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Johann Gottlieb Christallers Dankschreiben an Eltern Ziegler, dafür, daß ihm die Braut nun zuteil wurde

(Akropong, 6. Jan. 1857)

Nbrg, Em 8 (auch in M3 teilweise enthalten)

<1>

Theure, innigst verehrte Eltern meiner lb Emilie!

Es ist mir eine recht am Herzen liegende Pflicht, Euch, theuerste Eltern, mit dem ersten Briefe, den Euch Eure geliebte Tochter von Afrika schreibt, meinen tief gefühlten Dank auszudrücken u Euch um An- und Aufnahme in Euren Familienkreis, soweit dieß bei einem Unbekannten in der Ferne Weilenden, möglich ist, zu bitten.

<2>

Ihr habt, indem Ihr um des Herrn willen Eure Tochter dem Zuge und Rufe zu Seinem Dienst unter den Heiden folgen ließet, und sie in Selbst-Verläugnung Ihm übergabet, zugleich mir, dem Unbekannten, es zu Theil werden lassen, Eure geliebte Tochter auch meine geliebte Emilie nennen zu dürfen, meine vorerst als verlobte Braut, und will`s Gott, von heute über 3 Wochen als glückliche und mich beglückende Ehegattin.

<3>

[...] Daß Ihr sie so mein werden lasset, hat sie zwar Eurer unmittelbaren Nähe entrückt, aber dennoch habt Ihr sie gegeben, ohne sie zu verlieren, durch das Anrecht an sie, das mir zu Theil wird, habt Ihr das Eurige nicht eingebüßt. Freilich werdet Ihr in diesem Falle kaum zugeben können, daß Geben seliger ist als Nehmen, und an mich würde es sich seltsam schicken, zu sagen, es sei doch so.

<4>

Ich will dieß auch nicht behaupten, denn ich weiß gewiß und das glaube ich aber auch zuversichtlich, daß ich Eure Emilie in gewissem Sinne Euch nehme und aus Eurer und des Herrn Hand hinnehmen darf, wird mir nicht nur zur Glückseligkeit gereichen, sondern auch zur Seligkeit.

<5>

Denn wir sollen ja auch durch einander geheiliget werden, einander selig machen durch gegenseitiges Ermuntern zum Trachten nach dem, das droben ist, einander helfen in der Zubereitung auf jene Welt, wo man weder freiet, noch sich freien läßet. So ist mir mein Nehmen ein seliges, aber Euer Geben wird Euch auch ein seliges sein.

<6>

Euch, theuerste Eltern, Euren lieben übrigen Kindern und unserer lb Emilie, so weit sie sich Euch nahm u mir gab, wird diese Trennung, dieses Verlassen um des Reiches Gottes willen, vielfältig vergolten werden in dieser Zeit u in der zukünftigen Welt durch das ewige Leben.

<7>

Ich zweifle daran gar nicht, daß Ihr für das Hergeben Eurer Tochter reichen, inneren Segen hinnehmen werdet.

<8>

Ich hoffe zum Herrn: Er werde an mir und Emilien seine Huld und Gnade noch ferner beweisen, und uns einander und dem Werke, in das er uns berufen, zu Seinem Preise und zum Segen für viele, noch lange erhalten.

<9>

Ich habe mir schon in meiner ersten Zeile erlaubt, Euch als 'Eltern' anzureden, denn bis Ihr diesen Brief erhaltet, hoffe ich mit Eurer Emilie durch die von Gott geordneten, u vor Menschen gültigen, uns unauflöslichen Bande verbunden zu sein, u wir haben schon in den ersten Tagen unsrer Bekanntschaft den Grundsa(t)z aufgestellt: Alles, was mein ist, das ist Dein, u was Dein ist, das ist mein, u da habe ich dieß auch auf Euch ausgedehnt u gedacht: in traulichen Briefen dürfe ich schon statt 'Schwiegereltern' das herzlichere 'Eltern' gebrauchen. Ich bitte Euch aber hiemit noch um Eure Erlaubniß, u um Annahme als Sohn 1in diesem Sinne. Ich bin bei dem Grundsatz: Alles, was mein ist etc in mehr als Einer Hinsicht der Gewinnende, bekomme z.B. wieder Eltern u. 8 Geschwister; zur Gegengabe an Euch habe ich nur mich selber u dann auch 2 liebe Schwestern u Schwäger; 2 Schwestern meiner selg. Mutter leben in Grunbach. Ich freue mich auf die Fortsetzung des nun zwischen Akropong u Waiblingen begonnenen Briefwechsels, u verbleibe Euer in herzlichster Liebe u Dankbarkeit ergebener Gottlieb Christaller.

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