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Johann Gottlieb Christaller an Schwester Gottliebe Merkle:

Beschreibung seines Missionshauses in Kyebi mit Umgebung, ferner Bericht über die Gesundheit und seine sprachlichen Vorhaben

(Kyebi, 2. Mai 1865)

M3,65 G C 1

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Ich sitze an meinem Schreibpult, durch mein Fenster links, nach Süden, sehe ich über die Gallerie weg ein Stück Grasplatz; u einzelne Leute auf dem Fußweg über demselben von der Stadt zu unseren beiden Missionshäusern, eine halbe Ackerlänge entfernt den Busch mit allerlei Gesträuch u Bäumen, zwischen denen man einen niedrigen Berg dicht u dunkel mit Wald bewachsen sieht. Über den an meinen Schreibtisch angestoßenen Tisch, an dem sonst ein Gehilfe sitzt, sehe ich über der Gallerie und einen im vorigen Monat angelegten Garten weg einen Streifen hohes Gras, wildes Zuckerrohr, das trotz des theilweise süßen Namens zu nichts dient. Gaißen fressen es selten, es sieht aus wie ein Schilfsdikicht u ist schwer auszurotten; gleich dahinter, kaum eine halbe Ackerlänge von unserem Haus, ist wieder die Grenze unseres Missionslandes u deshalb der Busch, so dicht, daß man nicht zwischen durch sieht.

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Auf der Nordseite des Hauses sieht man zwischen den Gipfeln der Bäume etwas höhere Berge als die auf der Südseite. Durch meine offene Türe rechts sehe ich in unseren Hofraum, unsere Nebengebäude (Waschhäuschen, Mädchenkammern, Vorratskammern, Küche, Knabenkammer, Gaißenstall, alles mit Erdmauern unter einem Dach) entlang. Jenseits des Zauns steht unser kleines Schulhaus, das auch als Kapelle dient, es haben höchstens 50-60 Personen darin Platz. Die Stimme des Lehrers hallt zu mir herüber. Zunächst im Hofe waschen unsere beiden Mädchen, wie regelmäßig am Dienstag in jenem Waschhäuschen, neben dem auch der Abtritt ist, wasche ich mich selber; eine 7-stufige Treppe führt auf dieser Seite des Hauses in den Hof hinab; so hoch ist also hier der Boden unserer Wohnung über der Erde.

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An mein Arbeitszimmer stößt das Schlafzimmer (mit zwei Kleiderkasten, Waschtisch, Weißzeugkästchen u eine Türe auf die südliche Gallerie), an dieses das Wohnzimmer mit Türen auf die nördliche u südliche Gallerie u dann ist noch ein 4. Zimmer im Osten für einen ledigen Bruder bestimmt, jetzt nur mit der Stationsbibliothek u einer leeren Bettstelle.

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Dieses Zimmer hat wie mein Studierzimmer eine Türe nach Norden, über eine fünfstufige Treppe kommt man von der Gallerie zu einem Häuschen noch in unserem Hofe, worin Erziehungsknaben wohnen, die aber unter Br. Eisenschmids Leitung stehen. Die Gallerie oder Verandah, d. h. ein fast 6 m breiter gebretteter Gang, über den das Hausdach noch vorragt, läuft also um das ganze Haus herum, im Osten ist das 3. Türchen bis jetzt noch nicht schließbar, da wir noch keine Brüder vom Schlosser haben, weil dieser in Aburi krank ist, und eine vierstufige Treppe führt auf das andere [...] weiter. [...] (Er zählt die Missionsbelegschaft auf, beschreibt auch Br. Eisenschmids Wohnung.)

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In der Stadt (Kyebi) wären manche junge Leute u auch Erwachsene geneigt, sich den Christen anzuschließen, aber erstere sind meist in Abhängigkeit von solchen, die ihr Christwerden nicht zugeben wollen, als Familienglieder oder Sklaven oder Pfänder, u letztere haben vielleicht Sklavinnen oder mehrere Weiber oder sind selber Sklaven.

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In meiner schriftlichen Arbeit kam ich letzten Monat nicht weit, der Monat April war ein ziemlich schwerer Monat für uns, aber [...] der Herr hat geholfen, (bei Eisenschmids gibt es Fieber) Emilie hatte auch am 26. u 27. März eine Art Fieber u den 4. Apr. mußte sie ganz im Bett zubringen. [...] Es war Fieber, aber nicht gerade stark, am 5. Apr. stand sie wieder auf, aber abends kam Blut u Wasser u morgens darauf eine Leibesfrucht im Anfang des 4. Monats. Es war uns überraschend u schmerzlich, wir konnten nichts Besonderes als Ursache auffinden. Aber wahrscheinlich hat schon die Reise dazu beigetragen, dann die größere Hitze hier u das viele Gehen in die Küche usw. (Treppen u viele Wege etc.). Blutverlust, Schwächegefühl, Fieber u Hitze. Volle 9 Tage im Bett, die Haushaltung u Krankenpflege nahm auch mich so in Anspruch, daß ich besonders in der Nacht auf den Charfreitag u vormittags an Ostern auch Fieber hatte.

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Es ist wahr, wir haben unsere Schwachheit, Unvermögen u Untüchtigkeit für das wichtige Werk, in dem wir stehen, recht zu fühlen bekommen u auch die erschreckenden u prüfungsvollen Umstände u Verhältnisse, unter denen wir hier zu leben haben.

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Die Einwohner von Akem u besonders von Kyebi sind des Arbeitens u der Werthschätzung der Zeit noch viel weniger gewohnt als die von Akuapem, u weil sie so wenig betriebsam u fleißig sind, sind auch Lebensmittel u andere Bedürfnisse schwieriger oder gar nicht zu haben. Ich wollte z.B. zwei Landesfrauen kaufen für Gartenarbeit, (noch nicht mal Hacken seien zu kaufen).

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In Akem wird fast alles mit Goldstaub bezahlt, diese Zahlungsweise gehört zu den schwierigsten u zeitraubendsten in der Welt. Das geringste Gewicht ist ein blaues Böhnlein, das nächste ein rotes, das dritte ein rosarotes, der Wert des Goldstaubes sollte 3, 6, oder 12 Kr oder etwas darüber sein.

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Mi 3. Mai: Leben in Afrika ist eben etwas ganz anderes als in der Heimath u man hat sich recht zu wehren, um sich nur aufrecht u bei gutem Mut zu erhalten.

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[...] ein Hauptanliegen ist mir, daß der Zweck meines Hierseins in bezug auf meine sprachlichen Arbeiten u auf den Verkehr mit den Eingeborenen möchte künftig besser als in diesen ersten Monaten erreicht werden. [...]

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