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Johann Gottlieb Christaller an Joseph Josenhans:

Überlegungen, in welcher Weise Ehefrau Emilie einen zweiten Afrika-Aufenthalt werde antreten können; Mitteilung der Geburt des 4. Kindes Ernst; Frage, wie die anderen Kinder bei einem neuerlichen Afrika-Aufenthalt ihrer Mutter unterzubringen sind

(Winnenden, 16. Nov. 1861)

BM: BV 357 I 26 auch als Konzept in M3,61 G C

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Verehrter u geliebter Herr Inspector! Auf den Beschluß der v. Comm vom 30. Oct., 'daß ich wieder nach Afrika ausgesandt werden solle, wenn auch meine lb Frau, sowohl als ich, volle Freudigkeit dazu gewinne', erwarten Sie von mir Nachricht, wie sich meine Frau darüber ausspreche, welche ich Ihnen hiemit geben möchte.

Als ich am 1. Nov. nach Hause kam, fand ich meine Frau wohl, aber meine beiden älteren Kinder hatten am Tage meiner Abreise nach Basel den Krampfhusten bekommen, zwar vorerst in leichtem Grade, doch so, daß sie seither in der Stube gehalten werden müssen.

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Am 3. Nov. theilte ich Herrn Ob.Med.Rath Zeller die Hauptsache des Beschlusses über mich mit, u er wünschte in den nächsten Tagen das Nähere zu erfahren. Als ich meiner Frau den äußeren Wunsch (in Bezug auf mich inneren Gang meiner Angelegenheit) mitgetheilt hatte, als ich ihr insbesondere sagte, daß ich während meines Aufenthaltes in Teinach auf die dort erhaltenen Briefe von Ihnen meiner Frau u Bruder Mader u die in denselben mitgetheilten Äußerungen Herrn von Zellers hin den im letzten Jahr noch festgehaltenen Rest meiner afrikanischen Hoffnungen 'meinen schriftlichen Arbeiten zu einem nothdürftig befriedigenden Abschluß behufs der gänzlichen Abgabe derselben bringen zu dürfen' in den Tod gegeben u das Isaac Opfer gebracht hätte u deshalb die kurz darauf eingetretene so unerwartete Wendung, insbesondere des Hrn Dr. Zellers Zeugniß, als Fügung u Antwort Gottes erfahren müsse, da sprach sie am Morgen darauf also nach reichlicher Erwägung sich dafür aus: 'Daß sie mein und infolge davon auch ihr Gehen nach Afrika nun auch als den Willen Gottes ansehe u die Zuversicht habe, es werde mir in Bezug auf körperliche Gesundheit u gemüthliche Eindrücke nicht nach ihren bis dahin noch gehegten Befürchtungen, sondern besser gehen als das erste Mal.'

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Mit meinem Gehen, falls dies beschlossen würde, war sie im voraus einverstanden, weil sie mich einem entsprechenden Berufe zurückzugeben wünschte; die erwähnten Befürchtungen, nach welchen sie sich meinen Aufenthalt in Afrika nicht von langer Dauer denken könnte, hätten sie an ihr Zurückbleiben denken lassen, aus der vielfachen Unruhe, Beschwerden u Kosten, die mit Aufgeben der Haushaltung, Unterbringung der Kinder, Reise nach - und Einrichtung in Afrika verbunden wären, zu ersparen.

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Auf den Beschluß der verehrten Committee, 'daß ich allein vorausreisen u meine Frau eine nachherige Reisegelegenheit abwarten, so lange aber am besten bei ihren Eltern in Waiblingen bleiben solle', erklärte sie: 'daß sie sofern es in ihre Wahl gestellt sei, es nicht selber wählen könne, allein zurückzubleiben, wenn es nur für 1/4 oder 1/2 Jahr und nicht wenigstens 1 Jahr wäre, u zugleich zweitens wenn nicht unser ältestes Kind Erdmann Gottreich, geb. d.10. Dec. 1857, in das Missionskinderhaus aufgenommen werden, sie selber aber mit den übrigen Kindern in einem Ort wohnen könnte, wo sie durch persönlichen innerlich aufrichtenden u anregenden Einfluß u Umgang eine Stütze fände, die der an mir gehabten einigermaßen entspräche, u das Alleinstehen mit kleinen Kindern erleichterte. In Winnenden oder Waiblingen glaubte sie diese Stütze nicht zu haben, wohl aber in Basel oder in Stuttgart, etwa auch in Kornthal.'

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Dieser mehr negativen Erklärung schließt sie aber, samt mir einverstanden mit dem wohlbegründeten Grundsatz der Committee, Ehegatten nur bei vorübergehender Krankheit oder Verhinderung des einen Theils zu trennen, die andere positive Erklärung: 'Daß sie, nachdem ihr mit dem Glauben, daß der Herr mich länger in Afrika werde wirken lassen, auch die Freudigkeit geworden sei, gleichfalls nach Afrika zu gehen, es entschieden vorziehen müsse, die Reise dahin zugleich mit mir zu machen, einmal um der Vereinfachung und gegenseitigen Erleichterung willen, und, um für ihre eigene Wirksamkeit in Afrika keine Zeit zu verlieren, sondern auch solange als möglich draußen sein zu können. Diese gemeinsame Reise könnte, wenn nicht schon nächsten Sommer, doch im Spätjahr geschehen, und dann vielleicht auch Martha, bis dahin nahezu vier Jahre alt, in das Mädchenhaus aufgenommen werden.' Diese Erklärungen wünscht sie aber nicht so angesehen, als ob sie, wenn ein oder etliche Puncte nicht gewährt werden könnten, sich nicht willig darein fügen würde; nur sofern sie befragt ist u selber wählen soll, bezeichnet sie damit, was sie wünscht u sich zutraut. Ich selbst gebe ihren Erklärungen meine Zustimmung.

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Als ich am 9. Nov. Hrn Dr. Zeller auch den Entschluß u die Äußerungen meiner Frau mittheilte, billigte er ganz den Gedanken des Zusammenreisens, wünschte aber, bevor ich nach Basel schriebe, auch selber noch mit ihr zu reden. Dies konnte jedoch nicht mehr geschehen, denn schon am 11. Nov. abends stellte sich der erwartete neue Ankömmling ein, indem meine lb Frau von einem gesunden kräftigen Knaben glücklich entbunden wurde. Der Anblick des wohlgebildeten lb Kindleins war uns eine neue Glaubensstärkung u Unterpfand der Güte u Freundlichkeit Gottes, der sich ja aller seiner Werke erbarmt. Da die Wärterin erst drei Tage nachher eintraf u die drei anderen Kinder nicht aus der Stube durften, nahmen diese bei ihrer Lebhaftigkeit u der Beschränktheit unserer Wohnung in dieser Woche meine meiste Zeit in Anspruch. Der Herr wird auch diese Zeit nicht verloren sein lassen; mein Erstgeborener ist sehr begierig nach den biblischen Geschichten, die ich ihm erzähle.

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Vorige Woche studierte ich die 2. Auflage von Dr. Lepsius' Standard Alphabet, setzte noch englische Stunden u Hebräisch wie vorher fort, u machte mich an die nicht überflüssige Berichtigung des Manuscriptes der Arnoldschen biblischen Geschichten in Otschi, die Herr Schultze drucken u ich (wie den gegenwärtig im Druck befindlichen Leviticus in Ga) korrigieren soll.

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Die mir gewordene Aufgabe, einen Leitfaden für den Unterricht in der Otschi-Sprache auszuarbeiten u einen Paulinischen Brief zu übersetzen, habe ich ins Auge gefaßt u hoffe ihr zu genügen, habe deswegen auch für bessere Heizbarkeit meines Hinterstübchens gesorgt. Über die Unzuträglichkeiten unserer Wohnung im Winter u die Hustenkrankheiten der Kinder wird der Herr auch hinweghelfen, wie er voriges Jahr gethan.

Indem ich der v. Comm. für die Sorgfalt, mit der sie stets mein Bestes im Auge hat, und mit der sie auch den letzten Beschluß gefaßt, meinen herzlichen Dank sage u die fernere Gestaltung meines Lebensganges in getroster Zuversicht dem Herrn anbefehle, der seinen Namen an mir u den lb Meinigen und, so es sein Wohlgefallen ist, auch durch uns verherrlichen wolle, verbleibe ich in Hochachtung u Liebe Ihr dankbar ergebener G. Christaller.

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