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Johann Gottlieb Christaller an Emilie:

über Baumaßnahmen in Aburi; Rückschau auf seine Gesundheit 1857f; Darstellung seiner Erziehungsgrundsätze Gottreich betreffend und kritische Bemerkungen über die Basler Mission; auch über praktische Notwendigkeiten im Haushalt in Aburi

(Aburi, 24. Aug. 1863)

M1, 63 GC 17

<1>

[...] Gestern hatte ich mit Messen und Augenschein Nehmen wegen des Bauplatzes für unser künftiges Wohnhaus zu thun, u habe diesen Morgen meine Bemerkungen u Vorschläge für unsere Conferenz niedergeschrieben; Du siehst, wir handeln im Glauben u im Gehorsam.

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Du glaubtest, ich könne zum zweiten Mal nicht lange haußen (= draußen) sein u Du weißt, daß ich mir selber nie viel zutraute in dieser Hinsicht; aber das kann ich doch sagen und Dich versichern, daß ich diese 13 Monate meines Wiederhierseins mich nach Leib und Seele gesünder fühlte und finde, als während meiner 13 ersten Monate in Akropong; es ist wunderbar u ich fühle, daß es nicht Natur, sondern Gnade ist; damals ging es in der Folgezeit noch mehr abwärts, u als Du kamst, hattest Du eben auch einen schweren Anfang; wenn von der Geburt unseres Erstgeborenen an auch kein Abwärtsgehen mehr stattfand, so wär es doch wohl nur langsam wieder aufwärts gegangen; insofern war meine Heimberufung doch eine Wohltat. Das ist wahr, daß ich daheim auch keinen sonderlichen Eindruck von recht gestärkter u gehobener Lebenskraft erlangte. Doch hatt ich daheim u seit ich hier bin, ein solches Kopfweh wie schon in meinem ersten Jahr u nachher in Akropong. Am 30. August, 14. Oktober 57, 24. Febr. 58 hatte ich mein 30. bis 32. Fieber nicht mehr so heftig wie frühere, und seither keines mehr; ich darf freudig hoffen, daß durch Dein Kommen sich mein Gesundheitszustand mehr heben wird als je in Afrika. Allermeist durch Gnade, jedoch, soweit Natur Gnade ist, auch durch Natur.

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[...] Halte das fest: Wir dienen dem Herrn und nicht den Menschen, u seine Verheißungen sind u bleiben Ja und Amen; er will uns u unsere Kinder nicht verlassen u versäumen.

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Ich danke Dir für Deine Mittheilungen über Gottreich; es thut mir leid, daß er Dir viel Noth macht, weil er nicht gerne in die Schule geht. Daß er morgens mit Weinen aufsteht, er soll eben abends wenn er müde ist, bald ins Bett gehen u herzlich beten, daß er gut schlafe u bald aufwache. Auch das thut mir weh, daß er von anderen Kindern wüste Reden, Flegeleien u Dummheiten lernt; wüste Reden u Dummheiten muß man gar nicht nachsprechen, sondern gleich beten: Lb Heiland, schenke doch dem, der so gesagt hat, ein reines Herz. Lb Vater im Himmel, ich bin noch klein, mach mein Herz rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein! Oh mein lb lb Gottreich, denke doch, wenn Du bei anderen Kindern oder großen Leuten etwas Böses siehst, an den lb Heiland, daß er alles sieht u hört u wie er selber ein Kind war, so groß wie Du, da hat er auch viel Böses gesehen u gehört, aber er hat es nicht nachgemacht, auch keine Freude daran gehabt, sondern ist betrübt gewesen u hat still zum lb Vater im Himmel gebetet für diese Leute. Ich freue mich, daß Du schon ordentlich schreiben gelernt hast; jetzt kannst Du mir ja bald Brieflein schreiben, das wird mich sehr freuen, u ich schreibe Dir dann auch eigene Brieflein. Ich sollte das jetzt schon thun, da Du vielleicht schon in Basel bist im Missions-Kinderhaus; dort wirst Du keine solchen schlimmen Reden hören, wenn auch die Knaben, die dort sind, noch keine Engelein sind.

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Wie er auf dem Heimweg von der Schule hehlinga (= heimlich) Fischlein fangen wollte, da kann ich mir ihn denken, wie er Dich ängstlich angesehen hat bei den Worten: Ich hab mein Sach verloren! Es ist nur gut, daß er dann die Wahrheit gesagt hat u sich gemerkt hat, daß es viel besser ist, zuerst nach Hause zu gehen u nur dahin zu gehen, wohin er gehen darf zum Spielen. Die kleinen Fischlein sind eben gescheider u flinker gewesen als mein Söhnlein.

<6>

Möchtest Du nur auch den bösen Buben u allem Bösen, das Dich fangen u angeln will, so aus dem Weg gehen, wie die Fischlein Deiner Hand; ich ließe die lb Fischlein lieber leben als daß ich sie verführte u verlockte in die Angel zu beißen. Die kleinen Fischlein sollen lieber im Wasser bleiben bis sie groß geworden u einmal die rechte Zeit gekommen ist für sie, im Netz gefangen u gebraten zu werden oder sonst zu sterben. Mein lb Gottreich ist jetzt schon oft über die neue Remsbrücke gelaufen u ich noch nie! Jetzt wird er bald die Rheinbrücke in Basel sehen, dort wird ers aber wohl bleiben lassen, ins Wasser hineinzugehen, außer wenn er einmal älter ist u schwimmen lernen will. [...]

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Wenn Du auf die kalte Antwort von Hrn Insp. dachtest: 'Ich will fortan schweigen u meinen Mund nicht aufthun, Du Herr, wirsts wohl machen!' so thatest Du wohl. Ich will mich der Liebe u Ehrerbietung gegen Menschen befleißigen, aber das Wohlmachen vom Herrn erwarten.

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[...] Daß aber unsere Gemeinschaften solche ausländische (d. i. wohl englische?) Elemente nicht fernzuhalten vermögen, scheint auf eine eigenthümliche Schwäche in ihnen selbst zu deuten, wie ja auch sonst der Deutsche besonders dafür organisiert ist, das Fremde anziehend zu finden. [...] (Die Fortsetzung davon ist datiert vom 20. Aug. S. 5 und 6, worin er von praktischen Notwendigkeiten im Haushalt spricht):

<9>

Es ist aber nun einmal nicht anders, als daß man sich mit diesen irdischen Erfordernissen auch plagen muß, aber im Nothfall kann man manches entbehren, z.B. auch den eis. Kochherd. Wir wollen uns aber im Glauben hier in Aburi für eine Anzahl oder Reihe von Jahren einrichten, und wenn manche Ausgaben gegen unsern Sparsinn gehen sollten, nicht zu ängstlich sein; Silber u Gold ist des Herrn, dessen Kinder u Diener wir sind. (Er zitiert Spitta.) [...] Man ist hier oft froh an etwas, was man in Europa hatte, obwohl ich meinerseits lieber so unabhängig u bedürfnißlos sein möchte wie Diogenes. Was Du aber für unnöthig hältst, das laß. [...]

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In Bremen oder London (Josenhans) versäume die Besuche zu denen Du aufgefordert bist, nicht, die Menschen sind gesellige Wesen, brauchen und nützen einander in allerlei Weisen. In Madeira könntest Du auch einen Armsessel um 5-8 Shill kaufen, in Akra ist einer 10 S werth. [...]

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26. August: [...] Am 30. Aug. waren Diet. u. Frau, Br. Mohr, Stanger und ich bei Einweihung der Kapelle in Tutu, am 31. Aug. reiste ich mit Dieterle, Zimmermann, Schrenk hieher zur Generalconferenz, die vom 1.-3. Sept. gehalten wurde. Br. Christoph Zimmermann machte sein Examen für die Ordination, am 2. Sept. hatten wir ein Missionsfest, am 3. Sept. wurden Praeses, Vicepraeses, Secretär u Vicesecretär für die nächsten 4 Jahre gewählt (Widmann, Locher, J. Zimmermann, ich).

<12>

Des Herrn Mahl genoß ich am 23. Aug. in Aburi, 30. Aug. in Tutu, 3. Sept. hier. Heute VM hielt Chr. Zim. seine Examenspredigt. Am 3. Sept. waren wir 15 Brüder, die Du, Br. Müller ausgenommen, auf einer Photographie sehen kannst, wenn Du kommst.

<13>

[...] Ich vermuthe, Ihr werdet Euch noch im Oct. einschiffen u im Dec. ankommen. Wie freue ich mich, Dich, meine Theure, wieder zu bekommen!

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