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Emilie an Eltern und Geschwister:

Erster größerer Brief Emiliens seit ihrer Ankunft; sie berichtet über dortige Wohnverhältnisse und Arbeitsgegebenheiten in Aburi, erzählt auch von den Nachrichten über die 5 Kinder; Christaller in seinem Schlußabsatz spricht fast nur von amtlichen Angelegenheiten

(Aburi, 7. März (Febr. gestr.) 1864)

M3,64 Em 3

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Euren (Brief) vom Jan. erhielten wir den 23. Febr. u freuten uns herzlich über die Nachricht von unserem lb Ernst; es ist mir merkwürdig, daß ich oft von ihm, von den anderen aber nie, oder sehr selten, träume. Kennt er wohl unsere Bilder noch? Lehrets ihn auch, daß Papa u Mama in Afrika ist; das gute Kind, ach, bin ich froh, daß er Euch so lieb hat u Ihr ihn und somit es nicht fehlt, daß er nicht daheim ist.

Von Gmünd erhielten wir gottlob auch recht erfreuliche Nachrichten; der Herr vergelte Euch in reichem Maße, was Ihr an unseren Kindern thut, nach innen und außen, wie Ihrs bedürfet.

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Ihr werdet wohl gegenwärtig in Sorge sein, weil die Post vom Februar meine Ankunft in Afrika Euch noch nicht anzeigen konnte.; ich denke in Basel und Bremen wird man auch sehr besorgt sein; nun, in acht Tagen werden sie u Ihr mit uns dem Herrn danken, daß er wohl an uns gethan hat.

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Ich bin recht gern hier in Aburi, wir sind zwar sehr eng logiert, haben nur ein kleines Zimmer miteinander, u das noch eine geraume Zeit, es wird jetzt noch ein Haus hier gebaut, das wir bewohnen dürfen, wenns fertig ist. Das Bauen geht aber hier zu Land sehr langsam, es kommt bis 2 Jahre zu stehen; doch werden wir später noch ein weiteres Zimmer zu unserem einen bekommen, da dann Gottlieb ein eigenes Arbeitszimmer haben kann, was nöthig ist, da er oft mit einem Gehülfen arbeitet, oder Leute zu ihm kommen, im letzteren Fall muß dann je nach Umständen entweder ich das Feld räumen oder er mit den Leuten, weils zu eng ist. Eine eigene Haushaltung führe ich nicht, weil ich keinen Platz hätte, wir gehen, wie seit seinem Hiersein Gottlieb, nun beide zu Mohrs in die Kost, was freilich nicht immer angenehm ist, aber doch auch viel Gutes hat, ich schicke mich wenigstens recht gerne drein.

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Was hast Du denn zu thun? wirst Du, lb Mutter, fragen, u dem lb Vater werden auch Gedanken von zuviel Bequemlichkeit u drgl. aufsteigen, deswegen will ich gleich an diesem Kapitel weiter machen.

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Es ist hier eine Mädchen Anstalt, die 60 Kinder zählt, Fr Mohr ist ihre Hausmutter u eine eingeborene Lehrerin wohnt bei den Kindern im Anstaltsgebäude, das in der Nähe unseres Hauses ist; vormittags haben die Kinder in der Schule von einem eingeborenen Lehrer Unterricht in den gewöhnlichen Fächern, die in unseren Volksschulen daheim auch vorkommen u 3 mal in der Woche gibt Gottlieb auch Lektion. Nachmittags ist Nähschule, in welcher ich einheimisch geworden bin, da haben Fr Mohr, ich u die Lehrerin vollauf zu thun. Fürs erste werden die Kleider für die Kinder gemacht, auch dergl. Bedürfnisse, die von den Geschwistern auf den anderen Stationen bestellt werden, oder verfertigen wir Kleidchen zum Verkauf für die Kinder der Eingeborenen, was dann, der Erlös nämlich, der Anstalt zugute kommt. In der Regel brauchen wir den Vormittag auch dazu, die Kleider, Hosen u dgl zuzuschneidern u unter Futter zu bringen, weil man mittags immer mit den Kindern zu thun hat, man muß ihnen alles, den kleineren auch schmale Säumchen u jeden Stich, den sie zu machen haben, zu Faden schlagen; die Größeren, welche schon etwas können, haben 4 oder 5 Kleinere neben sich, die sie neben ihrer eigenen Arbeit zu bedienen haben, u nur bei Hauptsachen zu uns kommen lassen dürfen. Ihr könnt Euch denken, daß ich da noch mit einer besonderen Schwierigkeit zu kämpfen habe, weil ich die Kinder u sie mich noch nicht recht verstehen; da kommt zB eine her zu mir u sagt, sei so gut u gieb mir eine Arbeit, ich gebe ihr einen Faden, damit entdeckt sie, daß ich sie nicht verstanden, u lacht, u die anderen mit; oder ich bücke (?oder bügle?) der Rahel einen Saum, und wenn ich fertig bin, geb ich die Arbeit der Ernestine, weil ich die schwarzen Gesichter noch nicht gleich auseinander kann, dann entsteht wieder allgemeine Heiterkeit, wie ich mir dann von Fr Mohr sagen lasse, was ich gethan, dann sagen sie: Sehet sie lernt! und mit dieser Sache gehts täglich besser, weil ich durch die Schule immer Veranlassung zum Lernen habe.

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Abends gehen wir gewöhnlich ein halbe Stunde spazieren, dann ist Nachtessen und der Tag zu Ende. Die großen Bohnen, welche ich mitnahm von Dir, lb Mutter, habe ich gesteckt; sie stehen nun recht schön, und jedes freut u wundert sich über die großen Blätter; heut hatten wir starken Regen, der aber lang auf sich warten ließ, alles war dürr u die Quelle versiegte fast. (Ab und zu berichtet Emilie auch von den Lebensverhältnissen in Aburi und von dem, was sie selbst als Arbeit zu leisten hat; da hiervon brieflich fast nie die Rede ist, sei eine größere Partie aus diesem Brief vom 7. Mäz nach Waiblingen zitiert.)

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[...] Im Fall Ihr etwas schreibet an uns, was Ihr nicht gerne offen absendet, dürfet Ihrs wohl schließen, das nimmt man in Basel gar nicht übel; ich meine damit auch Dich, lb Gottliebe; Ihr müßt dann eben einen dünnen Umschlag machen. [...]

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(G. Chr.): Ich habe den übrigen Raum vollends auszufüllen, würde gerne mehr schreiben, aber bin durch amtliche, d. h. an Hrn Insp. u die Committee gehende Schreibereien wieder zu knapp mit der Zeit. Da weiß ich nicht recht, wo fortfahren. [...] (Eine Urkunde über Vermögensverwaltung durch den Vater wird mitgeschickt, zwei Photographien, aus denen zu ersehen ist, wie die Negerweiber Fufu stoßen u Korn, d. h. Mais mahlen).

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Ich würde gerne mehr schicken, aber sie sind etwas theuer, 2 Shilling pro Stück. Briefe mag ich Br. Laißle nicht mitgeben, weil es verboten ist u Ihr sie doch schneller bekommt.

Wir gedenken Euer täglich in unserem Gebet, auch in dem lauten, morgens nach dem Frühstück, wobei Br. Mohr u ich abwechseln u nachts vor dem Schlafengehen ich mit Emilie allein.

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