die Magie als den Hintergrund der Mentalität der Unzivilisierten, aber mit neuem Akzent. Diesen fehle nicht die kritische Intelligenz oder die rationale Erklärung der Phänomene, sie befinde sich vielmehr im Schlafzustand. Der Unzivilisierte ist das menschliche Wesen, bei dem der Glaube an die Magie das Wesentliche seines inneren Lebens bestimmt. Der Zivilisierte dagegen lasse sich nicht von der Magie dominieren, er könne nachdenken, Urteile fällen und Schlüsse ziehen. Daraus schließt Allier, dass es zwischen den beiden keine erhebliche Differenz bezüglich ihrer Fähigkeiten, sondern nur in Bezug auf ihre Mentalität gebe. Nah der Tendenz Lévy-Bruhls macht Le Roy (1929), Missionar vom Heiligen Geist, darauf aufmerksam, dass der Primitive kein Philosoph ist, dass er nur das behauptet, was er sieht und sich niemals anstrengt, die Ursachen zu suchen. Ein ähnlicher Gedanke wird vom Gouverneur Général du Congo belge (1934-1946), Dr. Pierre Ryckmans (1930:83), vertreten. Wenn er von der Philosophie mit Blick auf die Afrikaner spricht, weist er darauf hin, dass sie implizit ist, von ihnen ignoriert wird, aber voll von Widersprüchen ist. &lt;4&gt; Außerdem gab es auch Fälle, in denen dem Afrikaner eine Philosophie zugeschrieben wurde, eine unbewusste, spontane, populäre Philosophie, eine Philosophie von philosophischen Aspekten oder Vokabeln oder Ideen, eng verbunden mit religiösen Anschauungen. Philosophie diente als Synonym zu Gedanken im unbestimmten Sinn des Wortes – dies ermöglichte a priori dessen Anwendung auf irgendwelche Arten des Denkens, in diesem Fall auf die afrikanischen. Dennett (1906) spricht von der Bavili-Philosophie, einer versteckten Philosophie, die aber dem Volk durch Symbole gelehrt wird. Die entsprechende Lehre wird an den dafür geeigneten Orten erteilt, in den 201 geweihten, abgesondert gelegenen Wäldchen. Van Overbergh (1907:283) stellt fest, dass die Bangala über eine Philosophie als Bestandteil des religiösen Lebens verfügen, aber ihre Anschauungen über das Problem der Existenz und der Gottheit nicht erklären können. Delhaise (1909:225), Commissaire de district de 1 re classe, macht auf die philosophischen und religiösen Ideen der Warega aufmerksam. Dabei versteht er die Warega-Philosophie als eine Mischung von Fatalismus und Deismus. Er stellt fest, dass die Warega von ihrer Mentalität her nicht soweit denken, dass sie Gedanken über den Endzweck der Welt, die Gottheit usw. gewinnen. Der ehemalige Magistrat Dr. R. Schmitz (1912:255) weist auf die philosophischen und religiösen Ideen der Baholoholo hin, und zwar auf ihre Vorstellungen des Lebens und Todes sowie auf ihre Sitten bezüglich der Amulette, der Bedeutung der Träume zur Deutung der Zukunft, usw. Colle (1913), Missionar der Weißen Väter, widmet sich den Baluba, deren Philosophie er als unbewusste Philosophie betrachtet. Der Gouverneur der Provinz Äquator in Belgisch-Kongo, Dr. van der Kerken (s.d.:130f., 135; 1920:42, 53), später Professor an der juristischen Fakultät der Universität von Gent, behauptet, dass es bei den Völkern des Belgisch-Kongo und Ruanda-Urundi Philosophen gibt. Diese sind etwa Patriarchen, Zauberer, geistige Führer, die sich bemühen, die sichtbare Welt zu erklären, den Grund, die Art und Weise der Existenz der Welt und der Menschen zu eruieren und die besten Grundsätze der Weisheit aufzuklären. Ihnen wird der Gebrauch des Verstandes und der Einbildungskraft unter dem Vorbehalt zuerkannt, dass ihre Mentalität allgemein nicht kritisch sei. Tanghe (1925, 1926), Kapuzinermissionar, widmet sich der Philosophie der Ngbandi, besonders ihrer Vorstellung vom Chef mit Blick auf die kultische Verehrung der Schlange und der Zwillinge. Aupiais (1928:36), Missionar der Weißen Väter und Ethnograph, verweist auf den Scharfsinn und die Tiefgründigkeit der Afrikaner (aus Dahomey, heute Benin), wenn sie sich in ihrer Muttersprache ausdrücken, und zugleich auf die philosophische Bedeutung ihrer sprichwörtlichen Redensarten. Im Anschluss an seine Darstellung der religiösen Philosophie der Baluba (in Belgisch-Kongo) bekräftigt Gabriel (1928:63, 64, 57), Frère de la Charité, dass Afrikaner (Baluba) auf eigene Weise philosophieren und dass die Luba-Sprache über philosophisches Potential verfügt. Der englische Ethnologe Evans-Pritchard (1978) stellt sich gegen die Vorurteile von Lévy-Bruhl über die primitive Mentalität, indem er in seiner Studie der Zande-Kultur die innere Logik des Glaubens an Hexerei und Magie nachweist und damit die religiösen und metaphysischen Voraussetzungen des Denksystems der Zande erklärt. Masson-Oursel (1938), Philosoph und Historiker, billigt, dass in den philosophischen Traditionen der Vorsokratiker bis zum Neoplatonismus der griechische Gedanke unmittelbar von den ägyptischen Arten der Vorstellung und sogar des Denkens beeinflusst war, Arten, die selbst längere Zeit von der schwarzen (afrikanischen) Mentalität abhängig waren. Ähnliche Gedanken werden später etwa von Obenga (1990) aufgegriffen. Possoz (1939a, 1939b, 1940, 1942) war davon überzeugt, dass der Afrikaner über eine synthetische Ontologie, eine lebendige, menschliche und dynamische Metaphysik, eine Philosophie des Lebens verfügt, eine Stammesphilosophie (Magie), deren Fundament Gott ist. Diese soll man als erste untersuchen und aufdecken, um die juridische Institution der Afrikaner verstehen zu können. &lt;5&gt; In anderen Publikationen hatte man zu zeigen versucht, dass der Afrikaner zu kulturellen Werten, d.h. Werten der Zivilisation fähig ist. Afrikanische Werte, die bis dahin verleugnet wurden, konnten wieder entdeckt und bekräftigt werden. Frobenius (1933, 1983:X), deutscher Afrikaforscher und Kulturphilosoph, weist darauf hin, dass das Gefühl des Lebens Afrika allgemein beherrscht. Jomo Kenyatta (1938), Staatspräsident Kenyas (1964-1978), stellt sich gegen die Verleugnung und Unkenntnis der Kikuyu-Gesellschaft von Seiten der Europäer, Offiziere, Missionare und Konzessionäre, besonders gegen ihre Art und Weise, alles tun und neu tun zu wollen, so als ob Afrikaner keine Persönlichkeit hätten. In seiner Studie der Kikuyu-Gesellschaft bietet er eine Kulturanalyse für Europäer und entfremdete Afrikaner an. Die Werte und die traditionelle Weise des Denkens der Kikuyu sollen erkannt werden. Der französische Ethnologe Marcel Griaule (1938) widmet sich den Dogon-Masken. Bei ihm begegnet man dem Begriff der Lebenskraft. Auf diesen für ihn wichtigen Begriff führt er sein Studium über die Konzeption der Person zurück. &lt;6&gt; Tempels dürfte diese Tendenzen gekannt haben. Er war von 1933 bis 1962 Seelsorger in Belgisch-Kongo. Als er am 22.11.1933 im Kongo, in der Provinz Katanga in Dilolo ankam, war die Kolonisation voll im Gang. Wie er sich angesichts der angedeuteten Strömungen verhalten hat, zeigen deutlich seine Schriften. Daraus erklärt sich der von ihm etappenweise durchgezogene Weg bis zur Konzeption und Verfassung der Bantu-Philosophie . Intellektueller Fortschritt &lt;7&gt; Ein Blick in Tempels literarische Tätigkeit macht deutlich, dass er einen unverkennbar großen intellektuellen Fortschritt gemacht hat, durch den seine Bantu-Philosophie erst möglich wurde. &lt;8&gt; Zwischen 1935 und 1938 untersucht Tempels (1935-6a, 1938) in Anlehnung an Delafosse (1928), wie die Baluba-Shankadi und die Bashila von eins bis zehn zählen. Außerdem beschreibt er (1935-6b), wie die Baluba-Shankadi sich die Welt vorstellen: dilettantisch, da ihnen das Bedürfnis einer schlüssigen Erkenntnis fehlt. Hier stellt Tempels (1935-6b) fest, dass sich die Afrikaner sehr wenig von den Widersprüchen zwischen ihren Interpretationen der Einzelheiten eines einzigen natürlichen Phänomens stören lassen. Diese Einsicht erinnert an H. Dieterlen, der 1888 behauptete: "le nègre se contente d’idées vagues et ne se laisse pas incommoder par les contradictions flagrantes qui s’y trouvent. Il ne précise pas, il ne raisonne pas, il n’a pas de logique: il n’y regarde pas de si près." (Dieterlen, zitiert von Smet 1977a:87) Tempels kennt diesen Text durch Allier (1925), den er in der Bantu-Philosophie (Kap. 1) zitiert. Seine Standpunkte damals waren von denen der meisten seiner Zeitgenossen wie Lévy-Bruhl nicht verschieden. Er meint wie sie, dass der Afrikaner nicht denken kann. Erst in den vierziger Jahren distanziert er sich allmählich von diesen Meinungen. &lt;9&gt; Zwischen 1940 und 1943 hatte Tempels (1940-3) eine Sammlung von Rätseln für die Publikation vorbereitet. Diese Sammlung, die die Quellen von Tempels zukünftiger Bantu-Philosophie enthält, sollte ein Fragment schwarzer mündlicher Literatur sein. Tempels war der Ansicht, dass diese Literatur die Mentalität und das Temperament der Baluba und Babemba aufklären kann. Denn der Schwarze vermittelt in seinen Rätseln, Märchen und Sprichwörtern unbewusst ein natürliches, genaues und authentisches Bild dessen, was er ist und innerlich denkt. "En effet, dans ses devinettes comme dans ses fables et ses proverbes, le Noir nous livre inconsciemment une image naturelle, fidèle et authentique de ce qu’il est et de ce qu’il pense intimement." (Tempels 1940-3) Hier ist Tempels dem Afrikaner näher gekommen: er begnügt sich nicht damit, ihn zu belehren, sondern von ihm belehrt zu werden, er versucht, ihr Leben durch ihre eigenen Augen zu sehen. &lt;10&gt; Ende 1943 stellt Tempels (1943) fest, dass das Leben und die Verstärkung des Lebens das Ideal aller Sehnsüchte des Afrikaners ausmachen. "L'idéal du Noir, le but de toutes ses aspirations, c'est la bumi , la vie ." (Tempels 1943) Anfang 1944 betont er (1944b), dass die Kraft des Lebens der fundamentale Begriff der Bantu-Ontologie ist. "La force de la vie, le concept fondamental de l’ontologie bantu." (Tempels 1944b) Kraft des Lebens und Sein werden für identisch gehalten. "Chaque être est une force de la vie, chaque force de la vie est un être, et dans ce sens‑là, la notion de force de la vie serait la notion fondamentale de l’ontologie bantu, la notion universelle suprême, applicable à tout ce qui existe réellement: Dieu, les esprits; les défunts, les hommes, les animaux, les plantes et les êtres matériels." (Tempels 1944b) 1944 findet man in der Literatur, in der Tempels (1944a) den Gedanken der Bantu-Philosophie vorwegnimmt, Begriffe wie Lebenskraft, -macht und -einfluss. Dennoch überlegt er (1944c, 1945d) weiter, ob die Bantu-Philosophie erforscht werden soll. Währenddessen bemüht er sich um eine menschliche Behandlung der Afrikaner und um die Anerkennung ihrer Kultur. Im Kampf gegen die Kolonialverwaltung forderte er (1945a) angesichts ihrer Ausbeutungsstrategie, dass die Wirtschaft sich endlich an die Einheimischen anpassen sollte, statt sich bloß von ihnen bedienen zu lassen oder sie mehr und mehr zu unterwerfen und zu beherrschen. "L'économie doit commencer à s’adapter aux gens de l’intérieur au lieu que de ne faire que se servir d’eux ou de les mieux asservir et dominer. Elle doit leur devenir utile et leur servir avec loyauté, avec sincérité, avec efficience, avec ordre. Elle doit céder là où elle a été excessive ou intempestive, là où elle a été contre les droits imprescriptibles de l’homme, contre sa dignité d’homme libre, et généreux." (Tempels 1945a) Die Kolonialverwaltung soll die traditionelle Monogamie achten, statt die Ehe eines Mannes mit vielen Frauen zu institutionalisieren. Der Fehler der Kolonialverwaltung besteht Tempels zufolge (1944-5) in der Institutionalisierung der Polygamie: "là où eux [les indigènes] avaient toléré la cohabitation extra-matrimoniale, nous avons institué la polygamie!" Ihr wird vorgeworfen, dem Schwarzen eine Polygamie aufzuzwingen, nachdem sie das System ihrer Monogamie vernichtet hatte. Tempels (1945e) plädierte deshalb dafür, dass die Ehe der primitiven Schwarzen gesetzlich geschützt wird. "Nous attendons la loi claire et précise reconnaissant et protégeant le mariage de nos indigènes." "Ce qu’il importe de faire maintenant, c’est de protéger le mariage comme tel, le mariage de tous nos indigènes." "L’inscription ne donne pas au lien conjugal le caractère de mariage, mais on inscrit officiellement ce qui est déjà mariage, afin d’assurer à cette union la protection de la loi." (Tempels 1945e) Dabei erwähnt Tempels deutlich das Wort Bantu-Philosophie, sowie die Varianten Lebenskraft, Lebensaktion, Lebensunion, Lebensort, die als Zentrum das Leben und die Vermittlung des Lebens haben. &lt;11&gt; Im Februar 1945 weist Tempels (1945b) Die Überschrift ( La décence chez les &lt;non-civilisés&gt; ) erinnert an Allier (1927) und sie wird als ein Untertitel im letzten Kapitel der Bantu-Philosophie aufgenommen. anerkennend darauf hin, dass es bei den Bantu einen Anstand den Kindern oder Personen des anderen Geschlechts gegenüber gibt. Die Untersuchung diesbezüglich wird besonders auf die Sexualität bezogen. "Leur décence est strictement limitée à la sexualité, les organes génitaux et la vie sexuelle; elle s’applique à certaines personnes: les enfants ou les personnes de l'autre sexe." (Tempels 1945b) Der Leitgedanke, sich an diesen Anstand zu halten, wird auf die Achtung vor dem Leben bzw. den Quellen des Lebens zurückgeführt. "La raison et la norme de la décence sont le respect pour les sources de la vie, ou le respect pour la vie." (Tempels 1945b) &lt;12&gt; Insgesamt ist Tempels 1944/1945 ein ganz anderer: Er denunziert jetzt den Missbrauch der Kolonialisierung. Er wird zum Verteidiger der Bantu-Kultur und kämpft für ihre Anerkennung. 1945 scheint er schließlich davon überzeugt zu sein, dass Afrikaner über eine Philosophie verfügen, weil sie Menschen sind. Aus dieser Überzeugung heraus hat er seine Bantu-Philosophie entwickelt, die er zum Zweck der Katechese zu erörtern versucht. Zum Verständnis der Bantu-Philosophie Die Katechese &lt;13&gt; Ist eine angepasste Katechese gewissermaßen der Evangelisation der Bantu nützlich, so ist eine solche Katechese erst dann möglich, nachdem man ihre Ontologie kennt. Vgl. Tempels 1944b, Introduction, 3: Nécessité pour la catéchèse; Smet 1981:173. &lt;14&gt; Um 1940, in einem unveröffentlichten Text, zeigt Tempels (1940) seine Absicht, sich den vorchristlichen Konzeptionen der Bantu anzunähern. Die behandelten Themen beziehen sich auf die Kenntnis von Gott als Schöpfer, Vorsehung, Richter, den Dienst an Gott, die Betrachtung der Heiden über das Christentum, die Rolle der Ahnen, das Leben, die Krankheit und den Tod, die Geisterwelt, usw. (vgl. Smet 1977b:232) Das Manuskript stellt eine angepasste Katechese dar. Die Intention ist missionarisch. Schon 1943, in einem Brief an Hulstaert (1983:219), berichtet Possoz darüber, dass er mit Tempels im Briefverkehr über die angepasste Katechese steht. Der Brief ist auf den 7. September 1943 datiert. Hulstaert weist darauf hin, dass die katholische Aktion, die das grundlegende Bedürfnis von Possoz war, nun auch Tempels interessiert, da dieser schon dabei war, eine angepasste seelsorgerische Tätigkeit und Katechese zu erforschen. Hulstaert (1983:219) zufolge schlägt Possoz Tempels dafür das Modell in der christlichen Arbeiterjugend (JOC) vor, gegründet von Joseph Cardijn, dem Jugendfreund von Possoz. Hulstaert (1983:220) vermutet, dass dies alles natürlich in Jamaa mündete. &lt;15&gt; Im Kontext der Katechese bekräftigt Tempels 1948, dass der Missionar am Beispiel Jesu Christi auf seine eigene Art des Denkens und Fühlens, sogar auf seine Kultur und sein eigenes Verständnis von Christus verzichten soll, um den Afrikanern persönlich begegnen zu können. Nur so kann erreicht werden, dass sie selbst etwas von Christus denken und aus sich selbst eigene Erfahrungen mit ihm machen. Deshalb forderte Tempels, dass Afrikaner mit Nächstenliebe behandelt werden, eine Liebe, die sich auf ihr konkretes Leben richten soll, so wie sie sind, denken, fühlen usw. Das erste Zeugnis der Nächstenliebe liegt für Tempels (1948:262) in der Begegnung: Mensch mit den Menschen zu sein. "Être homme avec les hommes." (Tempels 1948:262) Die Einladung zu einer solchen Begegnung war das Ziel, das Tempels mit seiner Bantu-Philosophie erreichen wollte. Sie sollte den Weg für eine angepasste Katechese vorbereiten. Die Erfahrung einer solchen Katechese wird deutlich im Essai d’adaptation der Schwester Constance-Marie (1948) dargestellt (vgl. Tempels 1948:263, Fußnote 2); Tempels (1949b) hatte das Manuskript von Constance-Marie durchgesehen, dann eine Rezension zu ihren beiden Bänden geschrieben und diese darin als ein neues Zeugnis zugunsten seiner Bantu-Philosophie dargestellt. &lt;16&gt; In seiner Bemühung, die Afrikaner mit dem Christentum vertraut zu machen, bildete Tempels 1953 in seiner Zeit als Pfarrer der Gemeinde der Union Minière in Ruwe (heute Mutoshi), in der Nähe von Kolwezi, eine kleine Gruppe von Gefährten, die dann 'Jamaa' (= Familie) genannt wurde. Zusammen mit dem Wort Begegnung, mit der das Jamaa-Sein beginnt, ist Jamaa das Schlüsselwort für jeden Versuch bei Tempels, die christliche Lehre an die afrikanische Mentalität anzupassen. Wie Tempels betont, sind es Menschen, die sich treffen, die zusammen beten, die zusammen leben, und die den Mut haben, in ihr Leben den Glauben zu übersetzen, den sie erneut entdeckt haben. "Ce ne sont que des hommes qui se réunissent, qui prient ensemble, qui vivent ensemble et … qui ont le courage de traduire dans leur vie la foi qu’ils ont de nouveau découvert." (Tempels, zitiert in Smet 1977/c: 263) &lt;17&gt; Es war die missionarische Intention Tempels (1956), zusammen mit den Afrikanern Kontakt mit den bedeutendsten Personen des Evangeliums aufzunehmen: mit Gott, Christus, Maria, Joseph, Magdalena, Johannes usw. Für ihn sind sie Personen, die die Afrikaner neugierig machen sowie ihnen in ihren Beziehungen als Mitmenschen zueinander und in ihren notwendigen Beziehungen mit den Europäern keine Ruhe lassen. "Je prends contact ensemble avec les Noirs, avec les personnes vivantes de l’Evangile: Dieu, le Christ, la Vierge, St Joseph, Magdeleine, Jean le disciple, etc. Ce sont ces personnes qui intriguent les Noirs, ainsi que leurs relations d’être à être, et leurs relations vitales avec nous." (Tempels 1956:233) Es ging Tempels (1958) nicht darum, eine Verbindung der Bantu-Ontologie mit der europäischen Kultur oder umgekehrt herzustellen, sondern vielmehr darum, sich ganz der Mentalität, der Psychologie, dem Leben selbst des 'Muntu ' Muntu (sg) heißt in vielen Sprachen der Bantu-Völker Mensch; die Pluralform heißt Bantu. hinzugeben, alles, was abendländisch ist, abzulegen, um selbst Muntu mit dem Muntu zu werden. Was er zu erreichen suchte und wollte, war die Kommunion, die Gemeinschaft des Lebens mit dem Muntu. &lt;18&gt; Vor dem Hintergrund der versuchten Katechese stellt sich die Bantu-Philosophie als eine Philosophie aus der Begegnung dar. 1943, d.h. 10 Jahre nach seiner Ankunft im Kongo, glaubte Tempels (1962:37) seinen Weg entdeckt zu haben: den Weg des unmittelbaren Interesses für den Menschen selbst. Während er sich dem Muntu anvertraute, merkte er, wie der Muntu dabei in seiner Äußerung die Unergründlichkeit seiner Persönlichkeit, das Geheimnis seines Wesens und seiner Seele entdeckte. Seinem Bericht nach konnte Tempels im Dialog mit ihm erfahren, wonach sich der Muntu sehnt, und zwar nach dem erfüllten Leben, nach der Fruchtbarkeit und nach der lebenswichtigen Gemeinschaft und Kommunikation mit anderen Wesen. Indem Tempels entdeckte, wie tief der Muntu menschlich denkt und sich sehnt, fing er an – so berichtete er weiter –, als Europäer das auch in ihm vorhandene primitive Wesen in sich selbst zu entdecken, nahm ebenfalls in sich selbst die dreifache Sehnsucht wahr. Die lebenswichtige Erfahrung, die er dabei machte, war die der Begegnung von Mensch zu Mensch. Was aus der gegenseitigen Erkenntnis entstand, war nämlich, seiner Meinung nach, die Sympathie, die Liebe. Für Tempels war es die Stunde des Christentums. Dies führt er auf die Tatsache zurück, dass Jesus Christus derjenige ist, der zweifellos auf die dreifache Sehnsucht des Muntu antworten kann, wenn er (Jesus) sagt, erstens: ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt, und das Leben bin ich; zweitens: ich bin gekommen, damit ihr fruchtbar werdet; und drittens: ich bin gekommen, damit ihr eins seid wie der Vater und ich eins sind. Darin sah Tempels (1962:37-39) die angepasste dreifache Antwort auf die grundlegend dreifache Sehnsucht des Muntu. Gerade in diesem Kontext geistiger Entwicklung schrieb er die Bantu-Philosophie in Kibondo Dianda, nördlich von Kamina. Sie wird 1945 in Elisabethville (heute Lubumbashi) in Belgisch-Kongo auf Französisch veröffentlicht (vgl. Tempels 1945c, 2001). Etwas Neues, aber kein Einzelfall &lt;19&gt; Die Bantu-Philosophie war 1945, für die damalige Kolonialzeit, etwas Neues. Das Wort Philosophie wird offenkundig und auch systematisch im afrikanischen Fall angewendet, anders als z.B. bei Dennett (1906): er hat nur ein Kapitel über die Bavili-Philosophie geschrieben. Ein ganzes Buch trägt nun im Titel das Wort Philosophie – und dies qualifiziert es sofort als eine spezifische Studie einer primitiven Philosophie, nämlich die der Bantu, als eine Illustration – in einem besonderen Fall – der Idee der primitiven Philosophie. &lt;20&gt; Trotzdem war die Bantu-Philosophie als Versuch, die Kultur des Afrikaners aufzuwerten, kein Einzelfall. So veröffentlicht etwa Griaule 1948 Dieux d’eau, entretiens avec Ogotemmêli . Dieses Buch gilt im Vergleich mit der Bantu-Philosophie als eine unabhängige, aber zeitgenössische und parallele Arbeit. Beide offenbarten die nichtanerkannte Kultur eines ganzen Kontinents. Tempels glaubte, einen systematischen Gedanken bei den Bantu entdeckt zu haben; Griaule zeigte, dass die Dogon über eine Kosmologie verfügen, die diejenige des griechischen Dichters Hesiodos (ca 700 v. Chr.) oder der Vorsokratiker nicht zu beneiden brauchte. &lt;21&gt; In der Bantu-Philosophie stellt Tempels den Begriff der Lebenskraft als zentral dar, mit dem er die Bantu-Ontologie zu rekonstruieren versucht, eine Ontologie, deren Grundbegriff die Lebenskraft bildet. Eine solche Ontologie sei bei allen Primitiven, vielleicht bei allen Stammesgesellschaften allgemein; fast ähnlich hat Griaule gedacht. Griaule stellt in Dieu d’eau das Wasser als die Lebenskraft der Erde dar. Ist die Erde ein Geschöpf des einen Gottes Amma, dann ist das Wasser als Lebenskraft das, womit Gott sie geschaffen hat. Die Gottheit gibt dem Menschen einen Teil ihrer Kraft. &lt;22&gt; Tempels und Griaule verfolgten dasselbe Ziel: die populäre Weltanschauung und die Systeme traditionellen Denkens aufzuklären und damit zur Anerkennung einer afrikanischen Philosophie beizutragen. Nur ihre Nebenziele sind verschieden: Während Griaule eine kulturelle Dekolonisation fordert, denkt Tempels an eine zügige Christianisierung (vgl. Thomas 1991:1467). &lt;23&gt; Griaule (1949) kannte die Bantu-Philosophie von Tempels: Er wurde gebeten, das Vorwort für die Auflage beim Verlag Présence Africaine zu schreiben, was er auch tat. Dieses Vorwort wurde aber durch ein Geleitwort von Diop ersetzt. Zur Rezeptions- bzw. Wirkungsgeschichte Hier beschränke ich mich auf Ansätze afrikanischer Autoren. &lt;24&gt; Die Bantu-Philosophie Tempels wurde von den afrikanischen Philosophen bzw. Autoren unterschiedlich bewertet bzw. interpretiert. Ausgehend von der Reaktion der Kirche geht es hier um die Auseinandersetzung mit der These, dass das Sein gleich Kraft ist, dann um die Auseinandersetzung mit der Methode von Tempels, um die Debatte, ob es eine kollektive Philosophie und damit eine Ethnophilosophie gibt, als auch um die Frage, ob die Bantu-Philosophie zweideutig ist, und letztlich um die Rolle Tempels für die afrikanische Philosophie. Die Reaktion der Kirche &lt;25&gt; Tempels Bantu-Philosophie in der Auflage von 1945 wurde fast ausschließlich in Belgisch-Kongo verkauft, obwohl ihre Verbreitung dort von den kirchlichen und diplomatischen Behörden verboten wurde (vgl. Smet 1981:166). Eine erste Opposition erfährt Tempels in Form einer Missbilligung Seiner Exzellenz J.-F. de Hemptinne , des Benediktinermönchs und Apostolischen Vikars von Elisabethville (vgl. Stappers 1945:170). Er klagte Tempels wegen Häresie an und drängte – aber ohne Erfolg – auf seinen Auschluss aus der römischen Kirche. An diesem Manöver beteiligte sich ebenfalls Msgr. Dellepiane (1945:171), Apostolischer Nuntius in Belgisch-Kongo (1930-1949). Er kritisierte gewisse Ausdrücke in der Bantu-Philosophie als philosophisch und theologisch falsch und die dabei formulierte These als unbegründet. Wegen der Drohung von Dellepiane entschloss sich Tempels (1946:172), sein Buch nicht mehr in Belgisch-Kongo zu verteidigen. "En tout cas, je ne veux plus défendre mon livre ICI AU CONGO, parce que je sais d’avance quelle sera alors la décision." (Tempels 1946:172) Auf der Seite von Tempels stand Msgr. Stappers (1946:176), Franziskanermissionar, Apostolischer Vikar von Lulua und Zentralkatanga. Nach ihm stellt Tempels in seinem Buch kein neues System der Philosophie dar, sondern eine Studie über die Bantu-Anschauung entsprechend der Tradition und dem Gebrauch der (katholischen) Kirche. Als Tempels Anfang 1946 nach Europa kam, durfte er erst Ende 1949 wieder in den Kongo zurückkehren; er war in Belgien wie im Exil. Ein positives Signal kam aus Rom: die Propaganda fidei war von der Konzeption der Anpassung der Katechese sehr angetan (vgl. Smet 1981:179). Von Kardinal Liénart (1948:241), Bischof von Lille, kommt außer Lob der Vorbehalt, dass der Versuch, alles durch eine Gegebenheit zu erklären, Gefahr läuft, die Gegensätzlichkeit des Wirklichen stark zu reduzieren. "Je crains qu’à vouloir tout expliquer au moyen d’une donnée, féconde mais unique, vous ne risquez de simplifier trop la complexité du réel." (Liénart 1948: 241) Aus dem, was Smet (1977a:108, Fußnote 150) schreibt, geht hervor, dass Tempels wegen der Jamaa Einschränkungen unterlag. Er durfte während seines Aufenthaltes in Belgien (1946-1949) nicht nach Belieben Gäste empfangen – ein Verbot, das nicht streng befolgt wurde, da die eingehende Prüfung der Intention eines Besuchers als zu umständlich betrachtet wurde. Offenbar hat Tempels wegen der Bantu-Philosophie sehr gelitten, wie er 1948 P. Schebesta , einem Steyler Missionar, mitteilte. "J’ai tant souffert à cause de ce livre que j’en suis à bout." (Tempels, zitiert in Smet 1977a:108) Der umfangreiche Briefwechsel darüber hat ihn dennoch ermuntert, einige seiner Ideen weiter zu verbreiten (vgl. Smet 1977a:108). Die These: Sein ist Kraft &lt;26&gt; Das Fundament, worauf Tempels (2001, Kap. II, 4) die Bantu-Ontologie gegründet hat, ist die Theorie der Lebenskraft: "L’être est force, la force est être". Diese These ist umstritten. &lt;27&gt; Die einen stimmen Tempels zu und versuchen, von der genannten These im eigenen Kontext Gebrauch zu machen. Von Tempels inspiriert, bekräftigt Senghor , dass für die Bantu das Sein gleich (Lebens-)Kraft ist. Auf diese für ihn besonders relevante These versucht er (später), die Négritude Als kulturphilosophische und literarische Bewegung ist die Négritude aus der Begegnung von A. Césaire und L.S. Senghor, unterstützt von L.-G. Damas, entstanden. Sie besinnt sich auf die Gesamtheit der kulturellen Werte Afrikas zurück. Zur Entstehung und Geschichte der Négritude vgl. Césaire (2004); Senghor (1964, 1977, 1988); Jaunet (2001); Michaud (1978). zu gründen. Im Kontext der Négritude wird die These der Gleichung von Sein und Kraft als eine ewige Konstante der schwarzen Kultur ausgeführt. Er sieht in der Theorie der Lebenskraft das Fundament schwarzafrikanischer Weltanschauung (vgl. Senghor, in Ndaw 1983:31, 34). Mujynya (1975:148) beschäftigt sich mit der Theorie von ntu , das er mit dem Sein gleichsetzt. Danach bekräftigt er (1975:149) wie Tempels, dass für die Bantu jedes Sein eine Kraft ist. Für ihn liegt Tempels Verdienst darin, die dynamische Konzeption des Seins ans Licht gebracht zu haben. Aus dieser Konzeption des Seins versucht Mujynya (1975:152, 154), die Konzeption der Welt der Bantu zu skizzieren. &lt;28&gt; Andere bestreiten entschieden die Identifikation des Seins mit der Kraft und ersetzen den Begriff Kraft durch den Begriff ntu . Kagame (1956) hält die Bestimmung der Kraft als das Sein für falsch, setzt aber dennoch fälschlicherweise das Wort ntu an die Stelle des Begriffs Kraft von Tempels. Mulago (1965:157, 86) betont eindringlich, dass zumindest bei den Bantu von Bashi, Rwanda und Burundi nichts erlaubt, Sein und Kraft als identisch zu betrachten, denn die Kraft umfasst nicht die Kategorien des geschaffenen Seins ( ntu ), sie sei nicht das ntu schlechthin, sondern etwas vom Sein, d.h. eine Eigenschaft oder Qualität desselben. &lt;29&gt; Die anderen stimmen weder Tempels noch seinen Kritikern zu, sie decken vielmehr ihre Fehler auf. Für Eboussi-Boulaga (1968:13) ist es widersprüchlich, die Kraft an die Stelle des Seins zu setzen, da die Identität der beiden nicht dialektisch gedacht ist, was einen Identifizierungsprozess voraussetzt, der hier nicht zu vermuten ist. Indem Tempels postuliert, dass die Bantu das sichtbare Ding von dem Sein desselben, d.h. von der unsichtbaren, lebendigen Kraft unterscheiden, und dennoch versucht, in der Gleichung des Seins mit der Kraft die fundamentale Konzeption der Bantu zu sehen, kann dies nur zum Widerspruch führen: er wirft das Sensible außerhalb des Seins weg, das mit der unsichtbaren, okkulten Kraft als identisch gelten soll, und betrachtet das, was unter Sinnlichkeit fällt, als einfache Erscheinung, als sichtbares Phänomen des Seienden oder der Kraft (vgl. Eboussi-Boulaga 1968:35). Durch eine linguistische Analyse der Sprache Luba lehnt Tshiamalenga (1973:180) es ab, Sein ( ntu ) und Kraft gleichzusetzen, da ntu sich nicht nur auf die Kraft, sondern auch auf ihr Gegenteil, d.h. auf die Schwachheit bezieht. Die Methode &lt;30&gt; Bei seiner Bemühung, die Grundlage einer Bantu-Ontologie aufzudecken und damit zur Behauptung ihrer Philosophie zu gelangen, wählte Tempels als Ausgangspunkt die Entschlüsselung der Interpretation von Sitten und Gebräuchen der Bantu-Kultur. Anhand von Befragungen der Einheimischen und Aufzeichnung ihrer Antworten erforschte er die philosophischen Elemente, die in der Bantu-Kultur inbegriffen sind. &lt;31&gt; Eine Reihe von Wissenschaftlern akzeptieren die Methode Tempels und versuchen, durch Interpretation von Sprichwörtern, Legenden und Märchen den philosophischen Inhalt afrikanischer Weltanschauungen auch von anderen Volksgruppen darzulegen. Bei der Rekonstruktion der Akan-Philosophie beruft sich Gyekye (1975) auf Sprichwörter, die er analog, ohne Rücksicht auf die historischen und sozialen Zusammenhänge interpretiert. Hegba (1982:33-4) hält es für wichtig, die philosophische Reflexion auf der Grundlage von Erzählungen, Märchen, Sitten zu beginnen, da sie die Verkettung des Alltags in Afrika ausmachen. Oguah (1984) gibt sich mit dem Verfahren Tempels zufrieden und orientiert sich konsequent methodisch an ihm, wenn er aus Sprichwörtern, rituellen Liedern, Sagen und Gebräuchen die Fanti-Philosophie zu rekonstruieren versucht und die Sprichwörter analog interpretiert. &lt;32&gt; Andere Wissenschaftler ziehen die Bantu-Philosophie Tempels als ganze in Betracht und lehnen sie als methodologisch mangelhaft ab. Eboussi-Boulaga (1968:9) disqualifiziert die ethnologische Philosophie Tempels als ein zusammengesetztes Konstrukt, dem es nicht gelingt, ihr Objekt und ihre Methode zu bestimmen. Zwischen der Bantu-Anschauung und dem Verständnis von Tempels zu derselben sieht er keine intellektuelle Verbindung, die die Gültigkeit seiner Methode gewährleistet. Tempels wird vorgeworfen, ein Ding, eine Substanz – die Kraft – als Prinzip allgemeiner Explikation angenommen, den Begriff Lebenskraft widersprüchlich gebraucht zu haben (vgl. Eboussi-Boulaga 1968:10, 16). Zudem lehnt er (1968:17) die Ontologie der Kraft als widersprüchlich ab und weist darauf hin, dass sie weder die Moral noch das Recht unmittelbar begründen kann. Für Eboussi-Boulaga (1968:11) ist die Methode Tempels deswegen mangelhaft, weil sie sich auf das gründet, was Denkübung bzw. Debatte ausschließt, also auf Erlebnis und Zeugnis, und weil sie daher die Objektivität bei der Deutung des Untersuchten nicht gewährleisten kann. Die von Tempels erzielte Philosophie wird deswegen nur als eine Gesamtheit von Umfragen und Zeugnissen angesehen. Er wirft Tempels vor, von seinem Studienobjekt nicht genügend Abstand genommen zu haben; Eboussi-Boulaga sieht darin den Grund für die vielen oberflächlichen Folgerungen und unbedachten Behauptungen in der Philosophie Tempels. Hountondji (1977:12) wirft Tempels vor, eine Methode angewandt zu haben, die zwischen dem philosophischen und dem ethnologischen Verfahren schwankt. Deshalb lehnt er es ab, die ethnophilosophische Methode als eine der Philosophie relevante Methode anzuerkennen. Sind Sprichwörter, Mythen oder Sitten keinesfalls ihres Diskurses bewusst, so können sie nach Hountondji nicht als Quellen gelten, aus denen eine Philosophie rekonstruiert werden kann. Deshalb rät er ab, afrikanische Philosophie "in irgendeinem geheimnisvollen Winkel unserer angeblich unwandelbaren Seele" zu suchen. Towa (1971:29) richtet seine Kritik besonders auf die Beschreibung der afrikanischen traditionellen Sitten. Wenn eine Philosophie ausfindig gemacht wird, heißt das längst noch nicht philosophieren. Tempels wird vorgeworfen, in der Folge einer wirklichen Nachforschungsarbeit die Bantu-Philosophie nur behauptet, die gebrauchte Methode dagegen nirgendwo begründet zu haben, d.h. von der Analyse und Kritik nicht Gebrauch gemacht zu haben. &lt;33&gt; Die anderen begnügen sich nicht nur mit der Ablehnung der Methode Tempels, sondern schlagen vielmehr eine Alternative vor. Kagame (1956) lehnt die Methode Tempels deswegen als mangelhaft ab, weil in der Bantu-Philosophie jede Form der Dokumentation von Bantu fehlt, auf die sich die Behauptungen Tempels gründen würden. Dagegen schlägt er als Methode vor, von einer linguistischen Analyse der Bantu-Sprachen auszugehen, mit der Hoffnung, dass eine solche Analyse hilft, zu der Ontologie, also Metaphysik der Bantu zu gelangen. Ihm geht es darum, die in den Sprachen und Institutionen inbegriffenen philosophischen Elemente zu erforschen. Oruka (1988:36) erkennt die Ethnophilosophie als eine der Tendenzen der gegenwärtigen afrikanischen Philosophie an. Damit meint er jede ethnographische Studie, die sich mit den traditionellen Glaubenssätzen beschäftigt und als Philosophie bezeichnet wird. Dazu fügt er als weitere Tendenz die Weisenphilosophie hinzu, zu der er selbst gehört. Diese verfolgt die Methode, die Griaule besonders nahe steht: das Gesagte des Weisen soll so aufgezeichnet werden, dass es sich deutlich vom Kommentar oder der Interpretation des Forschers unterscheidet. Siehe einige Beispiele in Oruka (1988:43-46). Die Weisen selbst – die traditionellen Philosophen – sollen reden, und ihre vollständigen Reden und nicht nur Fragmente von Reden sollen gesammelt werden. Für ihn (1988:48) ist nicht schon Weisheit Philosophie, aber die Philosophie innerhalb der Weisheit ist das, was gesucht werden kann. Aus der Schwierigkeit, von einer eigentlichen Philosophie im Kontext der traditionellen (populären) Weisheit zu sprechen, bietet er (1988:51) die Weisenphilosophie als die dritte Alternative zwischen der populären Weisheit und dem schriftlichen kritischen Diskurs an, also als Beweis für die Tatsache, dass "das traditionelle Afrika sowohl Volks-Weisheit hatte, als auch kritischen, individuellen philosophischen Diskurs". Bidima (1993:173) hütet sich davor, irgendeine Philosophie im Hintergrund des schwarzafrikanischen Bereichs zu suchen, aber auch vor einer Hermeneutik der Traditionen. Das eine Verfahren verschließt die wirkliche Untersuchung über die Grundprobleme der Praxis, das andere zielt darauf, eine rationale Vernunft wiederzubeleben, die dem Afrikaner die Anerkennung als Person gewährleisten soll. Für Bidima ist die Frage interessant, wie der Diskurs afrikanischer Philosophen sich zu einer Rede von Macht aufwirft, wie die afrikanische Philosophie zu einem Herrschaftsdiskurs geworden ist, der mit autoritären Kategorien arbeitet. Diesbezüglich schlägt er vor, dass man zunächst die Tendenzen aufklärt, die den afrikanischen philosophischen Diskurs erschüttern. Daraus kann man Begriffe und Konzepte gewinnen, durch die man die erkenntnistheoretisch-politischen Implikationen des Herrschaftsdiskurses erkennen kann. Bidima hält dieses Verfahren für methodisch fruchtbar, weil es erlaubt, vom Studium des Diskurses zur Fragestellung der Bedingungen der Produktion desselben Diskurs zu gelangen. Er plädiert dafür, dass der Ursprung und das Ziel der afrikanischen Philosophie von der Gegenwart her aufgeklärt werden (vgl. Bidima 1995:7). Diese Philosophie wird als "philosophie de la traversée" angesehen, für die Anfang und Endziel keine Rolle spielen (Bidima 1995:124). Gibt es eine kollektive Philosophie und damit Ethnophilosophie? &lt;34&gt; Im Anschluss an die Problematik der Methode stellt sich die Frage, ob es so etwas wie eine kollektive Philosophie gibt. &lt;35&gt; Die einen Wissenschaftler haben zugestimmt, dass es in Afrika Philosophie auf der Ebene des Stammes, eine kollektive Philosophie gibt, die sich alle mehr oder weniger bewusst zu eigen machen. Der Gedanke, dass eine eigentliche Bantu-Philosophie existiert, führte sie dazu, die Grundlinie derselben zu erforschen. Bei Kagame (1956) erschöpft sich der philosophische Diskurs darin, die philosophischen Elemente bzw. Prinzipien in der bantu-ruandesen Kultur zu suchen. Erwartet man von ihm einen philosophisch-afrikanischen Diskurs, so meint er, dass eine Philosophie ohne Denkübung – etwa aristotelischer oder thomistischer Art – nicht als Philosophie gilt. Daher betrachtet er die eigentliche Bantu-Philosophie als ein Ergebnis aus der Bantu-Kultur und der abendländischen klassischen Philosophie. Er begegnet dadurch Tempels, dass er die Bantu-Kultur als Quelle der eigentlichen Bantu-Philosophie bezeichnet und die darin bestehenden philosophischen Materialien zur Bantu-Philosophie zu systematisieren versucht. Mulago (1975) stimmt zu, dass es eine eigentliche Bantu-Philosophie gibt, er stellt sie sich als ein kohärentes und synthetisches System von Kenntnis, Glauben, Institutionen und Sitte vor, auf denen das ganze Bantu-Leben basiert. Weil dieses System durch Intuition des Wirklichen entsteht, wird es als Weltanschauung gekennzeichnet. Makarakiza (1959:3) zweifelt nicht daran, dass es ontologische Voraussetzungen gibt, d.h. Konzeptionen, die alle Barundi akzeptieren und die als erste zu erkennen sind. Diese Voraussetzungen bestehen aus grundlegenden Konzeptionen der Barundi über den Menschen, die Geisterwelt und den Imana, den Höchsten Geist (vgl. Makarakiza 1959:5). &lt;36&gt; Andere lehnen die Idee einer kollektiven Philosophie als mythisch und daher jede Suche nach einer kollektiven, allen Afrikanern gemeinsamen Philosophie, die so genannte Ethnophilosophie, als nicht philosophisch ab. Im folgenden Text beschränke ich mich auf Hountondji (1977) und Bodunrin (1992). Für Hountondji (1977:32-33, 66), der von dem Begriff kollektive Philosophie nicht viel hält, ist die Bantu-Philosophie Tempels ein Mythos, da sie jeden Beweises durch Belege entbehrt. Sie gründet auf der Hypothese einer kollektiven Philosophie (Weltanschauung) oder rekonstruiert idealistisch eine vorausgesetzte kollektive Philosophie. Deswegen wird sie als eine Ethnophilosophie abgelehnt. Jede Philosophie, die mit Bezug auf einen (Volks-)Stamm davon ausgeht, dass dieser über eine kollektive und spontane Weltanschauung verfügt, die rekonstruiert werden soll, ist für ihn unsinnig. Sie ist deswegen verwerflich, weil sie ihre eigene rationale Begründung nicht erbringen kann, sich aber faul hinter der Autorität der Tradition verbirgt und ihre eigenen Thesen und Anschauungen in diese Tradition projiziert. Bodunrin (1992) hält es für einen bloßen Anachronismus, die ursprünglichen Traditionen in die heutige Welt zu übertragen, vorausgesetzt, dass die Veränderungen, die durch den Kolonialismus entstanden sind, das Milieu ausmachen, in dem Afrika heute überleben muss. &lt;37&gt; Die anderen Wissenschaftler versuchen, die Ethnophilosophie nicht von vornherein als nicht philosophisch zu disqualifizieren, sondern brauchbar zu machen. Für Tshiamalenga (1977:45) stellt sich die Frage, ob Ricoeur z.B. ein Ethnophilosoph ist, indem er die in der jüdisch-christlichen Tradition bezeugte Symbolik des Bösen studiert. Im Fall einer Bejahung soll dann jede Philosophie hermeneutischer Restitution als Ethnophilosophie angesehen werden, und damit wird das Wort Ethnophilosophie unschuldig, naiv. Ngoma (1982:46) bestreitet die Kritik, dass es bei einer Untersuchung ethnophilosophischer Tendenz um eine "rétro-jective" Methode geht. Für ihn ist eine "rétro-jective" Vorstellung in jeder hermeneutischen Arbeit allgemein bekannt. Er leugnet nicht, dass es eine der großen Gefahren der Hermeneutik ist, die eigenen Ideen in das Untersuchte zu projizieren. Es kann aber daher nicht geschlossen werden, dass der rekonstruierte Gedanke nur dem Hermeneutiker zuzuschreiben ist. Ist die Bantu-Philosophie zweideutig? &lt;38&gt; Diese Frage erklärt sich dadurch, dass die Bantu-Philosophie Tempels aus der Verflechtung von missionarischer Intention und politischer Motivation entstanden ist. &lt;39&gt; Die einen meinen, dass die Bantu-Philosophie ein Instrument im Dienst der Kolonisation bzw. Zivilisation der Afrikaner ist. Für Hountondji (1977:42) ist die Bantu-Philosophie Tempels eine Darstellung von einem Europäer für andere Europäer, wobei die Bantu nicht selbst an der Debatte teilnehmen, sondern darin nur als Objekt oder Vorwand dienen. Sie soll als solche einerseits die von Europa eingeleitete Zivilisationsmission fördern und andererseits Europa vor dem Missbrauch seiner eigenen technokratischen und materialistischen Zivilisation warnen, indem ihr die edle Spiritualität der primitiven Bantu vorgehalten wird. Der Kolonialherr zivilisiert, aber er kann dies nur schaffen, indem er sich selbst wieder vermenschlicht und seine Seele wieder gewinnt: in dieser doppelten Problematik, die selbst nur als ideologische Problematik des triumphierenden Imperialismus von Bedeutung ist, sieht Hountondji den theoretischen Entwurf der Bantu-Philosophie Tempels eingebettet. Es kommt hinzu (Hountondji 1991:1477), dass die Studie der Weltanschauung des Afrikaners im Buch nicht für sich, sondern als Mittel im Dienst eines höchsten Ziels praktiziert wird: die Anpassung der Katechese. Die Problematik, auf die sich die Bantu-Philosophie Tempels bezieht, ist weder direkt philosophisch noch eigentlich ethnologisch, sondern von pastoraler Bedeutung. Die Studie des Gedankensystems der Bantu sollte erlauben, die christliche Botschaft in eine Sprache und ein Begriffssystem zu übersetzen, die für den Bantu-Taufkandidaten zugänglich sind. In diesem Kontext war die Studie über die primitive Anschauung nichts anderes als ein Zufall. Das eigentliche Ziel Tempels war nicht die Philosophie, sondern etwas anderes: der Dialog mit dem anderen, diesen dazu zu führen, mit ihm einen Glauben, eine Religion zu teilen. Mudimbe (1988:50) betrachtet die Bantu-Philosophie Tempels nicht bereits als eine philosophische Abhandlung; sie sei vielmehr ein Hinweis des religiösen Scharfsinnes, als Ausdruck des kulturellen Zweifels angesichts der vermuteten Rückständigkeit der Afrikaner, und zugleich ein politisches Manifest für eine neue Strategie zur Förderung der Zivilisation und des Christentums. Adotevi (1998:52) bekräftigt, dass es eines der Ziele der Bantu-Philosophie Tempels war, der Zivilisation zu dienen. Gerade diese sollen Bantu aus dem Buch über sie lernen: eine Zivilisation, die ihnen hilft, den Weißen über sie zu erheben. Dies scheint Adotevi eine Ideologie zu sein, die der Bantu-Philosophie Tempels zugrunde liegt und von der Négritude politisch eingesetzt wird. Adotevi (1998:60) verwirft sie deswegen, weil sie praktisch die Kolonisation bzw. Neokolonisation unterstützt. &lt;40&gt; Die anderen relativieren die Kritik, dass Tempels ein Verteidiger der kolonialen Ideologie ist, und versuchen, seine Philosophie vielmehr als politische Philosophie zu deuten. Im folgenden Text beschränke ich mich auf Ngoma (1982). Ngoma (1982:47) sieht in der Bantu-Philosophie Tempels ein theoretisches und politisches Werkzeug mit dem Ziel, die bei der kolonialen Mentalität stets widersprechende Ideologie über den Afrikaner zu zerstören, weil in ihrem Namen Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Ausbeutung praktiziert und gerechtfertigt werden. Mit seinem Buch hat Tempels nicht vor, die fundamentalen und dringenden Probleme des Afrikaners zu verdunkeln, er deckt sie vielmehr tief bis in ihre Wurzel auf und schlägt vor, wie sie gelöst werden können. Seine Hauptintention war zum einen die Befreiung des Weißen von seinen Vorurteilen, zum anderen die Hilfe zur Anerkennung des Afrikaners als Person. Daher denkt Ngoma (1982:48), dass Tempels eine würdige politische Philosophie produziert hat. &lt;41&gt; Angesichts der dargelegten kritischen Wirkungsgeschichte bleibt die Frage, welche Rolle die Bantu-Philosophie Tempels als ganze für die afrikanische Philosophie spielt. Tempels und die afrikanische Philosophie &lt;42&gt; Viele bejubeln die Bantu-Philosophie als ein notwendiges und unverzichtbares Werk: Diop (1947) preist sie als ein notwendiges Buch für den Afrikaner, für sein Selbstbewusstwerden, sein Bedürfnis, sich im Verhältnis zu Europa zu definieren. Er plädiert dafür, dass es das Lieblingsbuch für diejenigen sein soll, die den Afrikaner verstehen und mit ihm ins Gespräch kommen wollen. Wenn Kagame (1956:8, Fußnote 2) seine Studie nicht Metaphysik, sondern Philosophie des Seins betitelt, will er damit den Leser auf die Bantu-Philosophie Tempels aufmerksam machen. Selbst ein Muntu, hat er dasselbe Thema behandelt, um die Begründungen der Theorie von Tempels zu überprüfen. Mbiti (1974:14) schreibt Tempels als Verdienst zu, den "Weg für eine einfühlende Erforschung der Religionen und Denkstrukturen Afrikas" freigemacht zu haben. Malula (1980:304) feiert Tempels als Vater der Bantu-Philosophie oder genauer als einen großen Pionier derselben. Ngoma (1982:42) bezeichnet das Erscheinen der Bantu-Philosophie als ein wirkliches Ereignis im modernen Schwarzafrika, es markiert dort den Anfang der schriftlichen philosophischen Produktion. &lt;43&gt; Andere wollen eine neue Perspektive eröffnen und zeigen sich als sehr kritisch. Duala-Mbedy (1982: 5) betont, dass die afrikanische Philosophie weder der Bantu-Philosophie Tempels noch den daraus entstehenden spontanen Philosophien ihre Existenz verdanken kann. Ngal (1982: 6) bedauert, dass die Bantu-Philosophie Tempels nicht selten nur aus der Sicht der abendländischen philosophischen Tradition heraus beurteilt wird. Es muss eine Grundlage gefunden werden, die jeder Philosophie allgemein ist, egal ob sie abendländisch, chinesisch, griechisch, hinduistisch oder sonst irgendeine ist. Hountondji (1991:1472-3, 1475) ist erstaunt, wie großartig die Bantu-Philosophie Tempels indirekt gewirkt hat, bis eine Tradition – die ethnophilosophische – um sie herum gegründet worden ist. Zu dem Effekt Tempels rechnet er nicht nur diese Tradition, sondern auch die ganze Debatte über die afrikanische Philosophie, insofern sie sich der Bantu-Philosophie anschließt. Die Bantu-Philosophie wird angesichts der erstaunlichen Wirkung als der absolute Anhaltspunkt in der Geschichte der afrikanischen philosophischen Forschung anerkannt. Die Originalität Tempels besteht nach Hountondji (1991:1476) darin, nicht nur die Problematik einer Bantu-Philosophie hervorgehoben, sondern auch eine lange Diskussion über die Bedeutung und die Grenzen derselben Problematik angeregt zu haben. Das heißt, die Problematik, ob die Ethnophilosophie der einzige Weg für die Untersuchung der afrikanischen Philosophie ist. Dennoch hält Hountondji (1991:1478) die Bantu-Philosophie Tempels für eine zufällige Abhandlung, und kennzeichnet den Erfolg Tempels als paradox: "Ses faiblesses furent sa force, son inconsistance théorique, la raison même de son impact". Bidima (1993:176) betont, dass für die afrikanischen Philosophen die Philosophie in Afrika sich um Tempels dreht: die einen wie die anderen haben versucht, ihn entweder zu rechtfertigen oder abzulehnen. Abgelehnt oder gerechtfertigt ist er unumgehbar. Nach Bidima (1995:9-10, 12) haben Afrikaner nicht auf Tempels gewartet, um zu philosophieren, aber sein Werk, herausfordernd und vieldeutig zugleich, hat im 20. Jahrhundert zu Polemik und Erstellung vieler theoretischer Werke herausgefordert. Er hat die daraus entstandenen Diskussionen veranlasst, aber nicht verursacht. Bidima sieht den Grund des Philosophierens in Afrika nicht in Tempels, sondern in der Fragestellung über die historische Stellung des Afrikaners. Eine Bemerkung zum Schluss &lt;44&gt; Was als afrikanisch gelten soll, lässt sich nicht von vornherein festlegen, sondern angesichts der immer wieder neu auftretenden, verantwortungsvoll zu bewältigenden Herausforderungen in der Geschichte Afrikas. Damit ist eine effektive Zeitanpassung erforderlich; man soll die Chance haben, den neuen Herausforderungen gewachsen zu sein und sich zur Bewältigung derselben die richtigen Mittel zu finden. Wird häufig das, was afrikanisch ist, auf die vorkoloniale Zeit beschränkt, und es mit den Tatsachen wie Solidarität, Sicherheitsgefühl in der Familie, Gastfreundschaft, Leben in Gemeinschaft, Religiosität usw. verbunden, ist dies alles eine faszinierende Vorstellung, die sich in der Vergangenheit vermutlich tatsächlich bewährt hat, gegenwärtig aber sich als von der Wirklichkeit entfernt zeigt. Wenn seit Jahrzehnten immer wieder versucht wird, das eigentlich Afrikanische zu bestimmen und hervorzuheben, so liegt offenbar der Grund dafür in der dramatischen Geschichte Afrikas, in den unvergesslichen, historischen Gegebenheiten wie Sklaverei oder Kolonisation, und zwar deswegen, weil dadurch die Identität Afrikas als solche, mehr noch: die Humanität der dortigen Einheimischen verleugnet, sogar zunichte gemacht wird. Indem es darum geht, diese Identität bzw. Humanität wieder zu finden und neu zu beleben, bleibt auch der afrikanischen Philosophie nichts anderes übrig, als sich mit der Rekonstruktion afrikanischer Vergangenheit zu beschäftigen und sich dabei der Hermeneutik zu widmen: die afrikanische Weltanschauung in einem klaren Überblick zu verfassen und dennoch dem grundlegenden Anspruch des philosophischen Geschäfts nachzukommen. Ein bloßer ideologischer Diskurs ist noch keine Philosophie, solange dabei der philosophische Akzent nicht klar genug erfasst ist. Deshalb wünschte man sich für Afrika nicht nur eine traditionelle Philosophie, die als solche derjenigen von Tempels vorausgeht, sondern auch, je nachdem, eine Philosophie in afrikanischen Sprachen, eine durch die Methode der Hermeneutik inspirierte Philosophie, eine nach dem philosophischen Diskurs und dessen Forderungen ausgerichtete Philosophie, eine auf die Befreiung und Entwicklung Afrikas gerichtete Philosophie, nicht zuletzt eine Philosophie, die das afrikanische Wesen zugänglich machen soll. Ist das eigentlich Afrikanische das Ideal für die afrikanische Philosophie, so geben ihr die afrikanischen Traditionen (Institutionen, Soziologie) sowie die afrikanischen Gegebenheiten von Kultur, Leben und Denken das Material oder Objekt zum Nachdenken; wie sie es dann methodisch behandelt, entscheidet darüber, ob sie es verdient, als afrikanisch-philosophisch gekennzeichnet zu werden. Da traditionelle Werte von gewissen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen abhängig waren, deren Veränderung Folgen auf die Werte hatte, ist es Unsinn, sich eine afrikanische Philosophie zu wünschen, die sich mit der Aufnahme traditioneller Werte zufrieden gibt. Vielmehr soll sie darauf eingehen, Grundlegungen wirklich menschlicher Einfühlsamkeit offenzulegen und, indem sie fundamentale Optionen aufdeckt, jeden Menschen oder jedes Volk zu seiner Verantwortung zurückzubringen. &lt;45&gt; Aus dieser Perspektive kann die Bantu-Philosophie Tempels nicht einfach abgeschrieben werden: Obwohl sie im Kontext der afrikanischen Philosophie nicht als ihr Endpunkt, sondern vielmehr als eine Station in ihr anzusehen ist, bleibt sie dabei für die afrikanische Philosophie der Gegenwart unumgehbar. Ihre Bedeutung lässt sich erst erschließen, wenn man sie im geschichtlichen und intellektuellen Kontext ihrer Entstehung hinterfragt. 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