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Johann Gottlieb Christaller an Emilie:

über seine berufliche Zukunft; vertraut dabei stets auf den Herrn

(Calw/Teinach, 15. Aug. 1861)

M3,61 G C 4

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Geliebte Emilie! Deine lb Zeilen vom 11. d.M. nebst den zwei Beischlüssen von H Insp. u Br. Hollerb. erhielt ich am Mo Abend. Die Brüder David Dieterle Asante u. Hr Sandrosky (unl.?) kamem am Mo NM von Calw aus zu mir, u ich begleitete sie über Zavelstein noch eine Strecke Calw zu. Am Di Abend gieng ich wieder nach Breitenberg zu H Pf Reitter, der vor nächsten Mo nicht dazu kommen wird, seine Brautreise über Herrenberg nach Winnenden anzutreten, u blieb bei ihm über Nacht.

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Am Mi Morgen traf ich dann auch einen Brief von Br. Mader. Dieser u H Inspektors sagte mir aber nicht viel Neues; H Insp. geht eben noch von der Meinung aus, als erwartete ich eine dauernde Anstellung für afrikanische Literatur, was ja nicht der Fall ist. Das Neue für mich ist nur, daß nun H Insp. eine schriftliche Darlegung meiner Gedanken u Wünsche meine Zukunft betreffend erwartet, u die werde ich mit Gottes Hilfe geben; ob von Teinach aus, bezweifle ich; denn eine solche Arbeit paßt nicht zur Kur. Die ersten paar Tage hier war es mir nicht so ganz behaglich wegen des Bettes, das ich hatte, aber es kam dann anders, u ich denke, der Aufenthalt u das Wasser thun mir gut, aber die drei Briefe haben mich allerdings beunruhigt, der Deine wegen des 'beständigen Angegriffenseins u Schwächefühlens', der von H Insp. u Br. Mader wegen der unrichtigen Voraussetzungen.

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Die Sachen wollen uns eben Glauben lehren, Sterben mit Christo, Auferstehen und Leben in Seiner Kraft. Wir wollen durch die Trübsal uns recht in die Geduld einführen lassen, Geduld bringet Erfahrung, diese Hoffnung, und die Hoffnung auf Gott läßt nicht zuschanden werden. Der Herr wolle durch Seinen Geist uns beten lehren ohne Unterlaß. Lerne Du, bes(onders) auch den lb Kindern gegenüber, Geduld und erzähle ihnen vom lb Heiland. Ach, wir selber sind eben nicht kindlich genug und kennen und lieben den Heiland noch zu wenig.

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... In Teinach ist viel Armuth, sittliche Versunkenheit u eine große Anzahl von Cretinen oder Blödsinnigen. Nächsten So NM soll ich in der Kirche dort eine Missionsstunde halten, morgens 9 Uhr halte ich in dem Konversationssaal Andacht mit den dazu willigen Kurgästen, lezten Samstag war H Dekan Wehl von Stgrt auch unter den Anwesenden, der mich am Tag darauf wohlwollend anredete. Gestern NM war ich in einem Kränzchen mehrer Geistlichen und anderer Herren. Am 24.8. werde ich vielleicht in H Pf Reitters Kirche in Breitenberg predigen. Sorge nicht, daß ich zuviel thue, das kann mir vielmehr zur mehreren Freudigkeit helfen. Trägheit u Müßiggang thun nicht gut. So denke ich um meine drei Wochen voll zu machen, erst am 27. oder 28.8. von Teinach abzureisen, obwohl ich recht gerne sehr bald Dir Dein Schweres erleichtern möchte. Ich laß (=las) vorgestern von dem Liedsingen: 'Oh Durchbrecher', da heißt es: 'Wir verlangen keine Ruhe für das Fleisch in Ewigkeit.' Aber um das tägliche Brot u alles was zur Leibesnahrung u Nothdurft gehört, dürfen wir doch täglich wissen, u der Herr weiß, was wir bedürfen.

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Ich möcht Dir gerne viel schreiben, aber die Zeit geht so schnell herum, heiß ist es u Du nimmst auch mit diesem vorlieb. Ich schreibe dies in H Dr. Barths Haus, wo ich vor dem Mittagessen ankam, um den ins Missionshaus zurückkehrenden Zöglingen (Sam. Gundert u Sandreizky) ein paar Brieflein nach Basel mitzugeben ... .

Schon ists 5 Uhr (ich ruhte bis nach 3 Uhr auf dem Sofa) u jezt wird das Vesper aufgefahren. Gerne hätte ich auch nach Gmünd geschrieben. ... Habe nur in allen Dingen guten Mut, sei getrost u freudig u nicht so gedrückt, wie doch Br. Mader dafür hielt. Was Du mir sagst, sags Dir selber, ich wills auch so machen u der Herr helfe Dir und Deinem treu liebenden G. Christaller. Unsere Kinderlein grüße ich bestens.

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