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Johann Gottlieb Christaller an Mutter und Schwestern:

über Probleme seiner Ausbildung und der etwaigen Aussendung auf das Missionsfeld

(Basel, 4. Dezember 1850)

Nbrg JG Chr 16

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Eben komme ich von der kirchengeschichtlichen Vorlesung des Prof. Hagenbach auf der hiesigen Universität, wohin meine Classe jeden Morgen um 8 Uhr (Samstag neuerdings ausgenommen) zu gehen hat, außer Bruder Irion. Dieser ist gegenwärtig Senior und sagte mir, als ich im großen Lehrsaal meinen Rock wechselte: drinnen hast Du einen ganzen Pack Briefe. Die fand ich zwar auf meinem Pult nicht so groß, fand auch keinen Brief von meinen Freunden dabei, aber doch machte mir der Eurige eine große Freude. Ich las ihn sogleich, während ich ein Stück Brod und Wurst von gestern Nacht aß, und will nun gleich einen Brief an Euch beginnen, den ich ohnedieß heute und zwar gerade in diesen 3/4 Stunden angefangen hätte. Um 10 Uhr kommt Hr Pfarrer Geß zur ebräischen Exegese und in der folgenden Stunde gibt er Dogmatik. Den Wunsch, den Du lb Hanna nach 1.Thess 5,23 und Goßner an meinem Geburtstage mir niedergeschrieben hast, fand ich nicht gleich in dem Schatzkästchen (Bruder Hermann, nahe bei mir stehend hat es), dagegen erinnerte mich der 20. Nov. an den Spruch Phil 3 13,14, der mir unlängst auch wieder wichtig geworden war und immer mehr zur Wahrheit werden muß, besonders auch beim Rückblick auf ein wieder dahingeschwundenes Lebensjahr.

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den 19. Dec. 1850: Ich entschloß mich, als ich wie Ihr seht, abbrechen mußte, noch zu warten, habe inzwischen mit dem Packet 1 Jahresbericht von dem Ihr beliebigen Gebrauch machen könnt, 1 sehr anziehendes Missionsbüchlein (..., das aber 13 Kr kostete) und einige Kleinigkeiten an Euch abgehen lassen, und komme jetzt erst daran, in knapp zugemessener Zeit noch Weniges zu schreiben.

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Ich hatte am vorlezten Dienstag eine Predigt (den Donnerstag zuvor eine Katechese) zu halten über Römer 5 1.2, am lezten Donnerstag, vor acht Tagen hatten wir mündliches Examen, (am 1. Novbr hatte meine Classe ein Examen auf der Universität mitgemacht, am 6. und 7. Novbr hatten alle 4 Cl(assen) schriftliches Examen im Hause) und dann machten wir vom Donnerstag Abend an die schleunige Herbeischaffung von Büchern und die Versendung von zwei Kisten für die nach Ostafrika von London aus mit Dr. Krapf abreisenden Brüder Diehlmann und Pfefferle bis Samstag Nacht und dann vom Montag an noch verzeichnete und Briefe bis gestern Abend zu schaffen; die Lectionen giengen fort, und außerordentlicher Weise hatte ich noch mit Bruder Mader alle Tage Odschi. Er reist heute nach Stuttgart, wird am Sonntag in Herrenberg ordinirt, kommt am 9. Jan. aus seiner Heimath zurück und reist Mitte Januar nach London und Africa ab an Bruder Steimles statt; von letzterem hätte ich freil(ich) nach Hrn Müllers und Euch schon schreiben sollen wegen eines mit einer hier dienenden Würtembergerin angeknüpften Verhältnisses, gegen die Regel unserer Hausordnung, wurde er, statt am 4. Nov früh nach Africa abzureisen, am 3. Nov entlassen. Süß reiste allein, Steimle auch, aber nach Calw, Stuttgart, und von da aus durch Unterstützung der Freunde in Stuttgart nach Amerika. Das waren merkwürdige traurige und wunderbare Tage und Ereignisse.

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Mit meiner Aussendung nach Africa steht es, wenn ich gleich mit Mader Odschi lernte, noch im weiten Feld, es ist nicht ausgemacht, daß ich dorthin komme, oder kann es noch 2 bis 3 Jahre anstehen, wie Hr Inspector sagte.

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Am 28. Dec. geht ein Bruder von hier aus als Weber nach Mangalur ab, da könnte man sehr gut Briefe an Frau Müller mitgeben, wenn Ihr und Hr Müller am Christfest schreiben und sie am 26. hieher auf die Post thun würdet. Ich wußte es nicht bälder. Die drei mitfolgenden Büchlein (unseres Lehrers in der Voranstalt Hrn Eppler) habe ich für Merkle, Rapp und Hrn Gauger bestimmt (es kostet zwar 20 Kr), Hrn Gauger lasse ich herzlich grüßen und ihn dagegen bitten um 1 Ex. von Sterns Lesebuch, der alten (abgängigen Ausgabe wo der 2. und 3. Teil noch nicht gesondert sind); Ihr könntet mir vielleicht auch Heims Bibelstunden durch das Packet mitschicken und einige Gulden Geld, ich will nachher wegen dieser Wünsche mich rechtfertigen. Als ich Hanna Ilg sagte, daß ich ihr mit Gelegenheit einen Brief mitschicken könne, sagte sie, sie möchte ihrer Mutter 2 Gulden 22 Kr schicken, und die hätte ich hier in Empfang nehmen und ausbezahlen mögen, es wäre mir sehr lieb gewesen, nun hat sie mir aber nur den Brief geschickt und ich hatte keine Zeit mehr hinzugehen.

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Ich habe wahrscheinlich am Christfest in Laufelfingen etwa 6 Stunden von hier im Kanton Baselland zu predigen, das erste Mal auf einer Kanzel, ich schreibe das der Fürbitte wegen.

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Nun meine nächsten Briefe sollen keine solche(n) Eilbriefe mehr sein. Der Herr segne Euch und schenke Euch gesegnete Feiertage und ein gutes Neues Jahr. (Grüße.) Schreibt mir auch, wie es geht in Siegelhausen, Grunbach (Elberfeld). Von dem lb Rapp haben wir gestern Briefe bekommen und Irion hat ihm gleich geantwortet, was ihn freuen wird. Bei all meinem Elend und meiner Schwachheit kann ich doch immer wieder freudig sein und Gott unsern Heiland loben und rufe auch Euch zu: Freuet Euch in dem Herrn allewege. Der Herr möge in Gnaden sein Erlösungswerk, wozu er gekommen ist, an uns allen hinausführen! Euer G. Chr.

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