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1. Vorwort der Herausgeber

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Diese Sammlung von Texten zum Konflikt in Mali enthält Arbeitspapiere aus einer Seminarveranstaltung desselben Namens am Institut für Afrikanistik der Universität zu Köln im Wintersemester 2013/2014. Es sind Texte des Dozenten und der Studierenden aus den Fachrichtungen Afrikanistik, Ethnologie und Islamwissenschaft. Der Dozent ist Historiker, Fachgebiet Afrikanische Geschichte.

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Die Fragestellung des Seminars betraf den aktuellen Konflikt in Mali, seine Ursachen, Erscheinungsformen, seine globale Bedeutung und seine Konsequenzen. Das zentrale Problem war die Frage nach den Zielen der Aufständischen, der Tuareg, und der islamistischen Gruppen Ansar Dine, AQMI und MUJAO. Ging oder geht es ihnen um die Autonomie bzw. die völkerrechtliche Unabhängigkeit des nördlichen Teiles ihres Landes, also des Lebensraumes der Tuareg und anderer Völker, oder um die Re-Islamisierung dieses Nordens bzw. des ganzen Staates Mali oder gar des Großraumes Westafrika? Was würde eine Re-Islamisierung beinhalten, die Rückkehr zu den ursprünglichen Lebensformen des Islam, die Einführung der Scharia, den Umbau des demokratisch verfassten Staates Mali in einen islamischen Gottesstaat? Oder ging es ihnen um den Aufbau einer islamistischen Hochburg, von der aus terroristische Angriffe in viele Teile der Welt, vor allem in Europa, organisiert werden könnten?

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Es ist verständlich, dass erschöpfende Antworten auf diese Fragen nicht gefunden werden konnten; schließlich hat keiner der Teilnehmer Feldforschung in Mali durchführen können. Das bescheidenere Ziel des Seminars und dieser Papiere ist es daher, durch immer weiter führende Fragen und die Nutzung von Forschungsergebnissen Anderer dem Kern des Problems näher zu kommen und größere Einsicht in die Komplexität eines Konflikts zu wecken, der unabsehbare Folgen und eine globale Dimension hat, die das heutige Zusammenleben der Völker betrifft.

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Die großen Themenblöcke sind: der Konflikt und seine Dimension, die Tuareg und ihre Rebellionen, die Rebellen und die Mujaheddin, die Städte Timbuktu und Gao, die internationale Militärintervention. Sie werden durch Überblickstexte eingeleitet und durch Einzelthemen aufgeschlüsselt. Eine Zusammenfassung am Ende bietet eine Zusammenschau.

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Die verwendeten Materialien waren Quellen, von beteiligten Akteuren oder Organisationen, im Internet zugänglich; die internationale Fachliteratur sowie Informationen aus Zeitungen, Magazinen und Fernsehsendungen. Zeitungen aus Mali waren nicht verfügbar. Ein großes Handicap war die Tatsache, dass nicht alle Teilnehmer des Seminars über ausreichende Französisch-Kenntnisse verfügten und dass die meisten vor Seminarbeginn keine vertieften Vorkenntnisse hatten.

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Die Zeitleiste der Papiere geht von der Blüte des Reiches Mali im 13. Jahrhundert bis zum Ende des Jahres 2013. Neuere Entwicklungen konnten nur vereinzelt berücksichtigt werden.

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Das methodische Vorgehen im Seminar beruhte auf der Diskussion der Texte. Zu jedem Themenkomplex wurde ein Überblick geboten, der durch die Präsentation von Einzelthemen ergänzt wurde.

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Das Ergebnis des Seminars und dieser Papiere ist die Erkenntnis, dass dieser Konflikt die lokale oder regionale Ebene übersteigt. Es wird deutlich, dass erstens die Zukunft der demokratischen Organisationsform von Staaten der ehemals kolonisierten, nicht-westlichen Welt auf dem Spiele steht. Und zweitens: die Suche nach einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungsmodell, das dem kulturellen Erbe dieser Gesellschaften und Staaten stärker angemessen ist als das vorherrschende westliche, hat neue Formen und eine größere Dringlichkeit angenommen.

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Die Veröffentlichung erfolgt, obwohl der Konflikt aus den Schlagzeilen der Öffentlichkeit verschwunden ist. Er ist aber nicht gelöst, und eine Aussicht auf eine baldige Befriedigung besteht nicht. Zwar erscheint die staatliche Integrität Malis durch die Präsidentschaftswahlen im Juli 2013 und die Beendigung der französischen Militärintervention formal gesichert, aber der Staat Mali ist offenbar im Norden des Landes nicht präsent; dort herrschen radikale Gruppen, die Sicherheit der Menschen ist nicht gewährleistet, und „diese Situation verschlechtert sich zunehmend seit Mitte Mai 2013. Der Staat hat sich weitgehend aus dem Norden zurückgezogen. Das Vakuum wird durch radikale Gruppen gefüllt, die um die Kontrolle des Territoriums und der wichtigsten Schmuggelstraßen gegen einander kämpfen.“ [1] Der Konflikt erscheint nur zu lösen durch Verhandlungen zwischen dem Staat und allen Gruppen; dabei müsse auch ein neues Gesellschaftsmodell ausgearbeitet werden, das die Beteiligung aller Gruppen an den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen sicherstellt und in dem das Selbstverständnis des Staates und die Rolle des Islam neu definiert werden. [2]

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Die Autoren und Autorinnen der Texte sind für Inhalt und Präsentation selbst verantwortlich.

Köln, im Dezember 2014.

Leonhard Harding und Pascal Krempel



[1] International Crisis Group, Briefing Afrique, N° 104, 18.11.2014, Mali: dernière chance à Alger, 13-14.

[2] Siehe die Berichterstattung im Deutschlandfunk „Hintergrund“, 24.11.2014, 18.40 Uhr.

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