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Emilie an Schwägerin Hanne Christaller nach Geburt Theodors:

Emilie ist etwas deprimierter Stimmung, vor allem weil auch Christaller unter der Trennung leidet, sie aber nicht weiß, ob sie die Kinder alleine lassen kann und darf

(Waiblingen, 27. Febr. 1863)

Nbrg, 63 Em 7a

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Liebes Hannele!

Es hat mich schon lange gedrängt, Dir wieder zu schreiben, damit wir einander nicht fremd werden. Es ist ja jetzt bald ein Jahr vorüber, seit wir einander wieder Lebewohl sagten; durch die Vermittlung der lb Gottliebe blieb Dein Andenken seitdem immer frisch, u das meinige Dir wahrscheinlich auch; Deiner herzlichen Theilnahme an meinen Erlebnissen war ich auch jederzeit gewiß; ich habe im letzten Halbjahr wirklich viel Schweres durchgemacht, habe mir manches selber auch erschwert durch unverständiges Mitleiden mit mir, ach, der Herr lädt ja wahrlich nicht zu viel auf, er thut, wie mir Hr Pfarrer Werner aus Fellbach kürzlich sagte, er trägt neun Theile an der Last, die er auflädt u den zehnten hilft er auch tragen; das muß u kann ich in Wahrheit bezeugen; Er führt durch Dornen u durch Hecken, aber man bleibt doch nicht stecken. Und das Meiste ist der Schrecken. Nichts als Sieg steht im Panier.

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Dem lb Gottlieb in Afrika ist das Wasser seitdem auch an die Seele gegangen; es bestätigt sich mir mit jedem neuen Brief, was ich vermuthete, daß ihm nämlich die Schwere unserer Trennung erst wenn er einige Zeit draußen ist, fühlbar wird. Die Zeit wird ihm schon lang, u unser Zusammenkommen ist nun durch die Geburt unseres lb Theodor noch mehr in die Ferne gerückt, da gilt nun recht glauben, daß der Herr nichts versehen kann.

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Es ist sehr wahrscheinlich, daß in diesen Tagen über uns beraten wird, im Nov schrieb Hr Insp. an Miss. Dieterle, auf dessen Station Gottlieb ist: '19. Nov. Heute ist Br. Christallers Geburtstag, ich bitte den Herrn, daß er ihn erquicken u stark machen möge. Es ist für uns von großer Wichtigkeit, gründlichen Bericht über sein körperliches u gemüthliches Befinden zu erhalten.'

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Diesen Bericht hat er nun durch Dieterle vorige Woche erhalten, u nun noch einen dazu, von dem er im Nov. noch keine Ahnung hatte, nämlich den, von der Erscheinung unseres Kindleins; jetzt, was werden sie machen? Gehen können sie mich nicht heißen, auf nächstes Jahr aufschieben, wird auch nicht thunlich sein (Hr Insp. sagte zu Gottlieb, er sei zufrieden, wenn er drei Jahre draußen bleiben könne), da wärs nicht mehr der Mühe werth u ihn die ganze Zeit alleine draußen lassen, ist gegen die Regel der Committee. Wie froh bin ich, daß ich nichts drein zu reden habe, ich könnte keines von allen drei wählen, muß aber freilich eins davon gewärtig sein; oder weiß der Herr auch hier noch ein viertes, wenn ihm keins von den ersteren taugt. Gedenket auch Ihr unser vor dem Herrn, besonders unseres lb Gottliebs, ach, er hat einen schweren Stand; nur selig, wenn auch wunderbar, heißt bei uns ein Jahr ums andere; nun freu ich mich, daß es auch bei uns einst heißen wird: das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden; die Thränensaat ist vorüber, jetzt ist die Erndte da.

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