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Bertha an Gottliebe Merkle:

Bertha scheint sich bereits Hoffnungen zu machen, in die Nachfolge ihrer Schwester Emilie zu treten

(Waiblingen, 12. Aug. 1867)

M1,67 Zie

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Des lb Gottliebs Bild preßt einem unwillkürlich Thränen aus, wir alle haben viel Mitleid mit ihm, Ernst u voller Ergebung in den Willen Gottes ist ausgeprägt in seinem Gesicht, das zeugt von den vielen Leiden u Entbehrungen, welche er schon ertragen hat. Oh wie gerne möchte da die Liebe einschreiten u helfen, aber Wege u Mittel sind nur dem lb Gott bekannt, unsere Kraft reicht nicht zu, ich kann das Bild nicht ansehen ohne zu weinen, wie muß es Ihnen sein, lb Frau Bas, da Sie ihm doch viel näher stehen als ich, wenn Sie sich den einzigen Bruder denken, an dem Sie mit zärtlicher Liebe denken, gewiß ist schon manches Thränlein um ihn von Ihnen in den Schoß des himmlischen Vaters gefallen, aber Sie sind von Ihm gezählt, u Thränen sind auch Gebete. Oh, wie unaussprechlich glücklich sind die Seelen, welche überwunden haben, sie stehen vor dem Stuhl Gottes mit weißen Kleidern angethan u Palmen in ihren Händen, die Tag u Nacht den Herrn loben, der sie so wunderbar u doch so herrlich geführt hat. An diese wollen wir denken, wenn uns die Wege Gottes unbegreiflich sind. Dort werden wir im Licht erkennen, was hier auf Erden dunkel war, das wunderbar u göttlich nennen, was unerforschlich hier geschah.

<2>

Vor 8 Tagen war ich in Stgrt u kaufte mir ein englisches Wörterbuch, weil ich übrige Zeit hatte, so ging ich mit dem Halbdrei-Uhr-Zug nach Kornthal zum Missionar Widmann u um 5 Uhr wieder zurück. Dort habe ich das Bild Gottliebs auch gesehen, es waren viele Missionare auf einem Bild, das sie ihm zum Andenken mitgaben, dort sah er aber viel lebensfroher aus, Widmanns sehen auch sehr leidend aus, ihre Kinder von Basel sind über die Vakanz bei ihnen, das Kistchen von Gottlieb kommt erst im November mit der 'Palme', die nahmen nur das Nöthigste mit, weil es soviel kostet. Ihre anderen Sachen kommen auch erst mit der 'Palme'. Sie sind jetzt erst drei Wochen in Kornthal, sie mußten sich in London längere Zeit aufhalten, ihr jüngstes Kind von ungefähr 5 Jahren war sehr krank. [...] Ich dachte mir, Sie werden sich wundern, wenn Sie hören, daß ich Englisch lerne alleine. Da ich so geschickte Gelegenheit habe bei Herrn Barret, dasselbe zu lernen u ich viel Freude daran habe, so dachte ich, es werde mir einst nicht zum Schaden sein. Früher hätte ich nie gedacht, daß ich Harmonium spielen lerne, noch viel weniger Englisch, so sind wir immer so kleingläubig, wenn Gottlieb hier ist, lerne ich am Ende noch Otschi, u zuletzt gehe ich nach Afrika, möglich ist alles. [...]

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