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Johann Gottlieb Christaller an Zieglers:

Er will monatlichen Kontakt nach Waiblingen aufrechterhalten

(Akropong, 4. Juni 1867)

M1,67 GC 6

... Ich kann mir wohl denken, daß es Euch nach des munteren Ernst Weggang vorkam, es sei nun ganz still u traurig bei Euch. Es ist eben, wie Bertha schreibt: 'Ach, so nimmt alles ein Ende, die Freuden wie die Leiden, die gehen vorüber u unser Leben eilt dahin als flögen wir davon.' - ... Ich bin recht dankbar, daß ich meine lb Emilie fast 10 Jahre haben durfte u daß sie mir u Euch die fünf lb Kinder hinterlassen hat. Mögen doch alle auch Himmelsbürger werden u wir alle dort in vollkommener Weise u nie aufhörender Seligkeit vereinigt werden.

Johann Gottlieb Christaller an Zieglers und Merkles

(Akropong, 4. Juni 1867 nachts)

M1,67 GC 6

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Liebe Eltern und Geschwister!

Diesen Abend kam mir der 'Heidenbote' vom Mai 1867 zu Handen. Da meine Briefe ohnedieß nur aus zwei Blättchen bestehen, wird Euch eine Veranschaulichung meiner Wohnung nicht unlieb sein. Das Widmannsche Haus links auf dem Bilde des Heidenboten ist noch am besten getroffen, sonst ist das Bild nicht gut von der Photographie abgesehen worden. Der Baum vor dem Fenster steht nicht mehr, dagegen stehen drei hohe schlanke Kokosnußpalmen im Hofe hinter dem Hause, und hinter dem Hofe, durch eine Mauer getrennt, liegt die heidnische Stadt.

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Das Widmannsche Haus bewohne ich gegenwärtig also ganz allein. Denket Euch, ich stehe an dem Fenster hinter dem Baum, und rufe Euch einen Gruß zu. Vor dieses Fenster habe ich gestern ein Arbeitstischchen der sel Emilie gestellt, das ich ihr in Osu machen ließ und das mit uns von Aburi nach Kyebi und hieher zurück wanderte, oval, über drei Spannen lang und 2 1/2 breit, auf vier Füßen. Es steht je eine Spanne ab rechts vom Sofa, links vom Schreibtisch auf dem ein Ständer steht, für vier Reihen Bücher; dann ist noch 1 leere Ecke (in der die Medicin Kiste stand, die aber jetzt Br.Bellon übernommen hat) vor dem Fenster (mit Blick) auf die vordere Gallerie oder Verandah; zwischen Fenster und Thüre steht wieder ein Bücherständer mit sieben Brettern voll Bücher und Schriften. An meiner Emilie Arbeitstischchen schreibend, habe ich das Licht durch das Euch anschauende Fenster vom Südwesten, von dem Wege her zur Mittelschule und nach Aburi; am Schreibpult sitzend fällt mir das Licht vom Südost links durch das Fenster in der Vorderseite des Hauses. In der Wand nach dem Hof ist ein 3tes Fenster, zwischen Sofa links und einem Stehpult rechts. Dann habe ich noch einen größeren Tisch mitten im Zimmer stehen, an dem ich mit meinem Gehilfen arbeite, Eurem Fenster und dem Arbeitstischchen den Rücken kehrend. Sitze ich aber Euch zugewandt am Schreibpult, so habe ich die Thüre ins anstoßende Zimmer im Rücken. Das hat nur 1 Fenster nach vorn und nach hinten, dann kommt das Wohnzimmer mit je zwei Fenstern und je einer Thüre in der Mitte des Hauses nach der vorderen wie nach der hinteren Verandah u dann das Schlafzimmer mit 1 Thüre u 1 Fenster nach vorne. 1 Fenster auf der nordöstlichen Breitseite und 1 Thüre auf die hintere Gallerie.

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In dem zuerst beschriebenen Zimmer brachte ich mein erstes Jahr in Afrika zu, bis mir an dem nicht mehr auf dem Bilde angebrachten oberen Ende des Hauses rechts ein geräumigeres Zimmer gebaut wurde. Br. Widmann mußte sich während jenes Jahres mit dem anstoßenden kleineren Zimmerchen, das sonst Gastzimmerchen war, begnügen (als Studierzimmer); gegenwärtig schlafe ich in diesem. Damals standen andere Möbel und ganz anders, auch meine Bettstelle, mein Bücherständer vor der Thüre zu Widmann. Das Haus rechts auf dem Bild, wovon nur die Ecke da ist, war damals von Miss. Dieterle und ist jetzt seit Harnischs Abzug von Laißles bewohnt, erst dahinter ist das Prediger Seminar und Maders Wohnung. Zwischen diesem Haus u dem anderen auf der rechten Seite des Bildes, in dem zuerst Mohrs wohnten, u in dem dann unser Gottreich geboren wurde, ist ein freier Platz länger als das Widmannsche Haus, über dem hinweg man von Widmanns vorderer Gallerie einen Theil der Kaffeeplantage mit Orangen und Mangobäumen, dahinter einen niedrigen, weiterhin einen höheren Bergzug und ganz im Hintergrund ein Stück von der Küstenebene und einen Streifen des Meeres erblickt, auf dem gute Augen bei hellem Wetter Schiffe vorbeiziehen sehen können. Das dritte Haus, in dem Gottreich geboren wurde, hat vorne keine Gallerie, nur an der hinteren Seite gegen das Meer, wo die Knabenanstaltsgebäude sind; es besteht aus Studier- Wohn- und Schlafzimmer wie Widmanns, nur um das kleinere Zimmerchen war Widmanns Haus größer und länger als die beiden anderen. Hinter oder unterhalb Langs Haus sind zu beiden Seiten Häuschen, von Lehrern unserer Schule und westindischen Christen bewohnt. Hinter dem dritten Hause ist auch unsere gegenwärtige Kapelle, zugleich Schulhaus. Von den Hofgebäuden für Dienstboten, Küche, Vorrathskammer sieht man nichts. Das Dächlein gegen Langs Haus hin ist unrichtig.

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Nun entschuldigt diese Beschreibung, mündlich könnte ich sie einmal besser geben, aber dann hat sie auch weniger Werth als jetzt, wo Ihr Euch meinen Wohnplatz doch gerne etwas bestimmter vorstellen werdet.

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Was wirds sein, wenn wir einmal die vielen Wohnungen in des Vaters Hause kennen lernen und die einem jeden bereitete angewiesen bekommen! Mit welcher Freude werden wir sie dort einander zeigen. Lasset uns Fleiß thun, einzukommen zu dieser Ruhe! Euer G. Christaller.

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