Startseite / Archive / 2015 / 5.3 Internationale Militärintervention in Mali - Die Intervention der Vereinten Nationen
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1. Einführung

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Die internationale Militärintervention in Mali begann Anfang Januar 2013, als französische Truppen im Rahmen der Militäroperation 'Serval' auf Bitte der malischen Regierung [1] im Land eintrafen, um die Regierung Malis im Kampf gegen militante Gruppen im Norden des Landes zu unterstützen. Ausschlaggebend war das unerwartet schnelle Vorrücken bewaffneter Gruppierungen aus dem Norden Malis in Richtung der Hauptstadt Bamako (ICG, 2013: 6ff). Im folgenden Text werden die Ereignisse geschildert, die zur Entsendung von Friedenstruppen der Vereinten Nationen in die Republik Mali geführt haben. Darüber hinaus soll die Zielsetzung der Vereinten Nationen deutlich gemacht werden. Methodisch wird dabei in erster Linie auf Quellen der Vereinten Nationen zurückgegriffen, welche die rechtliche Grundlage der Militärintervention darstellen.

2. Vorgeschichte der Intervention

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In einem Bericht des UN-Generalsekretärs zur politischen Situation in Mali Ende 2012 werden sowohl strukturelle als auch unmittelbare Faktoren als Auslöser für den Konflikt in Mali benannt. Zum einen trugen schwache staatliche Institutionen, eine ineffektive Regierungsführung, eine schwach ausgeprägte soziale Gemeinschaft und die Perzeption sozialer Ausgrenzung und Benachteiligung durch Teile der im Norden lebenden Bevölkerung zur Entstehung des Konfliktes Anfang 2012 bei. Zum anderen werden Korruption, Nepotismus, Machtmissbrauch und die Schwächung des Militärs durch die herrschende Elite Malis als unmittelbare Faktoren des Konflikts angeführt (United Nations Security Council 28 November 2012). Der coup d’etat vom 22. März 2012 beschleunigte den Verlust staatlicher Autorität in den nördlichen Regionen des Landes, was die Übernahme der Kontrolle durch die MNLA [2] und später durch andere Gruppierungen wie MUJAO [3], Ansar Dine und AQIM [4] begünstigte.

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Im Anschluss an die Tagung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen am 5. Juli 2012 wurde in der UN-Resolution 2056 (UN-Security Council 2012b) erstmals das Vorgehen des UN-Sicherheitsrates in Bezug auf die politische Lage in der Republik Mali diskutiert. Im Rahmen weiterer Beschlüsse sollten die Vereinten Nationen in enger Zusammenarbeit und in Absprache mit regionalen Organisationen eine Art road map zur Wiederherstellung verfassungsmäßiger Ordnung und staatlicher Autorität in Mali erstellen. Der UN-Generalsekretär wurde damit beauftragt, in Absprache mit regionalen Organisationen, darunter auch repräsentativen Vertretern aus dem Norden Malis, eine Strategie in den Bereichen Sicherheit, Regierungsführung, Entwicklung, Menschenrechte und humanitäre Angelegenheiten zu erarbeiten. Der zentrale Aspekt in der Ausformulierung der politischen Zielsetzung war die Wiederherstellung der territorialen Integrität des Staates Mali. Zudem wurde die Bedrohung, die von terroristischen Elementen in Nordmali ausgehe, angesprochen und die Verwüstung von UNESCO-Weltkulturerbstätten verurteilt. Die Situation in Mali stelle eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit in der gesamten Region dar. Der Sicherheitsrat verabschiedete zwar noch keine eingreifenden Maßnahmen, nahm jedoch die Anfragen der Economic Community of West African States (ECOWAS) und Afrikanischen Union (AU) nach der Autorisierung einer militärischen Eingreiftruppe zur Kenntnis und beschloss, die Situation in Mali weiter zu prüfen.

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Die Resolution 2071 des UN-Sicherheitsrates (UN Security Council 2012c) vom 12. Oktober 2012 nahm Bezug auf die Anfragen der malischen Übergangsregierung an UN und ECOWAS, in denen um eine Prüfung zur Entsendung internationaler Friedenstruppen gebeten wurde. Diese sollten die nationalen Streitkräfte in ihrer Aufgabe unterstützen, das Staatsgebiet wieder unter Kontrolle zu bringen. Die Entsendung von internationalen Truppen wurde erstmals in Erwägung gezogen. Zudem äußerten sich die Mitglieder des Sicherheitsrates weiterhin besorgt über den Einfluss terroristischer Gruppierungen im Norden Malis. So wird der Gesandte der Côte d'Ivoire mit den Worten zitiert: "The clock is ticking and every day that passes brings more suffering to the people trapped by the terrorists. […] Inaction is no longer an option." (United Nations Security Council 2012a) In Bezug auf die politische Zielsetzung der Vereinten Nationen wurde die Wahrung bzw. Wiederherstellung von Souveränität, Einheit und territorialer Integrität des Staates in Mali, wie bereits in der Resolution 2056, in den Vordergrund gestellt. Im Oktober 2012 reagierte der UN-Generalsekretär auf die Forderungen des Präsidenten und des Außenministers von Mali, nach Unterstützung der nationalen Armee durch internationale Streitkräfte und entsandte eine Delegation zur Einschätzung der Situation und der benötigten Unterstützung nach Bamako (United Nations Security Council, 28.11.2012) [5].

3. Resolution 2085 des Weltsicherheitsrats

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Am 20. Dezember 2012 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 2085 (UN Security Council 2012d), die ein militärisches Eingreifen durch westafrikanische Streitkräfte international und völkerrechtlich legitimierte. Die Entsendung der African-led International Support Mission to Mali (AFISMA) der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS wurde für einen Zeitraum von zunächst einem Jahr, gemäß Kapitel VII der UN-Charta, autorisiert. Das Mandat umfasste, unter Rücksichtnahme auf die Souveränität, territoriale Integrität und Einheit Malis und im Einklang mit Menschenrechten und international geltendem Völkerrecht, in erster Linie die Unterstützung beim Aufbau staatlicher Sicherheitskräfte und militärische Hilfe bei der Rückeroberung von Gebieten, die von Terroristen, Extremisten und bewaffneten Gruppierungen, einschließlich AQIM und MUJAO, kontrolliert wurden. [6] Die vorrangigen Ziele der Mission waren demnach die Unterstützung der malischen Regierung im Kampf gegen islamistische Rebellen im Norden des Landes und die Reetablierung staatlicher Autorität in diesen Gebieten, um einen Schutz der dort lebenden Zivilbevölkerung zu gewährleisten. Im Rahmen der Resolution wurden zudem Sanktionen gegen Mitglieder von MUJAO und anderen Personen, die in Verbindung zu AQIM standen, beschlossen. [7] Mit einem zeitnahen Beginn der Mission wurde nicht gerechnet.

4. Die Umsetzung der Resolution MINUSMA

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Der unerwartete Vormarsch von Rebellengruppierungen in Richtung Süden und die unmittelbare Militärintervention durch Frankreich Anfang Januar 2013 veranlassten westafrikanische Staaten, allen voran Nigeria, jedoch schon Mitte Januar, erste Truppenkontingente nach Mali zu entsenden. [8]

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Mitte Februar 2013 wandte sich der damalige Präsident der Übergangsregierung Traoré in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mit der Bitte, die Mission AFISMA der Westafrikanischen Staatengemeinschaft zu stärken und in eine Mission der Vereinten Nationen zur Stabilisierung und Friedenssicherung zu integrieren. Der nachfolgende Beschluss des UN-Sicherheitsrates ist in diesem Zusammenhang zu sehen und stellt eine Art Intervention by Invitation dar. [9] Die gegenwärtige UN-Resolution 2100 (UN Security Council 2013), die den Einsatz der internationalen Friedensmission United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (MINUSMA) autorisiert, wurde am 25. April 2013 vom Sicherheitsrat einstimmig beschlossen und gemäß Kapitel VII Artikel 42 der UN-Charta mit einem sogenannten "robusten Mandat"  [10] ausgestattet. Die maximale Truppenstärke sollte sich auf 11.200 Militärstreitkräfte und 1.440 Polizeikräfte belaufen, welche durch eine angemessene zivile Komponente unterstützt würden. [11] Zudem werde die Stabilisierungsmission AFISMA fortan in MINUSMA übergehen. [12] Anfang Juni 2013 begann die Stationierung. Im November 2013 waren jedoch de facto nur 5.397 Blauhelmsoldaten, 950 Polizisten, 132 internationale zivile Mitarbeiter, 105 lokale zivile Mitarbeiter sowie 20 Freiwillige Helfer in Mali stationiert. [13] Dieser Umfang stellte lediglich knapp die Hälfte des für Ende 2013 angestrebten 12.000 Mann starken UN-Kontingents dar (BBC 31.12.2013). Darüber hinaus sei MINUSMA, laut Bert Koenders, UN-Sondergesandter für Mali, noch nicht ausreichend ausgestattet. Es fehlten beispielsweise Helikopter, welche die Truppenbereitstellung beschleunigen und den Schutz der Zivilbevölkerung auch in abgelegenen Gebieten erleichtern würden (BBC 16.10.2013). Diese personellen und technischen Defizite sind gerade im Hinblick auf die geplante Reduzierung und den späteren Rückzug französischer Truppen von Bedeutung.

5. Die Zielsetzung der UNO-Intervention

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Die grundlegenden Ziele der Mission sind "Supporting political process and helping stabilize Mali"  [14]. Das Mandat umfasst die Stabilisierung von dicht besiedelten Regionen, die Wiederherstellung staatlicher Autorität auf dem gesamten Staatsgebiet, die Förderung von politischem Dialog, die Ansetzung von Wahlen, die Sicherung und Wahrung der Menschenrechte, humanitäre Unterstützung, die Bewahrung von Kultur und die Durchsetzung von nationalem sowie internationalem Recht. [15] In diesem Zusammenhang wurden alle nötigen Maßnahmen, die zur Durchsetzung dieser Ziele nötig sind, vom Sicherheitsrat autorisiert. [16] Ferner wurden durch die Resolution die Präsenz und das weitere Vorgehen französischer Truppen im Rahmen dieses Mandats rechtlich legitimiert. [17]

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In Hinblick auf den zukünftigen Tätigkeitsbereich von MINUSMA bleibt einerseits abzuwarten, ob sich die UN-Mission der Terrorismusbekämpfung im Norden des Landes zuwendet, was die primäre Aufgabe der französischen Intervention und von AFISMA gewesen zu sein schien (ICG, 2013:40). Andererseits muss geprüft werden, inwiefern die Mission ihrer Hauptaufgabe gerecht wird, die Sicherheit und politische Situation im Land zu stabilisieren und staatliche Autorität im Norden des Landes wiederherzustellen, um den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten.

Literatur:

Bannelier, Karine / Christakis, Theodore 2013

‘Under the UN Security Council’s Watchful Eyes: Military Intervention by Invitation in the Malian Conflict.’ Leiden Journal of International Law 26: 855-874

BBC 12.03.2013

Mali crisis: Key players, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-17582909 (05.09.2014)

BBC 16.10.2013

UN peace force in Mali ‘needs troops and equipment, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-24560559 (05.09.2014)

BBC 16.10.2013

Mali crisis: France announces big troop cuts, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-25561019 (05.09.2014)

International Crisis Group 11.04.2013

‘Mali: Security, Dialogue and Meaningful Reform’ (Africa Report No. 201), http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/africa/west-africa/mali/201-mali-securiser-dialoguer-et-reformer-en-profondeur-english.pdf (05.09.2014)

United Nations 2014

‘MINUSMA Facts and Figures.’ (MINUSMA United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali), http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minusma/facts.shtml (05.09.2014)

United Nations Security Council 2012a

Security Council 6846th Meeting (PM) Adopting Resolution 2071 (2012): “Security Council Demands that Armed Groups Cease Human Rights Abuses, Humanitarian Violations in Northern Mali”, http://www.un.org/News/Press/docs//2012/sc10789.doc.htm (05.09.2014)

United Nations Security Council 2012b

“Report of the Secretary-General on the situation in Mali (S/2012/894)”, http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2012/894 (10.09.2014)

United Nations Security Council 2012c

Resolution 2056 (2012) Adopted by the Security Council at its 6798th meeting, on 5 July 2012, http://unowa.unmissions.org/Portals/UNOWA/Security%20council/Resolution%202056.pdf (05.09.2014)

United Nations Security Council 2012d

Resolution 2071 (2012) verabschiedet auf der 6846. Sitzung des Sicherheitsrats am 12. Oktober 2012, http://www.un.org/depts/german/sr/sr_12/sr2071.pdf (05.09.2014)

United Nations Security Council 2012e

Resolution 2085 (2012) Adopted by the Security Council at its 6898th meeting, on 20 December 2012, http://unowa.unmissions.org/Portals/UNOWA/Security%20council/Resolution%202085.pdf (05.09.2014)

United Nations Security Council 2012f, (SC/10789) 12 October

6846th Meeting (PM): Adopting Resolution 2071 (2012), Security Council Demands that Armed Groups Cease Human Rights Abuses, Humanitarian Violations in Northern Mali Text States Readiness to Consider Requests for International Military Force

United Nations Security Council 2012g, 28. November

Report des UN-Generalsekretärs vom 28. November 2012 zur Situation in Mali, http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2012/894 (10.09.2014)

United Nations Security Council 2012h, 30. November

Report of the Secretary-General on the United Nations Disengagement Observer Force for the period from 1 July to 31 December 2012, http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2012/897 (10.09.2014)

United Nations Security Council 2013

Resolution 2100 (2013) Adopted by the Security Council at its 6952nd meeting, on 25 April 2013, http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minusma/documents/mali%20_2100_E_.pdf (05.09.2014)



[1] Dioncounda Traoré, Präsident der Übergangsregierung, wandte sich zum einen an den Präsidenten der Elfenbeinküste und Vorsitzenden der ECOWAS, Alassane Ouattara, der François Hollande über eine vermeintliche terroristische Bedrohung informierte. Zum anderen schrieb Präsident Traoré einen Brief an den französischen Präsidenten, in dem er um Unterstützung bat (ICG, 2013:6).

[2] 'Mouvement National de Libération de l’Azawad'

[3] 'Mouvement pour l'unicité et le jihad en Afrique de l'Ouest'

[4] AQIM = Al-Qaeda in the Islamic Maghreb

[6] Paragraph 9 (a) und (b) der Resolution 2085 des UN-Sicherheitsrates. http://unowa.unmissions.org/Portals/UNOWA/Security%20council/Resolution%202085.pdf

[7] Paragraph 2 der Resolution 2085 des UN-Sicherheitsrates. http://unowa.unmissions.org/Portals/UNOWA/Security%20council/Resolution%202085.pdf

[8] BBC: "Mali crisis: Key players”. 12. März 2013. [ http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-17582909 ]

[9] Bannelier & Christakis (2013:855). Die Autoren beziehen sich jedoch in erster Linie auf die Intervention Freichreichs.

[10] Kapitel VII Artikel 42 der Charta der Vereinten Nationen besagt, dass der Sicherheitsrat dazu berechtigt ist Luft-, See- oder Landstreitkräfte zur Wahrung des Friedens einzusetzen, falls sich gewaltlose Maßnahmen als unzureichend erweisen, einer Bedrohung des Weltfriedens entgegenzuwirken.

[11] Paragraph 12 der Resolution 2100 des UN-Sicherheitsrates, http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minusma/documents/mali%20_2100_E_.pdf

[12] Paragraph 7 der Resolution 2100 des UN-Sicherheitsrates vom 25. April 2013, http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minusma/documents/mali%20_2100_E_.pdf

[13] Internetseite „Facts and Figures“ der UN-Mission MINUSMA, http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minusma/facts.shtml (05.09.2014)

[14] Internetseite der UN-Mission MINUSMA, http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minusma/background.shtml (10.09.2014)

[15] Paragraph 16 (a)-(g) der Resolution 2100 des UN-Sicherheitsrates vom 25. April 2013, http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minusma/documents/mali%20_2100_E_.pdf

[16] Paragraph 17 der Resolution 2100 des UN-Sicherheitsrates vom 25. April 2013, http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minusma/documents/mali%20_2100_E_.pdf

[17] Paragraph 18 der Resolution 2100 des UN-Sicherheitsrates vom 25. April 2013, http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minusma/documents/mali%20_2100_E_.pdf

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