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Johann Gottlieb Christaller an Tochter Martha:

betr. Rundlaufbriefe, mit Bericht der Kindererz.Kommission. Christaller hat große Sorgen wegen Gottreichs religiöser Entwicklung

(Schorndorf, 20. Sept. 1876)

M3,76 G C 1

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[...] Ich hatte ihn am 9. begleitet, aber seine Hartnäckigkeit, in der Behauptung, daß es ebenso denkbar sei, daß alles von selbst entstanden, als daß es von einem bewußten Schöpfer herrühre, hat mich in der Tat aufgebracht.

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Er ist wirklich recht verstrickt in verkehrten Vorstellungen, u wenn ich Dir seine Briefe zu lesen gäbe, würdest Du staunen. Dabei ist er gewiß gar nicht so unschuldig u wahrheitsverlangend, wie er sich selber vorkommt, oder dafür ausgiebt. Aber er hat sich eben samt seinen Gesinnungsgenossen verführen lassen durch die kräftigen Irrtümer des Welt- und Zeitgeistes.

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Aber ich habe jetzt erkannt, daß alles Vorbringen von Vernunftsgründen nichts hilft; ich bin ihm nicht zu streng gewesen, aber die unbotmäßigen jungen Leute wollen eben gar nichts annehmen u sich gefallen lassen. Er glaubt nicht, daß die Menschen von Natur böse sind, sie werden nur nicht richtig erzogen. Du wirst aber an Deinem Gustav finden, daß das Böse im Menschen sitzt, nicht erst von außen hineinkommt.

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[...] Ich habe ihm gesagt, daß ich mich durchaus nicht als Muster eines Christen darstellen lassen könne u wolle, daß ich mich auch ernstlich fürchte, ich möchte durch dies oder jenes die Sache schlimmer machen. Aber zu allem schweigen wäre doch auch nicht recht. Und er u seine Genossen sollten nicht so übermütig über das Heiligste ihrer Eltern, Lehrer u Erzieher absprechen. Sie dünken sich weiser als alle ihrer Lehrer u fühlen sich zu Strauß u den Sozialdemokraten hingezogen.

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Es ist wirklich eine große Gefahr, deswegen macht es mich auch wirklich unruhig. Aber ich habe die Hoffnung, daß er noch 'reich in Gott' werde, keineswegs aufgegeben.

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