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Johann Gottlieb Christaller an Joseph Josenhans:

Überlegungen, wie die Kinder aus Basel nach Württemberg kommen können, verbunden mit finanziellen Fragen

(Schorndorf, 11. März 1872)

M3,72 G C 1 und BM: BV 357 I ohne Nr.

<1>

Verehrter Herr Inspector! Ihr Brief vom 7. d. M. kam mir heute zu. Nach demselben gestattet die v. Comm. gerne, daß ich dieses Jahr meinen Paul, nächstes Jahr meinen Ernst hieher nehme, macht aber gegen die Verpflanzung meines Ernst u Theodor nach Württ. schon in diesem Jahre geltend: Vermehrte Kosten meiner Haushaltung, Beeinträchtigung meiner Zeit für meine Arbeit u die Schwierigkeit, welche die Verwilligung einer Besoldungszulage wegen meiner Kinder machen würde durch die Rücksicht auf die württ. Missionsfreunde.

<2>

Ich erkenne die Schwierigkeiten, die Sie in Ihrem Briefe darlegen, an, aber sie erschienen mir nicht so, daß ich mit derselben Ruhe wie bei Martha auf das Hieher Nehmen meines Ernst u Theodor schon in diesem Jahre verzichten könnte. Ich verberge mir nicht, daß für mich u meine Frau u Kinder nicht blos das Wohlthuende u Liebliche ins Auge zu fassen ist; auf das dürfen's ja Christen u Missionsleute insbesondere nicht absehen; aber nachdem ich zu dem betreffenden Entschluß nicht durch eigenes Begehren, sondern durch Anregung von außen u durch die Umstände gebracht worden, legt es sich mir als Pflicht dar, mit meinen Kindern, wenn möglich, noch auf einige Zeit in das göttlicher Ordnung gemäße Verhältnis des Beisammenseins einzutreten. Die Veränderung in Wohnung u Haushaltung tritt schon ein, wenn wir nur Paul u meiner Schwester Sohn zu unserem Ältesten bekommen. Ich muß ein weiteres Zimmer mieten, das auch Frau Missionar Müller (die zwei Jahre in meiner gegenwärtigen Wohnung war) inne hatte, u das wohl für 5 Betten Raum hat.

<3>

Wenn Ernst schon 1872 in die hiesige Schule eintritt, so kann er umso eher das Landexamen 1875 schon machen, beides ist auch Hrn Praeceptor Bauers Wunsch. Ernst ist mir bis daher am fremdesten geblieben, er wird (wie 1869 bei seinem Onkel in Frankfurt) nur durch etwas längeres Zusammensein zutraulicher. Und je jünger er noch ist, desto besser geht es; Gottreich ist zu der erwünschten mittheilsamen Offenheit nicht mehr gekommen, obwohl ich sonst mich seiner freuen darf. Ernsts Ehrgeiz wird in hiesiger Schule nicht gefördert, da nicht nach Kenntnissen locirt wird, u die künftigen Landexaminanden müssen doch tüchtig dran. Zur Ausfüllung des (d. i. Familien-) Kreises wäre auch Theodor sehr erwünscht. Von meinen vier Knaben hat meines Wissens, seit sie in Basel sind, keiner einen Tag krank im Bett zugebracht, und Schorndorf ist so gesund, daß Herr Collaborator Rößler unter 15 Kostgängern seit zwei Jahren fast nie einen Kranken hat; so, hoffe ich, werden Krankheiten mich nicht stören.

<4>

Die meiste Zeit des Tages bringen die Knaben in der Schule zu, auch mit ihren Ausarbeitungen; mein Gottreich nimmt garnichts von meiner Arbeitszeit (die ich nicht nach Kanzleistunden beschränke) in Anspruch, weder für seine Schularbeiten noch sonst; er beeinträchtigt meine Arbeit nicht so viel als ein monatlicher Brief nach Basel; der einzige Unterschied bei mir wird sein, daß ich die hiesigen Versammlungen weniger regelmäßig besuchen u mich an Sonn- und Feiertagen hauptsächlich meinen Kindern widmen werde.

<5>

Meine lb Frau ist fleißig, haushälterisch u gesund. Alle äußere Versorgung der Kinder nimmt sie auf sich, u bedarf vor der Hand außer dem Wasserholen nicht einmal eine Hilfe (ihre Mutter ist mit 70 Jahren noch rüstig in Haus u Garten).

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Was meine Besoldung betrifft, so hielte ich es nicht für recht, für mich u meine Frau 1. 100 fl zu verbrauchen; dagegen für den möglichen Fall, daß sie ohne Wittwengehalt Wittwe würde, und für meine Kinder, die nach den Schuljahren, u wenn die Zeit der Militärpflicht kommt, größere Auslagen veranlassen können (und nach 2. Kor. 12,14) halte ich es für recht, nicht nur den Zins aus meinem elterlichen, sonst ererbten und von meinen Schwieger-Eltern erhaltenen Vermögen, sondern auch etwas von meiner Besoldung vorzusparen. Wenn mir, sei es von der Missions- oder der Kinderkasse, für die der letzteren wegfallende Auslage für den Unterhalt der drei Knaben (also für Nahrung u Kleidung, ohne Rücksicht auf Unterricht u sonstige Pflege) eine mäßige Vergütung würde, um welche ich nochmals bitten möchte, so würde ich bitten, diesen Betrag als Gesamteigenthum meiner Kinder verzinslich anzulegen, u ich selbst würde mich getrauen, mit meiner Besoldung u dem Ertrag meines eigenen Vermögens auszukommen, wo nicht, würde ich mein eigenes Vermögen angreifen. Dann wäre keine Za(h)lung an mich zu machen über die 1.100 fl.

<7>

Wenn Herr Pfarrer Pfisterer bei seiner Reise nach Württ. um Ostern meine beiden Knaben Paul und Ernst mitbringen könnte, wäre es uns also sehr erwünscht; Theodor könnte zunächst noch in Basel bleiben, und (es) ließe sich vielleicht bis zum Juli noch bestimmter beurtheilen, was in Bezug auf ihn das Beste ist; doch ist es uns lieber, wenn für ihn die Sache gleich mit entschieden wird. Mit herzlichem Dank für alle in dieser Sache bewiesene Sorgfalt u Mühe, in Hochachtung u Liebe Ihr ergebenster G.Chr.

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