Zahlwörter, Allquantor und Demonstrativum in nomenferner Position [1]
urn:nbn:de:0009-0-46841
Zusammenfassung
Im Zande können der Allquantor, Zahlwörter und das Demonstrativum nicht nur direkt nach dem Nomen, sondern auch in nomenferner Position stehen. Dort haben der Allquantor und Zahlwörter eine zusätzliche adverbiale Funktion, während das Demonstrativum die vorangehende, durch einen Nebensatz erweiterte Nominalphrase als Nominale markiert.
Abstract
In Zande the universal quantifier, number words and the demonstrative occur not only in noun-adjacent position, but also in non noun-adjacent position. Here the universal quantifier and number words have also an adverbial function, while the demonstrative marks the preceding noun-phrase, which is extended by a subordinate clause, like a normal noun phrase.
Résumé
En Zande le quantificateur universel, les numéraux et le démonstratif se trouvent non seulement dans la position régulière à la fin du syntagme nominal, mais aussi plus éloigné, à la fin de la phrase. En dessus de leur fonction originelle, les numéraux et le quantificateur universel y exercent une fonction adverbial. Le démonstratif cependant, se trouve à la fin d’un syntagme nominale modifiée par une phrase subordonnée qui dans ce syntagme fonctionne comme une apposition.
<1>
Im Zande stehen häufig Numeralia, der Allquantor und das Demonstrativum, Elemente die standardmäßig auf das Nomen folgen, außerhalb der Nominalphrase, d.h. in nomenferner Position. Allquantoren können in vielen Sprachen der Welt sowohl in nomennaher als auch in nomenferner Position stehen (1a,b, 2a,b, 3a,b), d.h. fernab des Nomens, das sie quantifizieren bzw. determinieren. Nomenferne Zahlwörter sind dagegen bislang nur im Japanischen (Kobuchi-Philip. 2007) und Koreanischen (Kang 2002) belegt, nomenferne Demonstrative sind aus anderen Sprachen aber nicht bekannt.
(1) |
a |
Französisch |
Toutes les filles vont à l'école. |
b |
Les filles vont toutes à l'école. |
||
(2) |
a |
Englisch |
All girls go to school. |
b |
The girls go all to school. |
||
(3) |
a |
Deutsch |
Alles Eis ist geschmolzen. |
b |
Das Eis ist alles geschmolzen. |
<2>
Die nomenferne Position von Quantoren ist insbesondere in Bezug auf europäische und asiatische Sprachen untersucht worden, nicht aber in Bezug auf afrikanische Sprachen. Dabei findet man auch hier vergleichbare Konstruktionen, wie die Beispiele aus dem Swahili (4a, b) zeigen.
(4) |
a |
Swahili |
Wa-toto |
w-ote |
wa-na-ku-enda |
shule |
2-Kind |
2-all |
2-PRÄS-INF-geh |
Schule |
|||
Alle Kinder gehen zur Schule |
||||||
b |
Watoto wanakuenda wote shule |
|||||
Die Kinder gehen alle zur Schule. (Omar Babu, pers. Komm.) |
<3>
Ausgehend von der Annahme, dass Sätze wie (1b, 2b, 3b) sich aus zugrunde liegenden Sätzen wie (1a, 2a, 3a) herleiten lassen und dass der Allquantor aus der nomennahen Position in den jeweils ersteren Sätzen nach rechts an die nomenferne Position geschwebt ist (s. Bobaljik 2001: 1ff, Spector 2009) sprechen einige Vertreter der Generativen Grammatik von 'schwebenden Quantifikatoren' (floated/floating quantifiers). Eine zweite Erklärungsmöglichkeit für das Auftreten der genannten Elemente in nomennaher und nomenferner Position liefert Sportiche (1988). Er geht davon aus, dass die Nomina sich von ihrer ursprünglichen Position weg bewegt haben, während die Quantifikatoren dort zurück geblieben sind (stranded). Die erste Hypothese liefert Erklärungen für die adverbialen Funktionen, die Allquantoren und Numeralia in nomenferner Position angenommen haben, die zweite für die Konkordanzmarkierungen, die sich von der an nomennaher Quantoren nicht unterscheidet.
<4>
Statt von einer Verschiebung aus seiner Grundposition heraus wird hier davon ausgegangen, dass der Allquantor, die Numeralia und das Demonstrativum Wortarten sind, die im Zande verschiedene Positionen im Satz einnehmen können, in denen sie unterschiedliche Funktionen ausüben. Um dem außerhalb des generativen Grammatikmodells irreführenden Eindruck vorzubeugen, dass die entsprechenden Elemente von einer ursprünglichen Position in eine neue verschoben werden, vermeide ich die Begriffe 'fließend' bzw. 'schwebend'. Stattdessen spreche ich von der nomenfernen (non noun-adjacent) Position von Qantifikator, Numeralia und Demonstrativum bzw. von deren nomennaher (noun-adjacent) Position.
<5>
Das Auftreten von Allquantor und Zahlwörtern aber auch dem Demonstrativum in nomenferner Position im Zande ist Gegenstand dieser Untersuchung, die wie folgt gegliedert ist. Kapitel 2 gibt eine kurze typologische Beschreibung des Zande, Kapitel 3 beschreibt die Verwendung von Allquantor, Numeralia und Demonstrativum innerhalb der Nominalphrase, Kapitel 4 untersucht sie in Positionen außerhalb der Nominalphrase. Der Gebrauch des Demonstrativums außerhalb der Nominalphrase wird in Kapitel 5 behandelt und in Kapitel 6 werden Schlussfolgerungen gezogen.
<6>
Zande ist eine Ubangi-Sprache, deren Hauptverbreitungsgebiet im Dreiländereck DR Kongo, Sudan und Zentralafrikanische Republik liegt (s. Karte 1). Während die Sprache im 18. Jahrhundert, zur Zeit des Zande-Reiches, eine weitverbreitete Verkehrssprache war (Bokamba 2008: 220), hat sie diese Funktion heute weitgehend verloren, und die Zande benutzen die regionalen Verkehrssprachen und die importierten Amtssprachen der jeweiligen Länder: Arabisch und Englisch in Sudan, Swahili und Lingala sowie Französisch in DR Kongo und Sango und Französisch in der ZAR.
<7>
Mit einer Reihe von ausführlichen strukturalistischen Grammatiken (Lagae 1921, Gore 1926, Boyd 1980) galt die Sprache schon seit dem 2. Drittel des 20. Jahrhunderts als recht gut beschrieben. Nach dem zweiten Weltkrieg und vor allem dem Ende des Kolonialzeit erlosch das Interesse an der Sprache und erste funktionalistische Untersuchungen erfolgten erst viele Jahrzehnte später (Claudi 1985, Boyd 1995, 1998, Pasch 2007, 2011a, 2011a, b).
Karte 1: Das Verbreitungsgebiet des Zande |
|
Quelle: http://www.azandeorganization.org/Map1.gif (19.09.2007) |
<8>
Zande hat 8 Vokalphoneme /į, i, e, ä, a, o, u, ų/. Es gibt sowohl lexikalischen als auch grammatischen Ton, die aber noch nicht vollständig analysiert wurden. Die Silbenstruktur ist [KV]K(w)V. Die Nominalmorphologie zeichnet sich durch reiche Derivations- und Kompositionsmöglichkeiten aus, außer den Pluralpräfixen gibt es aber keine Nominalflexion. Es gibt vier Genera, die nur durch anaphorisch verwendete Pronomina angezeigt werden. Ein komplexes TAM-System und eine Reihe von Extensionssuffixen bestimmen die Verbmorphologie. Die Wortreihenfolge ist SVO, wobei unter bestimmten Bedingungen die Reihenfolge von Subjekt und Verb invertiert wird. Die Struktur der Nominalphrase zeigt eine Verteilung von prä- und postnominalen Determinatoren, Modifikatoren und Quantoren, wie sie in den Sprachen der Welt eher ungewöhnlich, für Ubangi-Sprachen aber typisch ist. So gehen beispielsweise der Definitheitsmarker (5), Adjektive (5), 'ander' (6) der alienable Possessivmarker ga (7) und der Quantifikator dungu 'viele' (10) dem Nomen voraus, während Numeralia (7, 12), der Allquantor du(nduko) 'all' (8) und das Demonstrativum (9) dem Nomen folgen. Kombinationen sind möglich, wenngleich nicht alle Elemente mit allen anderen kombiniert werden. Die unmarkierte Reihenfolge von Konstituenten innerhalb der Nominalphrase sieht wie folgt aus:
pl-def |
+ |
'ander' |
+ |
'viele' |
+ |
(pl-)adj |
+ |
pl [2]-Nomen |
+ |
num |
+ |
'all' |
+ |
dem |
Diese Positionen werden in den vorhandenen Grammatiken beschrieben (cf. Gore 1916: 23, 39f; Lagae 1921: 89) und sie finden sich üblicherweise in elizitierten Beispielen.
(5) |
A-gu-yo |
du |
ti |
unga |
ani |
dungura |
gu |
a-pai |
dunduko |
pl-def.d-3p |
sein |
an |
Leben |
1sg.1 |
sammel |
def.d |
pl-Sache |
all |
|
rogo |
bakiri |
buku |
sa |
du |
limo-ho |
nga |
"Bangassu |
na-fura." |
|
in |
groß |
Buch |
eins |
sein |
Name-inan.2 |
kop |
B. |
II-erzähl |
|
Diejenigen (von ihnen), die noch leben, wir haben alle Geschichten (Sachen) in einem großen Buch "Bangassou erzählt" gesammelt. (Mbolifouye & Pasch 2013) |
(6) |
Si |
na-ngia |
a-kpura, |
a-giti, |
a-bamburo, |
inan.1 |
II-be |
Akpura |
Agiti |
Abamburo |
|
na [3] |
kura |
dungu |
a-ngbatunga |
berewe |
|
und |
ander |
viele |
pl-Klan |
erneut |
|
Es waren die Akpura, die Agiti, die Abamburo und viele weitere Klans. (Evans-Pritchard 1956) |
<9>
Das Zande weist zudem eine Reihe von grammatischen Strukturen auf, die man in dieser Sprachgruppe und in ihrem Verbreitungsgebiet zunächst eher nicht erwartet. Dazu gehören die Vokalharmonie [4] (Tucker 1959: 143f, Tucker & Bryan 1966: 141f, Boyd 1997), ein pronominales Klassensystem mit vier Genera (Claudi 1985) sowie wie die resumptiv verwendeten Pronomina, die den im westlichen Zentralafrika verbreiteten 'Copy Pronouns' ähnlich sind (Pasch 2011). Weiterhin gehört dazu die Möglichkeit, die postnominalen Elemente Allquantor, die Zahlwörter sowie das Demonstrativum außerhalb der Nominalphrase ans Satzende zu positionieren, was Thema dieses Artikels ist.
<10>
In der Mehrzahl der Fälle stehen Zahlwörter, Allquantor und Demonstrativum allein am Ende der Nominalphrase, über die sie Skopus haben (7, 8, 9).
(7) |
… ko |
ki |
fu |
gimi |
a-de |
ue, |
3m |
seq |
geb |
mein |
pl-Frau |
zwei |
|
… und er gab [mir] meine beiden Ehefrauen. (Evans-Pritchard 1963) |
(8) |
A-soeur |
na-kpara |
fu |
Mbori |
na |
nyamu |
na |
uru |
du(nduko). |
pl-Schwester |
II-bet |
für |
Gott |
an |
Abend |
an |
Tag |
all |
|
Die Schwestern beten jeden Tag am Abend zu Gott. (gehört in Bangassou) |
(9) |
gi |
ngua |
re |
a-du |
na |
yaro |
ti |
ni … |
|
def.p |
Baum |
dem |
III-sein |
mit |
Loch |
an |
anaph |
||
yaro |
ki |
du |
sande |
pati |
a-gu |
a-ngua |
re. |
||
Loch |
seq |
sein |
Boden |
neben |
pl-def.d |
pl-Baum |
dem |
||
Dieser Baum hatte ein Loch (an sich) und es gab auch ein Loch im Boden |
Sie können problemlos mit pränominalen Possessivkonstruktionen (7, 11, 12), Quantoren (10), und Modifikatoren (7, 11) kombiniert werden [5]. Das Demonstrativum verlangt sogar unbedingt ein vorangehendes Determinativum (9, 10, 11), während letzteres auch ohne Demonstrativum auftreten kann (12), vor allem in Verbindung mit dem Allquantor. Beispiel (5, 12) belegt, dass Zahlwörter in der Nominalphrase dem Allquantor vorangehen und (13) dass das Demonstrativum diesem folgt und die Nominalphrase schließt.
(10) |
gi |
dungu |
yo |
re |
dunduko |
def.p |
viele |
3pl |
dem |
all |
|
diese Vielen alle |
(11) |
kina |
gi |
ga-ko |
mbiro |
re |
ti |
bangiri-ko |
genau |
def.d |
poss-3m |
Asche |
dem |
an |
Auge-3m |
|
… genau diese seine Asche auf sein Auge (Evans-Pritchard 1966) |
<11>
Die postnominalen Numeralia, der Allquantor und das Demonstrativum können innerhalb der Nominalphrase miteinander kombiniert werden (12, 13), wenngleich das nur selten geschieht. Es ist wichtig festzustellen, dass alle drei in dieser Position Skopus über den vorangehenden Teil der Nominalphrase haben.
(12) |
Mo |
ye |
na |
gu |
ga-ko |
nyanyaki |
a-boro |
bawe |
dunduko. |
2sg.1 |
komm |
mit |
def.d |
poss-3m |
stark |
pl-Person |
zehn |
all |
|
Bring all die zehn starken Männer von ihm. (Gore 1926: 39) |
(13) |
a-gu |
a-liahẽ |
dunduko |
re, |
Tule |
na-gwali, |
pl-def.d |
pl-Essen |
all |
dem |
T. |
II-aufbrech |
|
ki |
dungura |
tunga |
a-liahẽ |
ku |
be-ko; |
|
SEQ |
sammel |
Samen |
PL-Essen |
DIR |
Hand-3sg |
|
Diese ganzen Nahrungsmittel, Ture war aufgebrochen |
<12>
In nomenferner Position zeigen die Numeralia und der Allquantor ähnliche Verhaltensmuster (Pasch in Druck), die sich von denen des Demonstrativums deutlich unterscheiden, weshalb sie getrennt davon diskutiert werden. Sie folgen der Verbalphrase und stehen somit oft am Satzende, eine Position, die üblicherweise von Adverbien ausgefüllt wird. Gore (1926: 129) fällt das Phänomen zwar auf, er gibt aber keine Erklärung dafür, sondern beschränkt sich auf den Hinweis: "Note position of numeral after the verb."
Die nomenferne Position können Numeralia und der Allquantor sowohl einnehmen, wenn sie das Subjekt quantifizieren (14 - 16) als auch, wenn sie das Objekt quantifizieren (19 - 21). Im ersteren Falle haben der Allquantor und die Zahlwörter Skopus nicht nur über das Subjekt, sondern quasi als Adverb auch über das Verb.
<13>
In Beispiel (14) besagt das Zahlwort sa nicht nur, dass es einen Waisenjungen in der Jagdgesellschaft gibt, sondern es unterstreicht sein Alleinsein, dass er alleine auf sich gestellt ist und ausgegrenzt wird. In Beispiel (15), drückt das nomenferne Zahlwort ue aus, dass die beiden Frauen "zu zweit" losgehen, um gemeinsam Fisch zu fangen, und nicht dass zwei Frauen zufällig gleichzeitig losgehen, um zu fischen. Biata in Beispiel (16) bringt zum Ausdruck, dass trotz einer langen und anstrengenden Jagd, an der viele Personen beteiligt waren, die gesamte Beute aus nicht mehr als drei erlegten Büffeln bestand. Während sie in nomennaher Position Teil der gegebener Information sind, liefern der Allquantor und die Numeralia in nomenferner Position also die zusätzliche Information, dass die Partizipanten zwar als Gruppe agieren bzw. als Gruppe perzipiert werden, dass sie aber gleichzeitig auch als als Individuen oder individuierte Dinge betrachtet werden. Sie teilen zwar Rechte oder etwas anderes für den aktuellen Diskurs Relevantes, verfolgen dabei aber durchaus individuelle Interessen. In Beispiel (17) bringt dunduko zum Ausdruck, dass alle Krieger zwar in gleicher Weise Boys hatten, dass aber jeder einzelne von ihnen, den Boy für seine individuellen Bedürfnisse und seine eigene Karriere nutzte. In Beispiel (18) quantifiziert es die Zande als ethnische Gruppe und gleichzeitig die Tatsache, dass unter ihnen keiner einziger dem anderen in Bezug auf die Praxis des Kannibalismus nachstehen wollte, dass sich darin alle gleich waren.
(14) |
Wiri |
gude |
a-du |
fuo-yo |
sa |
na-ngia |
wirinyaure. |
klein |
Junge |
III-sein |
hinter-3pl |
eins |
II-kop |
Waisenkind |
|
Ein Junge war (alleine) unter ihnen, der ein Waise war. (Evans-Pritchard 1966) |
(15) |
Si |
du |
a-de |
a-guari |
ti-ni |
ue |
inan.1 |
sein |
pl-Frau |
III-aufbrech |
an-anaph |
zwei |
|
ndu |
ka |
gara |
ime |
|||
geh |
sub |
schöpf |
Wasser |
|||
Deshalb brachen die Frauen zu zweit auf, um zu fischen. (Evans-Pritchard 1966) |
(16) |
A-gbe |
ki |
kpi |
gbua |
biata. |
pl-Büffel |
seq |
sterb |
nur |
drei |
|
Nur drei der Büffel starben. (Evans-Pritchard 1966) |
(17) |
a-gu |
a-paranga |
du |
ngbanga |
yo |
dunduko |
|
pl-def.d |
pl-Krieger |
sein |
Hof |
dort |
all |
||
i |
na |
kina |
ga-yo |
a-kumba-gude |
du. |
||
3pl |
und |
genau |
poss-3p |
pl-Mann-Kind |
sein |
||
Die jungen Krieger am Hof, [6] sie hatten ihre Boys. (Evans-Pritchard 1963) |
(18) |
Mbata |
a-zande |
a-mbedi |
ka |
lengba |
a-lengba |
früher |
pl-Zande |
III-s.nähern |
sub |
gleich.sein |
III-gleich.sein |
|
na-li |
a-boro |
dunduko. |
||||
II-ess |
PL-Person |
all |
||||
Früher pflegten die alle Azande Menschen zu essen. [7] (Evans-Pritchard 1956) |
<14>
Es finden sich nur vereinzelte Beispiele, in denen nomenferne Zahlwörter (19) Objekte quantifizieren. Die Quantifizierung von Objekten durch den nomenfernen Allquantor ist dagegen vielfach belegt (20, 21). Auch pronominale Objekte können auf diese Weise quantifiziert werden 20).
(19) |
A-gbio-re |
na-guari |
ki |
fu |
baga |
ugu |
buda |
biama, |
pl-Schwager-1sg.2 |
II-start |
seq |
geb |
Korb |
trocken |
Bier |
vier |
|
Meine Schwäger gaben (ihm) vier Körbe mit Malz / vier Mal einen Korb mit Malz. (Evans-Pritchard 1963) |
(20) |
Ka |
si |
ni |
du |
wa |
Ndukpo |
a-manga-rani |
no |
gbebere |
sub |
inan.1 |
anaph |
sein |
wie |
N. |
III-mach-1pl.2 |
hier |
schlecht |
|
ka |
i |
gumba-a |
fo-ro |
dunduko [8] |
|||||
sub |
3pl |
tell-inan.2 |
für-2sg.2 |
all |
|||||
Im FaIle dass Ndukpo uns schlecht behandelt hätte, hätte man dir das alles berichtet. (Evans-Pritchard 1963) |
(21) |
Gu |
na-ri |
re |
ki |
ni-roko |
def.d |
Mutter-3f |
dem |
seq |
X-sammel |
|
gu |
ga-ri |
a-tio |
re |
dunduko |
|
def.d |
poss-3f |
pl-Fisch |
dem |
alle |
|
Ihre Mutter sammelte dann alle deren Fische [die er Tochter] (vollständig) ein. |
<15>
In dieser Konstruktion haben die Quantifikatoren Skopus nicht nur über das Objekt sondern auch über das Verb, d.h. dass das Zahlwort nicht nur das Objekt quantifiziert, sondern auch die Handlung des Verbs. So wird in Beispiel (19) nicht die einfache Übergabe von vier Körben mit Malz beschrieben, sondern dass das Überreichen von Malz in bis zu vier Ereignissen stattgefunden hat. Dunduko in Beispiel (20) sagt nicht nur etwas über die Menge und Vollständigkeit der Informationen, die gegebenenfalls gegeben worden wären, sondern auch über den Umfang der Berichterstattung, und in Beispiel (21) beschreibt es sowohl die gesamte Menge der Fische der Tochter als auch das vollständige Einsammeln derselben durch die Mutter.
<16>
Da Objektnomina ohnehin dem Verb folgen, ist die nomenferne Quantifizierung von Objekten nur da möglich, wo direkt auf das quantifizierte Nomen nicht am Satzende steht. Vielmehr muss, damit die nomenferne Position überhaupt wahrnehmbar ist, noch etwas folgen und die Nominalphrase schließen. Das kann ein Attribut sein wie ugu buda 'Malz' in Beipiel (19), ein weiteres Argument, fo-ro 'dir/für dich' (20) oder das Demonstrativum re (21), das ja sonst innerhalb einer Nominalphrase dem Allquantor folgt.
<17>
Gibt es für nomenferne Allquantoren in vielen Sprachen vergleichbare Konstruktionen und für nomenferne Numeralia solche immerhin in zwei asiatischen Sprachen, so ist bislang noch keine Sprache bekannt, in der das Demonstrativum außerhalb der Nominalphrase stehen kann.
<18>
Anders als Numeralia und der Allquantor nimmt das Demonstrativum im Zande in nomenferner Position keine adverbiale Funktion an, sondern es markiert eine Erweiterung der Nominalphrase, die es abschließt. Dabei geht es aber nicht nur um einfache Erweiterungen um weitere Argumente wie in Beispiel (22b), sondern auch um Erweiterungen durch Sätze, mehrheitlich Attribut- und Relativsätze, aber auch Adverbialsätze. Gore (1926:37) weist schon auf die Möglichkeit hin, das Demonstrativum hinter ein Adjunkt zu stellen, erkennt aber keinen Bedeutungsunterschied zwischen den beiden Formen, sondern präsentiert sie als bedeutungsgleich. Das erscheint aber eher darauf hinzudeuten, dass der Unterschied in der Bedeutung nur schwer abzufragen ist, als dass es sich wirklich um bedeutungsgleiche Konstruktionen handelt.
(22) |
a |
mo |
fu |
gi |
bakere |
gita |
re |
fu-ko |
2sg.1 |
geb |
dem.p |
groß |
Hacke |
dem |
für-3m |
||
Gib ihm diese große Hacke. |
||||||||
vgl. |
b |
mo |
fu |
gi |
bakere |
gita |
fu-ko |
re |
Tucker (1959: 146) gibt ein Beispiel für ein nomenfernes Demonstrativum in einem negativen Satz (23), erwähnt aber nur am Rande, dass das Demonstrativum auf die Negationspartikel folgt.
(23) |
a |
gù |
gbíá |
hõ̀ |
té |
rè |
def.d |
König |
hier |
neg |
dem |
||
Das ist nicht dieser König. |
<19>
Die meisten Beispiele für nomenferne Demonstrative finden sich im Kontext von Attribut- und anderen Relativsätzen, die in den von Evans-Pritchard aufgezeichneten Geschichten gefunden wurden. Hierbei muss betont werden, dass Relativsätze nicht notwendigerweise durch Definitheitsmarker und Demonstrativum markiert werden. [9] Die Attributsätze haben die Equationskopula nga (24) bzw. die orts- und präsenzanzeigende Kopula du (25, 26). Das durch das Demonstrativum bestimmte Bezugsnomen fungiert als das zugrunde liegende Subjekt der Kopula (24, 25). Werden nun die Attributsätze als Nominale interpretiert (vgl. Halliday 1995: 264), die wie eine Apposition dem Nomen folgen, ergibt sich für die Nominalphrasen der modifizierten Bezugsnomina die Struktur: DEF + N + APP + DEM, die der im Abschnitt 2. Gezeigten unmarkierten Reihenfolge entspricht.
(24) |
ono |
gu |
pai |
nga |
li |
boro |
re … |
aber |
def.d |
Sache |
kop |
ess |
Person |
dem |
|
Aber diese Sache, Menschen zu essen, … (Evans-Pritchard 1956) |
(25) |
mo |
moi-e |
dagba |
a-gu |
a-e |
du |
dimo |
yo |
re |
2sg.1 |
platzier-inan.2 |
zwischen |
pl-dem.d |
pl-Ding |
sein |
Haus |
dort |
dem |
|
Leg es zwischen die Dinge, die dort im Haus sind (Gore 1926: 104) |
<20>
Aus der Identitäts-/Qualitätskopula nga hat sich eine grammatikalisierte Form entwickelt, die als qualitätsanzeigende Präposition [10] verwendet wird, und aus der Lokativkopula du eine wenig spezifische Lokalpräposition, 'an, bei, in, auf'. Das erlaubt die Interpretation der determinierten Nominaphrasen in den Beispielen (25) und (26) als durch Attributsätze oder als durch Adverbiale erweitert. In jedem Falle haben sie, wenn man die Erweiterungen als Nominale interpretiert, die Struktur DEF + Nominale + DEM. In Beispiel (26) kann du jedoch nicht als Präposition verstanden werden, sondern nur als Kopula. Wenn aber hier der lokative Relativsatz ngbapia du 'es gibt/da ist eine Wasserscheide' als Nominale interpretiert wird, liegt wieder die Konstruktion aus DET Nominale DEM vor.
(26) |
Ko |
guari |
ka |
ye |
ka |
nyaka-sa-roni |
ti |
3m |
aufbrech |
sub |
komm |
sub |
stärken.Kaus-2p.2 |
an |
|
gi |
ngbapia [11] |
du |
re. |
||||
def.p |
Wasserscheide |
sein |
dem |
||||
Lass uns aufbrechen und euch an dieser Grenze Verstärkung bringen |
Die übrigen Relativsätze sind restriktiv und haben Vollverben (27- 30). In allen vorliegenden Beispielen ist das Bezugsnomen Objekt des Verbs im Relativsatz, wird aber dort nicht explizit aufgeführt. Betrachtet man diese Sätze wieder als Nominale, liegen auch hier Nominalphrasen vor mit der Struktur DET + N + APP + DEM.
(27) |
ono |
kina |
gi |
bakinde |
i |
ni-fu |
fu-yo |
re … |
aber |
genau |
def.p |
Maniokbrei |
3pl |
X-geb |
für-3pl |
dem |
|
Aber genau dieser Maniokbrei, den sie ihnen immer gaben … (Evans-Pritchard 1963) |
(28) |
gu |
kumba |
oni |
a-bi-ko |
a-bi |
re |
gumba-limo |
du, |
dem.d |
Mann |
2pl.1 |
III-seh-3m |
III-seh |
dem |
erzähl-Name |
sein |
|
Dieser Mann, den ihr gesehen habt, er ist ein Jammerer. (Evans-Pritchard 1974) |
(29) |
gi |
biriki |
mi |
a-kai |
ku |
ti |
ngbadu-re |
re … |
def.p |
Betrug |
1sg.1 |
III-verberg |
dir |
in |
Herz-1sg.2 |
dem |
|
Diese Täuschung, die ich in meinem Herzen verberge …(Evans-Pritchard 1974) |
(30) |
mi |
ki |
ya |
mi |
gi |
gu |
pai |
bakure-mi |
a-gumba |
re, |
1sg |
seq |
sag |
1sg.1 |
hör |
dem.d |
Sache |
Blutsbruder-1sg.1 |
III-erzähl |
hier |
|
Wenn ich höre, was mein Blutsbruder sagt … (Evans-Pritchard 1974) |
<21>
Außer Attribut- und Relativsätzen, können auch Temporalsätze mit dem Demonstrativum re beendet werden. In Beispiel (31) wird Temporalität nicht durch eine Konjunktion zum Ausdruck gebracht, sondern durch das Verb ta (< ta 'schreiten' [12]). Es zeigt eine zeitliche Verbindung zwischen der Aktionen des folgenden semantischen Hauptverbs und dem Verb im Folgesatz an, die Boyd (1995: 181) als gleichzeitig oder unmittelbar aufeinander folgend beschreibt.
(31) |
Gi |
gude |
ki |
ta |
onga |
re, |
def.p |
Kind |
seq |
schreit |
ruhig.sein |
dem |
|
Ture |
ki |
ni-zubo |
ni |
oto. |
||
T. |
seq |
X-wegrenn |
Art.u.Weise |
Schnelligkeit |
||
Kaum dass der Junge ruhig geworden war, machte sich Ture eiligst davon. (Evans-Pritchard 1965) |
<22>
Allquantor, Zahlwörter und das Demonstrativum, die in der Nominalphrase dem Nomen folgen bwz. die am Ende der Nominalphrase stehen, finden sich auch in nomenferner Position am Satzende. Dabei quantifizieren bzw. determinieren erstere beide das Subjekt- bzw. das Objektnomen, so wie auch in der nomennahen Position tun, und haben zudem eine adverbiale Funktion, was durch die Erweiterung des Skopus über das Verb bedingt ist. Das nomenferne Demonstrativum dagegen hat keine adverbiale Funktion, sondern nur eine syntaktische: Es steht am Ende einer Nominalphrase, die durch einen Nebensatz erweitert ist, der die Funktion eines nominalen Attributes hat. Somit steht das nomenferne Demonstrativum doch am Ende der Nominalphrase. Die Erweiterungen können nicht nur durch Relativsätze geschehen, sondern auch durch Adverbialsätze.
Abkürzungen
ADJ |
Adjektiv |
PRÄS |
Präsens |
AN |
belebt, nicht-menschlich |
SEQ |
Sequentialmarker |
ANAPH |
Anaphor |
SUB |
Subordinator |
APP |
Apposition |
SUBJ |
Konjunktiv |
DEF |
Definitheitsmarker (distal) |
2 |
(Bantu-)Nominalklasse 2 |
DEF.D/P |
Definitheitsmarker (distal/proximal) |
1sg/pl |
1st Person Singular/Plural |
DEM |
Dmonstrativmarker |
2sg/pl |
2nd Person Singular/Plural |
DIR |
Richtungsmarker |
3m |
3rd Person Singular/maskulin |
INAN |
unbelebt |
3f |
3rd Person Singular Feminin |
INF |
Infinitivpräfix |
.1/.2 |
Pronomina der 1./2. Reihe |
KAUS |
Kausativ |
II |
TA-Morphem, von Boyd (1995) definiert |
KOP |
Kopula |
als "accompli/-définit/passé" |
|
KOMPL |
Kompletiv |
III |
TA-Morphem, von Boyd definiert |
N |
Nominale |
als "-accompli/+define/-passé" |
|
NUM |
Numerale |
X |
TA-Morphem, von Boyd definiert |
PL |
Plural |
als "-défini/non passé" |
|
POSS |
Possessivmarker |
Quellen:
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'Le Zande.' In: Les manières d‘«être» et les mots pour le dire dans les langues d’Afrique Centrale, hrsg. von Paulette Roulon-Doko, S. 35-62. München, Newcastle: Lincom Europa
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Ture and Cicada, Ture’s war with Gburenze and his sister, Ture and the orphan, How Ture brought out his intestines. In: ‘Some Zande Texts – part 4.’ Kush 13: 213-242
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How Ture used his eye as fish bait. In: 'Some Zande texts – part 5.' Kush 14: 300-325
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Grammatik der Deutschen Sprache, Band 1. Berlin, New York: Walther de Gruyter
[1] Die Ergebnisse dieser Untersuchung wären nicht möglich gewesen ohne die Förderung eines Projekts zur Erforschung des Zande durch die DFG, der ich hiermit meinen tiefempfundenen Dank aussprechen möchte. Die Beispiele wurden zu einem geringen Teil 2010 während eines Aufenthaltes in Bangassou (ZAR) erhoben, wobei andere Fragen im Mittelpunkt standen als die nomenferne Position von üblicherweise postnominalen Elementen. Die meisten Beipiele stammen aus publizierten Quellen, vor allem den von Evans-Pritchard (1956, 1963, 1966, 1974) gesammelten Geschichten.
[2] Plural wird bei (Bezeichnungen für Lebewesen) regelmäßig am Nomen und am Definitheitsmarker angezeigt. Am Adjektiv ist die Markierung optional und relativ selten.
[3] Es ist nicht möglich, der Präposition na eine Grundbedeutung zuzuschreiben. Deshalb wird sie in den verschiedenen Beispielen in Abhängigkeit vom Kontext glossiert.
[4] Güldemann (2007) schließt offensichtlich aus dem Vorhandensein der Vokalharmonie im Zande darauf, dass sie auch in den übrigen Ubangi-Sprachen verbreitet ist, was bisher aber nicht belegt ist.
[5] Dass sie auch mit dem vagen Quantor dungu 'viele' kombiniert werden können, kann nur vermutet werden, da entsprechende Beispiele nicht vorliegen.
[6] Hier liegt ein Attributsatz vor, in dem man du als Kopula interpretiert, bzw. eine Präpositionalphrase, wenn man es als Präposition interpretiert. Ohne den zweiten Teilsatz würde der erste folgendermaßen übersetzt: "Die jungen Krieger waren alle am Hof".
[7] Dunduko quantifiziert hier das Subjekt und nicht das Objekt. Wenn es sich auf das Objekt beziehen soll, muss die Simplexform des Verbs durch die Intensiv-Extension (Gore 1926: 85) ersetzt werden, die auf die Totalität des Objekts verweist.
A-zande |
a-ima |
li-ta |
a-boro |
dunduko. |
pl-Z. |
III-bleib |
ess-kompl |
pl-Person |
all |
Früher, haben die Azande alle Leute aufgegessen. (elizitiert in Bangassou) |
[8] Es ist zu beachten, dass das quantifizierte Objekt hier pronominal ist.
[9] Die Markierung von Relativsätzen geschieht durch einen vorangehenden Hochton, wie aus einer Vielzahl von Beispielen in Boyd (1998) deutlich hervorgeht.
[10] Der Qualitätsmarker nga wird besonders häufig benutzt um Namen von Partizipanten einzuführen.
Ko |
ki |
ye |
ra |
ko |
ti |
gbia |
nga |
Ndukpo. |
|
3m |
seq |
komm |
lieb |
dir |
an |
König |
kop |
N. |
|
Er kam, um als Untertan von Prinz Ndukpo zu leben. |
[11] Das Kompositum ngbapia 'Wasserscheide' setzt sich aus ngba 'Mund, Spitze, Schneide' und pia 'Land (im Gegensatz zu Wasser)' (Gore & Gore 1952: 103, 119).
[12] Gore (1926: 92f) zufolge ist ta ein Adverb, das er mit 'while, still, as' übersetzt. Lagae &Vanden Plas übersetzen es mit 'déjà'.
Lizenz
Empfohlene Zitierweise ¶
Pasch H (2014). Zahlwörter, Allquantor und Demonstrativum in nomenferner Position im Zande. Afrikanistik Aegyptologie online, Vol. 2014. (urn:nbn:de:0009-10-37653)
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