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Emilie an Gottliebe:

In einer Art Schiffs-Reisetagebuch schildert Emilie ihre Gefühle und Tätigkeiten während der Überfahrt; der Schluß des Briefes ist nach der Landung geschrieben mit einem Zusatz von Gottlieb Christaller

(An Bord der Wolta (= Volta), 16. Jan. 1864)

M3,64 Em 1

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Meine lb Gottliebe! In diesen Tagen bist Du mir immer in Gedanken, ich weiß nicht, was der Grund, aber das weiß ich, daß Dein treues Herz in Liebe und fürbittend meiner u des geliebten Mannes gedenkt. Der Herr segne Dich dafür, u gebe Dir u Euch in reichem Maaße, was Du für uns erbittest. Wie Du siehst oder liesest, bin ich, indem ich dieses schreibe, immer noch nicht am Ort meiner Bestimmung; heut ists Samstag, nächsten Montag sind 10 Wochen, daß wir auf der Reise sind, hatten fast fortwährend ungünstigen Wind, gegenwärtig völlige Windstille. Wenn es von jetzt an ordentlich vorwärts gienge, wären wir in fünf Tagen in Christiansborg. Mit welcher Sehnsucht wird Gottlieb warten u vielleicht auch mit welcher Besorgnis; aber ich kann es glauben, der Herr wird ihm durchhelfen, wie er mir bis hieher durchgeholfen; ja, mein Herz ist bei aller Wehmut, die mich oft anwandelt, doch voll Lobes u Dankes. Nimmermehr hätte ich gedacht, daß der Herr so trägt, so hilft, so tröstet, ja er thut über Bitten u Verstehen, er tröstet wie einen seine Mutter tröstet. Durch meine Reisegesellschaft habe ich viel Segen, in manchmal einander entgegengesetzten Beziehungen; im Br. Haußer habe ich einen wackeren Geistesstreiter, der Kopf u Herz am rechten Fleck hat, gefunden.

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Für die lange Wartezeit bin ich dem Herrn dankbar, obgleich sie mir oft auch wie eine Geduldsübung vorkommt; eine Erholung nach Leib u Seele, wie ich sie hier habe, jetzt seit drei bis vier Wochen, hatte ich nöthig. An meinen Briefen von Basel aus wirst Du das erkannt haben, und dazu kam auch die Seekrankheit, ich war, einige Stunden des Tages ausgenommen, volle vier ja fast fünf Wochen im Bett, konnte fast nichts essen, nicht genug schlafen, hatte neben der Seekrankheit viel Kopf- und Zahnweh, ich war weit heruntergekommen. Auch mein Glaube wurde schwach, oft sagte ich zu mir selber: Warum soll ich nach Afrika gehen? Daheim hätte ich doch noch etwas genützt an meinen Kindern, aber solche Dunkelheiten sind vorüber. Ach, welche Barmherzigkeit Gottes habe ich erfahren, Mut u Freudigkeit sind wiedergekommen, u auch meine körperliche Kraft überzeugt mich, daß ich nicht mehr krank bin. Essen u Trinken schmeckt mir u ein kaltes Bad, das ich täglich nehme, thut mir gute Dienste.

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27. Jan. Heut denkst Du auch vielleicht an unseren lb Tauftag im vorigen Jahr, es ist unser Hochzeits- und Marthas Geburtstag, und des lb Hanneles Geburtstag auch, wenn ich nicht irre. Ach, Ihr Lieben, was soll ich sagen! So fern von Euch, fern von meinen Kindern, immer auch fern von meinem Mann, bin ich hier auf dem weiten Ozean. Aber ich darf u will nicht klagen, denn Er weidet mich auf grüner Aue u führet mich zum frischen Wasser, um seines Namens willen.

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31. Jan. Immer noch auf dem Meer, ein Tag um den anderen geht dahin u wir kommen nicht ans Ziel, ich bin aber fröhlich im Herrn u kann warten. Auch das Kleinste, das Gemeinste kommt von Seiner Vorsicht her u Er kennt die rechten Freudenstunden. Es fiel mir neulich ein, wie Hannele in Frankfurt auf dem Gang nach dem Bahnhof sagte: wenn Ihr aber wieder zusammen kommet, das wird eine Freude sein. Damals preßte mirs Thränen aus, jetzt aber freuen mich diese Worte, denn es ist wahr, ich freue mich unaussprechlich. Bang will mirs freilich manchmal werden, es ist jetzt 1/4 Jahr, seit ich von Mann u Kindern nichts mehr weiß. Was kann alles geschehen sein, aber es ist ein großer Trost zu wissen, es kann mir nichts geschehen, als was Sein Rath ersehen u mir verordnet hat.

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Mein liebes, kostbares Kindlein (d.i. Theodor Benoni), was soll ich dem schreiben? Gieb ihm einen Kuß, wies nur eine Mutter kann. Und wenn er Dir oft Mühe u Unannehmlichkeit macht, so erinnere Dich, wie ich Dich beneide; der Herr segne ihn u durch ihn Dich u Euch, gewiß Ihr habt Segen durch ihn. Als ich noch Braut war, schriebst Du mir, 'Sie bekommen an meinem Bruder ein Kleinod' usw, nun hab ich Dein Kleinod u Du hast das meine. Wir wollen sie lieben mit aller Liebe, der wir fähig sind.

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8. Febr. (fortgesetzt in) Aburi: Nur noch einige Worte. Den 1. Febr. kamen wir an der Küste an, den 3. Febr. durfte ich meinen lb Mann begrüßen, den 5. Febr. kamen wir miteinander in der neuen Heimat an. Gott Lob u Dank, es ist nun viel hinter mir; aber es ist auch viel vor mir, u wenn ich meinen Heiland nicht mitgebracht hätte, dann müßte mir bange sein. Gedenke fleißig unser. Herzliche Grüße Deinem lb Mann, auch an Caroline; ich will thun, um was sie mich bittet. [...]

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(G.Chr. schreibt): Ich kam wegen amtlicher Schreibereien nicht mehr dazu, meinen Beitrag zu geben, nur soviel, daß wir reichliche Ursache zu Dank u Freude finden, nicht unter, sondern über meine Erwartungen; von Trübung weiß ich nichts zu reden, denn was man vorher kennt u in Rechnung genommen hat, gilt kaum mehr dafür. Unseren besten Dank u freundliche Grüße an Euch alle Euer G. Christaller. Nur das, ich bin nicht aus Ungeduld oder Hoffnungslosigkeit, sondern um gewisser Arbeiten für die Post willen am 1. Febr. zurück.

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