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Johann Gottlieb Christaller an die Committee in Basel:

entwirft eine recht genaue Chrakteristik von Bertha Ziegler, die er sich als zweite Gattin auserwählt hat

(Schorndorf, 9. Sept. 1871)

BM, BV 357 I o. Nr.

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Verehrte Committee! Der Beschluß vom 6. d. M. auf meine Eingabe vom 14. v. M., durch den mir die Erlaubnis wurde, mich wieder zu verheiraten, u meine literarischen Arbeiten in Tschi noch ferner in Europa fortzusetzen, kam mir gestern zu. Ich sage für diese Erlaubniß u die getroffenen Bestimmungen von Herzen Dank, und unterwerfe mich gerne für mich u meine künftige Frau den gestellten Bedingungen. Möge durch diesen unerwartet günstigen Beschluß die Zeit meiner Dienstfähigkeit recht verlängert werden u der Herr es mir verleihen, meinen Dank durch die That zu erweisen.

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Es liegt mir nun ob, die Person, um deren Hand ich werben will, zu nennen, und meine Wahl Ihrer Prüfung zu unterstellen.

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Es ist die Schwester meiner verstorbenen Frau, Bertha, zweitjüngste Tochter des Rathsschreibers Ziegler in Waiblingen, sie wird in diesem Jahre noch 29 Jahre alt. Ich erlaube mir einiges über ihre Vergangenheit mitzutheilen:

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Von ihrer Jugendzeit, in der sie nur die Schulen ihrer Vaterstadt besuchte, weiß ich nichts; als ich im October 1860 nach meinem Austritt aus dem Secretariat mit Frau und drei Kindern nach Winnenden zu ziehen hatte, war sie dort eine Zeitlang bei uns statt eines Dienstmädchens. Einiges was wir ihr zu sagen hatten, was auch Hinweisungen von mir auf ihren Herzensstand in sich schloß, konnte sie damals, in ihrer natürlichen Gesinnung, noch nicht recht hinnehmen, doch, als sie von uns weg wieder zu den Eltern zurückgekehrt war, besuchte sie die damals beginnenden Versammlungen in dem ihrem elterlichen Hause benachbarten 'Missionshause' der englischen Methodisten, u wurde in einer derselben durch eine Bibelstelle, über die gepredigt wurde, erweckt. Sie sagte mir das bald nachher u bat um Verzeihung, daß sie nicht so gegen uns gewesen sei, wie sie hätte sein sollen.

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Sie war seitdem meist zuhause u besorgte mit der Mutter die Haushaltung u Bewirtschaftung der Grundstücke, die mein Schwiegervater durch Taglöhner bearbeiten ließ unter Mitwirkung von Frau u Tochter. Kurze Zeit war sie in Frankfurt in Dienst, bis sie zu ihrer ältesten Schwester (d. i. Pauline Haefner) (über ein Wochenbett) zurückgerufen wurde. -

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Als der Methodisten-Missionar Lyth nach England zurückkehrte, hätte er sie gerne für seine Kinder mitgenommen, aber sie entschloß sich nicht dazu. Bei seinem Nachfolger Barratt fieng sie einmal (als ich in Akem war) an, Englisch zu lernen, gab es aber wieder auf aus Mangel an Zeit (sie stand eine Zeitlang um 3 Uhr auf, bis sie Nachtheil für ihre Gesundheit merkte). Von den Versammlungen der Methodisten blieb sie zu Zeiten weg, einmal um einem jungen Manne auszuweichen, der zuviel Neigung für sie merken ließ, anderemale weil die Vorträge von meist jüngeren Leuten sie nicht befriedigten. Aber da sie veranlaßt worden war, für den Gesang dort das Harmonium zu spielen (was sie, nach früher erlerntem Gitarrespiel, fast ohne Unterricht gelernt hat), so wurde sie gesucht und Freundinnen baten sie, doch um anderer willen zu kommen, daß nicht mehrere wegblieben, und da sie inne wurde, daß sie darin dem Willen Gottes entspreche, entzog sie sich nicht wieder, bediente auch eine Kinderclasse, ohne jedoch für das specifisch Methodistische eingenommen zu sein. Herr Barrat (früher auf der Insel Tabago) schätzt sie, nur hielt er sie um solcher Entziehungen willen für unbeständig. [...]

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Sie hat einen geraden und offenen, ungeschminkten und gar nicht geheuchelten, ziemlich selbständigen Charakter, der allerdings noch nicht viel geschliffen worden ist; aber sie hat den redlichen Willen und achtet es als Gnade, im Dienst des Herrn zu thun, was er von ihr begehrt, auch wenn die Natur nicht damit einig ist.

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Bei meiner Schwester in Gmünd äußerte sie bald nach meiner sel. Emilie Tod: Wenn sie je einmal heiraten würde, so würde sie nur einen Missionar heiraten. Dieß und anderes konnte man so auslegen, als ob sie an mich dächte, aber, scheints, mit Unrecht. Nach einer späteren Äußerung hätte sie eher Freudigkeit gewinnen können, sich unverheiratet in den Missionsdienst senden zu lassen.

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[...] Ich habe erst seit einigen Monaten den Gedanken einer Verbindung mit ihr näher an mich herangelassen, mit Ausnahme des Umstandes, daß sie meiner ersten Frau Schwester ist, war ich nicht zum voraus für sie eingenommen. Sie hat keinen eigenen Wunsch u Willen in der Sache gezeigt, eher gedacht, unverheiratet zu bleiben, aber ich denke, daß sie doch nicht abgeneigt sein wird. Auch die Eltern sind ihr geneigt, u es würde sie schmerzlich berühren, wenn eine Fremde die zweite Mutter meiner Kinder würde.

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So kann ich in Betracht meiner ganzen Lage getrost glauben, daß der Herr uns für einander bestimmt hat, und eines durchs andere üben, fördern und segnen wird. Sie war solange Zeit ihren Eltern trotz mancher Gegensätze eine gute, treue und dienstwillige Tochter, und wird auch eine gute Frau und zweite Mutter geben. Ihre Gesundheit war immer so gut, daß von dieser Seite keine Bedenken vorliegen.

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[...] Meinen Aufenthalt würde ich, wenn immer möglich, in Schorndorf behalten, um meinem Sohne Gottreich die 3/4 Jahre bis zum Landexamen noch eine Heimat zu gewähren, was ich um der innigeren Verbindung mit ihm sehr wünschen muß. So unterwerfe ich denn meine getroffene Wahl mit Vertrauen Ihrer Prüfung u bitte Sie um Ihre Genehmigung meiner Werbung u Ihren Segen dazu.

In Hochachtung, Liebe und Dankbarkeit Ihr ergebenster G.Chr.

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