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Emilie Christaller an Johann Gottlieb Christaller

(Basel, 22. Juli 1859)

M3,59 Em 4

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Grüß Dich Gott, mein lb theurer Gottlieb. Dein mir sehr liebes Briefchen erhielt ich gestern vor dem Essen, das mir dann doppelt schmeckte, ich freu mich, daß Du gut an Ort und Stelle kamst und danke Dir, daß Du mir das Bild geschickt hast. Ich kann nun sehen, wie Du herumläufst. Freilich wärs netter, wenn ich das Bild im Original sehen und bei Dir sein könnte. Doch kann ich mich darein schicken, daß dies nicht sein kann, und merke, wir können vieles, zuletzt alles entbehren, nur eines nicht, unseren Heiland. Wenn der von Zeit zu Zeit fort müßte, ach, was wär das noch ärger als wenn ich die lb Martha liegen ließe und ginge fort; gottlob, daß wir einen solchen Herren haben; doch mußt Du diese Worte nicht als eine allzuweit gehende Zufriedenheit auslegen, ich fühle es wohl und erfahre es durch unsere Trennung: Ich kann nicht mit ruhigem Gewissen sagen: wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts [...] sonst hätte ich Angst, der Herr stelle mich auf eine solche Probe und ich weiß, ich könnte sie noch nicht bestehen.

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Darum auch hier: mein alles sich zum Ernst aufs neue strecket; der treue Hirte bringe uns durch Beieinander und Getrenntsein nur vorwärts, immer vorwärts; Du liest vielleicht Unterstrichenes mit einem Seufzer oder doch mit Wehmut, es ist mir, als sähe ichs, aber traue dem Bauherrn. 'Die vollendete Arbeit wird oft von einigen unansehnlichen Lumpen bedeckt,' las ich gestern in Lopsteins Weckstimmen; nicht soll das heißen: ich bin zufrieden, wie es ist, und Du sollst's auch sein, und das Weitere wird von selbst kommen, und wie Du mir als mein Ruhigersein auslegst, nein, Mut wollen wir uns machen zum Weitergehen; doch wir haben schon genug hierüber gestritten, und das bringt uns nicht vorwärts, darum punctum. [...] Aber das wollen wir thun, uns immer mehr im Heiland lieben lernen, dann haben wir auch in Ihm Ersatz, wenn wir getrennt sind.

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Den Abend, ehe Hr Inspektor abreiste, ging er an mir vorbei ins Kinderhaus u sagte, ich soll Dir noch einen Gruß von ihm schreiben u Du sollst nur Deine Zeit aushalten, u zu mir sagte er; ich soll Dich nicht locken; das hat mich aber ein wenig erzürnt. Ich möchte ihm aber mal nur auch einen Brocken für die Seinigen hinwerfen, d. h. hinwerfen können, denn ich bringe immer die geeignete Zeit dafür mit Übelnehmen u Erzürnen zu. [...]

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Nun, lb. lieber Papa, weiß ich auch weiter nichts zu schreiben, möchte aber nur mit dem Brief gehen und ein Weilchen (wegen den Kindern) bei Dir sein. Es fehlt mir immer etwas u wenn ich mich darüber besinne, so ists, ich kann mich nicht anders darüber ausdrücken, als es fehlt mir ein Stück von mir, ich denke, es ist auch eine Art Heimweh. Laß Dir an essen u trinken nichts abgehen. Der Herr segne Dir die Kur. Lauf auch nicht zuviel, mach lieber weniger Ausflüge. Bei Nacht gehts mit den Kindern gut, ich hatte am Montag keine Schmerzen mehr u seither nimmer. Der Herr sei mit Dir und Deinen Emilie, Gottreich u Martha.

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