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Johann Gottlieb Christaller an Gottliebe Merkle:

hauptsächlich von möglicher Wiederverheiratung; dabei ist von manchen Frauen aus dem Missionsbereich die Rede, auch spielt natürlich Bertha Ziegler eine nicht unwesentliche Rolle; vor allem macht Christaller hier auch einmal - was sehr selten bei ihm ist - kritische Bemerkungen über seine Emilie (Brief wird am 3. Sept. 1867 fortgesetzt, siehe 67/22)

(Akropong, 2. Sept. 1867)

M1,67 GC 10

<1>

Dieser Beitrag zu meinem anderen Briefe ist aber nicht zur Mittheilung geeignet.

In Deinem Brief vom 15. Januar, führtest Du einiges aus meinem Brief an B(ertha) an, daß ich sie recht daure, daß ich so allein u einsam dastehe, allein um keinen Preis möchte sie die Schwester in dieses arme Leben voll Mühe u Sorgen zurückrufen. Sie meinte dann, nicht aus Lieblosigkeit, sondern aus Schüchternheit nicht mehr nach Afrika schreiben zu sollen u Du billigtest das; daß sie aber doch von Gmünd aus schrieb, freute mich, u ich hätte in meinem letzten Brief (der Antwort darauf) fast ihr Mut machen mögen, das hin u wieder zu thun. Nun hat sie durch ihr Englisch-Lernen einen Anlaß, u ich möchte ihr die Korrespondenz als Übungs- u Bildungsmittel wohl gönnen, aber vergesse doch auch nicht, daß sie ihr Bedenkliches, ja Gefährliches u Versuchliches hat.

<2>

Meine Gesundheit u meine Arbeit machen gleicherweise meine baldige Rückkehr nach Europa wünschenswert, und dann werden die mir vorliegenden Arbeiten mich wohl zwei bis drei Jahre, wenn der Herr mich solange leben läßt, in Anspruch nehmen. Meinen Aufenthalt zu diesem Zweck würde ich, wenn es die Committee nicht anders will, am besten in Basel nehmen, wo ich meine Kinder in der Nähe hätte und die Missionshaus-Billigkeit benützen könnte.

<3>

In Bezug auf mein Alleinstehen hat mich B. wohl mit Recht bedauert, aber wieviele Männer u Frauen müssen sich eben in dieses Allein- und Einsamstehen finden u mit mindestens ebensoviel Recht nannte sie dieses Leben ein armes Leben, voll Mühe u Sorgen. Dies ist besonders wahr vom Missionsleben, u was ich davon erfahren habe u täglich erfahre, sollte jeden Gedanken daran, irgendeines, dem wir gut zu Rathe sein wollen, ähnlichen Erfahrungen auszusetzen, ferne halten. Ganz so war es meiner sel Emilie.

<4>

[...] Dagegen sagte ich einmal Emilie, daß mir bei jenem Anlaß der Gedanke gekommen sei, Bertha könnte auch einmal eine Missionsfrau abgeben. Aber da hättest Du ihr Erschrecken sehen sollen. Es hielt ihr den Atem zurück vor Angst, bis sie vernahm, daß keine Silbe von dem Gedanken über meine Lippen gekommen sei. Sie würde aufs Allerbestimmteste widerraten haben, daß eines der Ihrigen, wohl nur ihrer Geschwister in die Basler Mission eintrete.

<5>

[...] Sie selbst grübelte manchmal darüber, ob sie recht daran gethan habe, ihren Lebenslauf aufzuschreiben u in die Hände von Herrn Prälat Kapf zu legen, daß er ihn nach Basel schicken durfte. Doch wurde sie solcher Unglaubensstimmungen wieder Herr, u ich glaube sicher, daß sie jetzt ihre Führung in einem anderen Lichte ansieht, nach dem Liede: "Wunder Anfang, herrlich Ende".

<6>

Freilich war der große Unterschied zwischen ihr u mir, daß sie nicht zu einem befriedigenden Wirken in der Mission kam u ihr Sinn für häusliche, hübsche u geordnete Einrichtung in unserem leidigen Wanderleben immer wieder so grausam verletzt wurde, während ich in meiner Arbeit mich so an die Mission gekettet sah u sehe, daß ich, wenn ich noch zwei Leben hätte, von gerade dieser Arbeit nicht aus freien Stücken lassen könnte. Dagegen müßte es, falls mir der Herr längeres Leben bescheren würde oder mich zum dritten Mal nach Afrika bringen wollte, nicht schlechterdings die Basler Mission sein. Denn es wäre den Wesleyaner Christen im Fanteland sehr zu gönnen u zu wünschen, daß ihnen das Wort Gottes in ihrer eigenen Sprache zugänglich gemacht würde, was den Missionaren dort ohne deutsche Hilfe kaum gelingen wird, ja kaum je versucht worden ist. Aber hätte ich nicht Ursache genug, alle derartige Zukunftsgedanken ganz zu verbauen?

<7>

Ja gewiß habe ich solche Ursachen, u deshalb kommt es mir sehr ungelegen, daß Zukunftsgedanken aufgeregt wurden, die ich in meiner Gegenwart nicht stark genug bin, gänzlich niederzuschlagen, u die mir doch, wenn ich es nicht thue, nur das Kämpfen u Ringen des Lebens erschweren.

<8>

Ich für meinen Theil konnte diese Stimmung bei Emilie nicht billigen, sie auch nie theilen, indem ich noch nie bedauert oder bereut habe, daß ich Missionar geworden bin, noch auch, daß Emilie meine Frau geworden ist. Doch enthielt ich mich auch des eigentlichen Tadels oder der Bekämpfung und des Widerspruches gegen diese Stimmung, weil ich begriff, wie sie eben etwas anders fühlte und unter den Folgen der Vergewaltigung unseres Lebensganges wirklich empfindlich zu leiden hatte. Verleugnung und Aufopferung ward ihr nicht erspart, obwohl Du (d.i. G. Merkle) ihr vielleicht auch dieß je und je ihr als Pflicht einer Missionsfrau vorgehalten hättest. [...] (Hier folgen nun langwierige Betrachtungen und Auseinandersetzungen über die Frage, welche Chancen ein verwitweter Missionar in Afrika habe, um wieder eine Frau zu finden, das Beispiel Heck oder Eisenschmid muß dafür herhalten, aber es bleibt alles sehr theoretisch und fast ein wenig naiv; doch es sei eben in solchen Dingen hier in unserem so wenig gegliedert zählenden Kreise ganz anders als in der Heimat, wo man zwischen Tausenden stehe.)

<9>

Von dem Sichverlieben, das H Inspektor (aus eigener Erfahrung?) eine Art Wahnsinn nennt, den man durch einen Aderlaß heilen könne, weiß und erfuhr ich nichts u werde nichts davon erfahren. Ich liebte meine theure unersetzliche Emilie treu und ganz und allein, und liebe sie noch. [...] (aber) Emilie selber fragte mich einmal, was ich nach ihr thun würde (d.h. wenn sie gestorben sei), ich konnte dem Gedanken gar nicht stattgeben.

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