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Emilie an Johann Gottlieb Christaller:

Emilie bedauert, daß ihre Ziegler-Familie in Religionsfragen andere Wege zu gehen scheint

(Basel, 5. Mai 1860)

M3,60 Em 1

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[...] Am letzten Do erhielt ich richtig Deinen Brief, Br. Huber brachte ihn mir aus dem Missionshaus. Es freut mich, daß Du befriedigt bist über Deine Reise, hauptsächlich weil Du mit Hrn Zeller nach Wunsch reden konntest. Ich dachte an jenem Sa NM viel an Dich, weil ich vermuthete, Du seiest jetzt dort.

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Du glaubst nicht, wie ich oft ganz hungere und dürste darnach, daß doch auch eins von den Meinen (d. i. in Waiblingen) sich lebendig und von ganzem Herzen auf den Weg des Lebens wende, ach, nur auch eins; ich meine, es wäre auch für mich ein Segen, den ich nothwendig brauche; was hat den die Welt? Was baut sie an? ach, man sieht's an dem armen Weltkind. [...] Es ist jammervoll.

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Uns gehts gottlob wohl, der Herr versorgt u bewahrt uns nach Deiner Bitte von einem Tag zum andern, wir freuen uns des schönen Wetters u genießen es recht im Garten, oft schon von morgens 6 Uhr an, wenn die Vögel noch ihr Morgenlied singen. Das lb Marthele läufelet schon ganz allein u sicher auf dem Kiesel u jubelt laut wie ein Büble, sie bekommt wirklich oben u unten je zwei Zähne; Gottreich freut sich auf den Mi u wenn man fragt, was bringt der Papa? dann heißts: Schuhe u ein Zuckerle. Als ich einmal betrübt zu ihm sagte, der Papa ist schon so lang nicht mehr gekommen u hat der Mama noch keinen Brief geschrieben, da streichelte er ganz teilnehmend mein Gesicht u sagte: Er kommt wieder.

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Frl. Scholtz ist sehr betrübt und halbkrank, 'H(err) Insp. war den Tag nach seiner Ankunft bei ihr und hat dort sehr, wie ers kann, mit ihr geredet, so daß sie mir von Entlassung sprach. Ich glaube, sie hat schon sowas brauchen können, aber sie hats ja wirklich auch ohnedies schwer genug; es schien mir, als denke sie wieder an ihr liebes Rußland.

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