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Johann Gottlieb Christaller an Emilie:

über Liebe in der Ehe, speziell auf sie beide bezogen; ferner über seine schriftlichen Arbeiten

(Aburi, 8. Sept. 1862)

M1,62 G C 8

<1>

(Er hatte sich einen Bart stehen lassen) [...] Den Backenbart lasse ich eben sogar stehen, aber sonderbarer Weise kommt auf der rechten Wange nicht halb so viel als auf der linken, u ich würde allen Ernstes ein wenig barterzeugendes Pomade hinschmieren, wenn ich hätte. [...] Es tut mir leid, wenn Dich der Gedanke veränderten Aussehens bei mir stören sollte, das ist nicht nöthig, es ist auch gar nicht bedeutend, sei froh, daß ich meine rothen Wangen noch habe u sehe zu, daß Du volle u rothe Wangen bekommst, u freue Dich, daß unsere lb Kleinen sie haben u behalten dürfen. Unserem lb Gottreich und der lb Martha von Afrika zu erzählen, habe ich jetzt keine Zeit mehr, weiß auch nichts besonderes, Du weißest (= weißt) ja selber ihnen zu erzählen, wie es ungefähr mit Land u Leuten aussieht. Vielleicht kann ich später einmal ein paar Photographien schicken, weiß aber nicht, wann Locher hieher oder ich zu ihm kommen kann.

<2>

Du schreibst, daß ich Dich nicht 'schmerzlich' vermisse, habe Dir zur Aufrichtung gedient; das ist recht, es ist mir immer mehr leid um Dich als um mich, daß wir getrennt sind, aber ich bleibe bei dem, was ich schon oft gesagt habe, wir haben einander doch noch u können die Hoffnung haben, daß wir einander noch länger zum Segen u zur Förderung gereichen werden. Wenn ich in Akropong mit den Brüdern zusammen war, war es mir oft so, daß ich sie hätte an mein Herz drücken mögen; dieses ans Herz drücken habe ich an Dir gelernt u das schätze ich für einen großen Segen aus unserem Ehebund u unserer Trübsal, gelernt zu haben, was rechte Liebe ist. Zwar geht es nicht an, daß ich e(inen) Bruder ans Herz drücke, wie Dich manchmal, es hat eben ein jeder u ich auch noch so einen Panzer von Eigenwesen u Selbstheit um sich, aber ich fühle doch, daß ein solcher Liebessinn, wie er ohne Beimischung fleischlicher Regungen bei Eheleuten entsteht, das Rechte ist auch in dem Verhältniß zwischen Brüdern und Schwestern, füge ich für Dich doch hinzu: Ich freue mich, bis ich einmal Dich wieder an mein Herz drücken kann, aber ich warte mit Geduld, es macht noch nicht heimweh- und sehnsuchtskrank, weil dieß ja doch nichts helfen und nur schaden würde. Ja ich wünschte, daß ich u Du oder mit Dir nicht nur 'sogar manchmal' sondern täglich 'loben u danken' können, u 'einsehen, daß der Herr alles wohl gemacht hat u machen wird.'

(in diesem 12 Seiten großen Brief beschreibt er umständlich seine jetzige Wohnung, spricht auch von dem, was auf der Stationsconferenz besprochen wurde.)

<3>

(über seine Übersetzungsarbeit): Die Pastoralbriefe (z.B. 1. Timotheus) sind besonders schwierig zu übersetzen, weil manche Ausdrücke und ganze Reihen von Ausdrücken darin vorkommen, die entweder schon im Griechischen zu den selteneren gehören oder ohne daß (= ohne dies) schon in Otschi, das so wenig Eigenschaftswörter hat, schwierig auszudrücken sind. [...]

<4>

Die tägliche Unterrichtsstunde bei den Mädchen hatte vorigen Monat auch ihr Angreifendes oder Entmuthigendes, weil man die 2 älteren Classen zusammen zu nehmen versucht, aber ich habe nun die 7 ältesten allein (2 St Lesen in den Otschi-Evangelien, 3 St Englisch) u gebe die Stunde gerne, nur darf ich (mich) noch nicht so unmittelbar darauf an das Übersetzen hinsetzen u ich hoffe, nun in das rechte Geleise eingewiesen zu sein, u muß eben nun sachte thun, mit mir selber Geduld haben u andere müssen dann auch mit mir Geduld haben.

<5>

Man meint freilich, es sollte das und jenes möglichst bald fertig sein, man sollte da und dort Hebel ansetzen, bessere Grundlagen schaffen usw., man wünschte der Gemeinde, den Erziehungs- und Schulkindern mehr geistige Regsamkeit, Aufmerken, Auffrischung, aber wir vermögen eben den lebendigen Gottesgeist nicht einzuhauchen.

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