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Johann Gottlieb Christaller an Constantia Scholtz:

Christaller läßt Martha ihre Stelle kündigen; sie dürfe nur noch - und unbezahlt - im Notfall weiter beschäftigt werden

(Schorndorf, 30. Dez. 1879)

M3,79 G C 3

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Fräulein Scholtz!

Die Stellung, die meine Tochter Martha in Ihrem Hause seit März 1879 eingenommen hat, sehe ich noch zu meinem u ihrem Leidwesen genöthigt zu künd(ig)en.

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Betrachten Sie meine Tochter Martha mit aus dem bezahlten Dienste der Mission ausgetreten. Sie soll vom 1. Januar an keinen Rappen mehr Gehalt beziehen, u zu mir zurückkehren, sobald als thunlich. So lange sie noch in Ihrem Hause ist, soll sie thun, was sie bisher zu thun hatte, nur das verlange ich, daß Sie dieselbe mit schmähenden u höhnenden Reden, sei es unter vier Augen oder vor allen Kindern u Hausgenossen, die auch ohne daß Martha zugegen ist, verschonen.

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Martha hat noch nie geklagt über das, was sie zu thun hatte. Das war ihr, z.B. am Missionsfest u am Christfest, das schwerste, daß Sie für vorgeblichen Eigenwillen oder für nichts u wieder nichts dadurch sie straften u quälten, daß Sie dieselbe nichts thun ließen, um sagen zu können, wie Sie keine Hilfe an ihr haben u selbst alles thun müssen.

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Martha hatte u hat Sie in der That u Wahrheit lieb u ist nicht undankbar, ich kann das aus ihren Briefen beweisen. Sie ist nicht faul u eigensinnig. Sie hat sich der Adventsandachten u Weihnachtsgeschichte, eben weil sie im Jammer u Elend überaus gedrückt war, gefreut wie noch nie. Sie beschreibt die Andachten u sagt:

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'Ich war mit ganzer Seele dabei, wenngleich mit Furcht u Zittern, denn gleich nachher waren ja immer meine Bosheiten, meine Nichtthaten u Missethaten, das Tischgespräch. Tante hatte es recht auf mich abgesehen, gerade als wollte sie michs büßen lassen, daß ich krank war. 'Ich werde aber sehr geplagt', konnt ich aus tiefster Seele seufzen, zuerst machte meine Tante (mich) zu einem bösen, schlechten unnützen Ding u dann höhnt u beschämt u verspottet sie ihr Opfer u seufzt u klagt dazwischen über dessen Untüchtigkeit. Sie kann einem, das sie einmal in Bearbeitung genommen hat, solange zusetzen, bis das Betreffende zerbrochen u willenlos sich vor ihr im Staube windet.'

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Wenn Sie dieses Verfahren von Herrn Insp. Jos(enhans) kopiert u karikiert haben, so haben Sie sich ihn gerade in dem zum Vorbild genommen, worin der große Mann auch übers Ziel hinausgeschossen u sich versündigt hat, und nicht an mir allein.

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[...] Sie können also Martha ganz mit dem, wozu sie in Ihrem Hause ist, fortbeschäftigen, denn nachdem sie auf Ihre Aufkündigung hin wieder ums Bleiben gebeten, möchte ich sie nicht gerade knall u fall wegnehmen, da ich nicht weiß, was hinsichtlich der Aufkündigung Bedingung ist, um Skandal zu verhüten u Ihren bösen Nachreden vorzubeugen, handle ich nach Matth 18.

Wenn es Ihnen aber nicht möglich ist, Ihre Zunge, das unbändige Übel voll tödlichen Giftes, im Zaume zu halten, so entlassen Sie lieber Martha gleich.

Nachschrift: Hüten Sie sich, daß Sie mit Martha u anderen reden, denn freundlich.

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