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Emilie an Johann Gottlieb Christaller:

Sehr beunruhigt und unglücklich über die lange postlose Wartezeit berichtet Emilie nun ihrem Gatten von der nun ziemlich sicher festgestellten erneuten Schwangerschaft, sie scheint darüber eigentlich außerordentlich bekümmert zu sein, sieht darin sogar etwas wie Sündhaftigkeit

(Waiblingen, 16. Okt. 1862)

M1,62 Em 21-28

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Endlich nach langem Warten habe ich zum erstenmal von Afrika eine Nachricht von Dir erhalten, es war eine lange schwere Zeit, diese letztvergangenen 8 Wochen, nicht daß ich unruhig gewesen wäre, wegen Dir, nein, ich weiß Dich ja getragen in Gottes treuer Hut, die Hauptursache brachten meine inneren Umstände mit sich, von denen ich Dir in meinem letzten Brief schon hätte näher berichten können, weil mirs aber damals noch so ein schwerer Druck war, wollte ich Dich dessen entheben, denn draußen drückt durch den Einfluß des Klimas alles schwerer u auch hätte es ja nichts geholfen.

<2>

Ich habe Dir das letzte Mal berichtet, daß ich bei Med. Reiß war in Stuttgart, der mir das kaltes Baden u Stahlpulver zum Einnehmen verordnete.

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[...] Am 23. August fühlte ich, zu meinem Schrecken darf ich wohl sagen, etwas wie Kindsbewegungen, zuerst schwach, dann immer stärker, ganz wie bei einer Schwangerschaft, an der ich nach u nach nicht mehr zweifeln konnte; diese Angst, abwechselnd mit Hoffnung, es sei vielleicht nur Krankheit, was mich aber auch mit Besorgnis erfüllte, drückte mich schwer u doppelt, weil ich niemand etwas sagen konnte oder mochte; besonders vor vier Wochen, wo ich Deinen Brief lange vergebens erwartete, war ich in einem trostlosen Zustand. (Ärger mit Dienstmädchen u Wohnung) [...] Das war damals eine Klemme, der ich fast unterlag, ich stecke nun äußerlich immer noch drin, d.h. an den Umständen hat sich nichts geändert, über meinen Zustand bin ich in Ungewißheit, das Logie muß ich morgen räumen, ein anderes Mädchen habe ich nicht, aber durch viel Ringen u Flehen bin ich zu der Gewißheit gekommen: 'Und ich werde ihm noch danken[...]'

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Nicht nur daß er mir helfen wird, sondern auch dafür, daß er mir dies alles geschickt hat.

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Soeben bringt der Briefträger Deinen Brief, der vor 4 Wochen kommen sollte, aber es schauderte mich, als ich ihn in die Hand nahm, grad so haben unsere Briefe nach dem Schiffbruch ausgesehen; das Briefcouvert ganz zerrissen, hielt nur nothdürftig die verschiedenen Blättchen zusammen u wären diese nicht durch Seewasser zusammengeklebt gewesen, so daß ich sie nur mit großer Sorgfalt unzerrissen auseinander brachte, hätte ich sie schwerlich alle bekommen. Was ist doch nur dem armen Schiff begegnet, war mein erster Gedanke, u der zweite: warum muß mich doch alles an meinen Schiffbruch erinnern? Auf dem Couvert steht: 'safe from the wreck of the Cleopatra', ich muß nur schweigen u danken u mich wundern, wie er auf Adlerflügeln die Seinen trägt, ich erzählte es Gottreich u Martha u sagte, gelt, es ist doch gut, daß wir immer für den Papa gebetet haben. Er fragte in großer Aufregung: Wann kommt er wieder? Wenn wirs dann nur vorher auch wissen, daß wir wieder beten können.

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[...] Mein Zustand ist mir wirklich ganz rätselhaft. Für eine Schwangerschaft spricht hauptsächlich das ganz ähnliche Empfinden, u dann daß ich dicker bin, zwar nicht so wie ichs sonst bin im 6. Monat, aber so, daß Frau Pf Werner mich darüber fragte u Rapp zu Gottliebin, bei der ich vor 14 Tagen über den Sonntag mit Ernst war u ihr mein Leid auch sagte, gesagt habe, ich sei dicker als sonst. [...]

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Wäre am 1. Mai nichts vorgekommen, was vorgekommen ist, so könnte ich mit Sicherheit (sagen), ich bin nicht in der Hoffnung, und würde zu einem Arzt gehen, so aber kann ich es nicht. Du sagst wohl, Du bist gewiß nicht in der Hoffnung, aber spürtest Du, wie ich spüre, würdest Du auch zweifeln. Nun über der ganzen Sache ist mir mein verderbtes Wesen nach einer Seite hin recht offenbar worden, auch ist mir das recht eindrücklich, daß wir uns diesen Zustand so wie die Ungewißheit, die mir hauptsächlich sehr peinlich ist, selber gemacht haben, daß die Art unseres Zusammenkommens sehr sündlich war und ist; erst seitdem ich mich über diese Sünden bangen lerne, ist mir meine Lage nicht mehr so schwer, und kann nun dem Herrn alles überlassen und auf seine Barmherzigkeit hoffen. Das aber stehet fest bei mir, sollte der Herr uns wieder zusammenführen, so darf das nicht mehr vorkommen, wir haben miteinander gesündigt, wir wollen uns auch miteinander beugen und unsere Missethat bekennen; dann werden wir Barmherzigkeit erlangen; (schreib mir aber über diese Sache auf einem besonderen Blatt).

<8>

Seit 14 Tagen wohnen wir in Deinem Zimmer, weil das vordere geputzt wurde, u morgen oder am Samstag muß ich auch von hier wieder fort. Ach, daß des Wanderns ein Ende wäre. [...] Über Deine Nachrichten wäre wohl manches zu sagen u zu fragen; es hat mich alles interessiert; erzürnt hat mich auch etwas, nämlich daß David (Asante) Anyama aus Mitleid heurathen will. Ich glaube schwerlich, daß David mit einer gewöhnlichen Negerin befriedigt u versehen ist und eine weiße Frau bekommt er nicht. Anyama kann entweder in Europa bleiben oder giebt sie für einen Bruder eine bessere Frau als Frau Zimmermann, Frau Rottmann u die Mulattin Kathrina. Er soll sich nur über dieses vermeintliche Mitleiden klar werden - u sich besinnen, ob nicht Anyama ihn aus Mitleiden nimmt, wenns soweit kommt.

<9>

[...] Über meine Umstände sag niemand das Nähere; wir habens nur mit dem Herrn zu thun. Wenn Pf Blumhardt übernimmt, für jemandes Krankheit oder Zustand zu beten, so verbietet er zuerst das 'Drüber Reden'.

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