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Johann Gottlieb Christaller an Joseph Josenhans:

betont erneut seine Absicht, mit Bertha Ziegler die zweite Ehe einzugehen

(Gmünd, 10. Sept. 1871)

BM, BV 357 I o. Nr.

<1>

Lieber Hr Inspector! Für Ihre Mitwirkung bei dem Beschluß der v. Comm. u die Mittheilung desselben danke ich Ihnen noch besonders. Auch meiner Schwester hier war das Ergebnis recht groß u sie dankt mit mir. Daß mein Brief vom 4. Sept nicht vor der Comm. Sitzung ankam, ist mir natürlich nur lieb. Als ich in Stgrt mit Ihnen sprach, nannte ich Ihnen noch einen anderen Namen neben dem jetzt der v. Comm. vorgelegten, aber auf eine Erwähnung bei meinem treuen u zuverlässigen Freunde, Herrn G. Veil hin, nach Empfang des Beschlusses, theilte er, der auch die Familie kennt, von der betreffenden Person ihm kundgewordene Thatsachen mit, aus einer früheren Stellung derselben in einer Anstalt für Schwachsinnige, so daß ich, samt meiner Schwester hier, völlig dabei beruhigt bin, daß jener Name ganz aus der Wahl bleibt. So hätte sich also, wie der v. Comm. gegenüber durch deren so dankenswerten Beschluß so auch in Bezug auf den jetzt mir obliegenden Schritt meine Lage endlich einmal geklärt, wofür ich dem Herrn danke, u was mich erwartem läßt, daß er mir nun auch weiter helfen werde.

<2>

Meine Schwester ist mit mir erfreut über diese Wendung, als eine Stärkung des Gottvertrauens.

<3>

An meiner Schwägerin (d. i. Bertha Ziegler) schätzt G. Merkle ihre Aufrichtigkeit und redlichen Sinn, ihren Fleiß und arbeitsame Häuslichkeit und nüchterne Eingezogenheit, u. a. schrieb sie mir unlängst nach Frankfurt, als sie mir riet, um Heiratserlaubnis zu bitten und darnach um Bertha anzufragen: 'B. war indessen gar keine Verliebte oder heiratslustige Person, was an einem jungen Mädchen gewiß zu schätzen ist. Bekommt sie Neigung und Liebe zu Dir, so wird sie auch aufopfernd sein können.'

<4>

Früher schrieb sie einmal (nach Afrika): 'B. ist noch keine Emilie, aber sie kann es werden.' Das erwarte ich nun nicht gerade; das sinnige, wohlbedachte und überlegte Wesen meiner Emilie und ihre Gemüthstiefe wird sie nicht haben; aber sie hat auch ihre Vorzüge und wird, was ich bei meiner Werbung betonen werde, noch nicht über das Lernen hinaus sein. In manchen Stücken wird sie besser für mich und meine Zukunft passen, als eine feiner und weicher gebildete Person. Ich dachte, wenn ich nicht gleich so viel von ihr habe als ich wünsche, soll sie vielleicht erst mehr von mir haben.

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In der Gemeinschaft mit dem Herrn werden wir miteinander zu wachsen Bedürfnis und Anlaß haben. Sie, lb H Inspector, sagten mir: Wenn ich mich nicht für Afrika verheiratete, würde wohl manche Ja sagen; aber so annehmbar der jetzige Beschluß der Comm. auch für den Fall des Nichtwieder-Hinausgehens ist, kann ich doch nicht zum voraus auf Afrika verzichten. Ich habe die Hoffnung, daß meine Schwägerin, wenn die Sache ins Reine kommt, mich seinerzeit auch nach Afrika begleiten kann und wird.

<6>

Sie wird immerhin so wohl eine Missionsfrau geben, als manche von den Draußenstehenden, auch im Punkte der Bekehrung, worin sie in Winnenden stets wiederholter Abwendung vom Wesen alte(r) Menschen und fortschreitender Zuwendung zum neuen u himmlischen Wesen in Christo, natürlich mit mir noch manche Stufen zu ersteigen haben wird. Es können sich aber zwei zusammen das Steigen bedeutend erleichtern, besonders wenn es steil geht; wie ich im Leiblichen einmal von Missionar Bultmann gelernt habe.

<7>

Herr Müller-Stähelin, in dessen Hause meine Schwägerin über die Tage der Festwoche als Festgast war u dessen friedliches Familienleben einen ungemein wohlthuenden Eindruck auf sie machte, that eine Äußerung gegen mich, es komme ihm vor, als ob es ihr doch noch am entschiedenen Durchbruch fehle. Sie führte einen gefaßten Vorsatz trotz meines in seinem Briefe gegebenen entgegegenstehenden Rathes aus, modificierte ihn jedoch u gab mir auch nachher den Grund an, sich berufend auf etwas, was sie zwei ältere Missionare, die mit uns aufs Fest reisten, hatte sagen hören; sie wollte nicht durch zuvieles Hören sich so ermüden, daß sie hintennach nichts davon habe. Meine sel Emilie hätte es auch so gemacht. Frl. Scholtz meinte, auf Befragen meinerseits, B(ertha) sei ihr etwas eitel vorgekommen, das ist sie aber nicht nach meinem u meiner Schwester Urtheil. Ich schreibe diese Dinge nur wegen der 'Prüfung' seitens der v. Comm.

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Missionar Müllers, Frau Miss. Müller in Cannstatt, Bruder Plebst und Dr. Gundert würden, wenn sie gefragt würden, in zustimmender Weise urtheilen, nach dem was sie von mir u über Bertha wissen.

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Die Beschaffung von Holz für den Winter u Ausmittlung einer Wohnung, vor allem der Wunsch, für meine jetzige Arbeit nicht mehr so eingeengt zu sein, u durch dies und sonst manche Zeit durch Äußeres einzubüßen, legen es mir auf, nicht länger zu zögern. Ich wäre sehr dankbar, wenn ich die Antwort der v. Comm. nächsten Freitag bekäme, am Sa bekommt mein Gottreich Vacanz, in der er diesmal zunächst nach Waibl. geht. Über die auf die Bibelübersetzung u Correctur verwendete Zeit u anderes Geschäftliches will ich in den nächsten Tagen schreiben. Mit herzlichen Grüßen Ihr dankbar ergebener G. Christaller.

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