Artikelaktionen
<< < > >>

Johann Gottlieb Christaller an Emiliens Freundin Christiane (= Nana) Heller:

Arbeit in 6 Sprachen, Bibel und Lutherübersetzung; er vergleicht ihre Briefe mit denen der Emilie; Reflexionen über die Liebe Christi

(Akropong, 30. April 1867)

Nbrg,67 JGChr 3

<1>

Theure Schwester in dem Herrn!

Längst liegt es mir an, der treuen u innig verbundenen Freundin meiner sel Emilie, der meine lieben Kinder auf Gebetsarmen tragenden Pathin, der um meiner Emilie, meiner Kinder, meines Berufs u um des gemeinsamen Herrn und Heilandes willen mir herzlich zugethanen Schwester, die so vielfachen Liebenserweisungen und insbesondere die zwei letzten Briefe von Jagstfeld im Juni und von Stgrt im Nov. brieflich zu erwidern.

<2>

Bis vor kurzem war ich immer vollauf in Anspruch genommen, theils durch meine Arbeit, theils durch das was meine Arbeit hinderte, so daß ich dieser auch schon desto weniger etwas abbrechen durfte.

<3>

Diese Woche habe ich eher Zeit als sonst, meine Briefe für die Post zu richten, da mein Gehilfe, der in der Charwoche nach der Küste ging, um seine Frau, die von dort gebürtig ist, heraufzuholen, länger ausbleibt als er sollte.

<4>

An meine lb Kinder u ihre Pfleger hatte ich bisher jeden Monat 6 Brieflein zu schreiben u vermisse auch darin gar sehr die treue Gehilfin; denn das Briefschreiben wird mir gerade darum weniger leicht, weil ich Tag für Tag mit der Feder und mit dem Kopfe in mindestens 4, ja in 6-8 Sprachen zu arbeiten habe - Deutsch denke ich, Englisch rede ich mit meinem Gehilfen, in Tschi schreibe ich die Übersetzung, Ga vergleiche ich, aus Griechisch, Hebräisch (und Chaldäisch in einem Theil von Esra und von Daniel) ist die Bibel zu übersetzen und die Hilfsmittel zum genauen Verständnis aller Worte und Ausdrücke sind deutsch, englisch und lateinisch geschrieben; ich habe auch schon die französische Bibelübersetzung verglichen, und wer gründlich hebräisch treibt, bekümmert sich auch ein wenig ums Arabische.

<5>

Meine Arbeit freut mich u es ist mir am wohlsten, wenn ich in der Arbeit bin u es vorwärts geht, aber Dornen u Disteln wachsen auch auf diesem Acker u an Schweiß fehlt es in Afrika ohnedies nicht. Viel Studieren (er hat Luther übersetzt: viel Predigten) macht den Leib müde, Pred. 12,12, das erfährt man hierzulande doppelt, u doch ist die Ermüdung in der Arbeit viel leichter zu übernehmen als die Ermüdung an den Leuten.

<6>

Doch wenn ich so fortfahre, so wird mein Brief sehr äußerlich u tritt damit in Gegensatz zu Deinen Briefen, lb Schwester, die immer sehr innerlich sind, in denen auch das Äußerlichste ins Innerliche gleichsam getaucht ist; u das ist auch recht, denn nur das Innerliche giebt dem Äußerlichen Wert u Geltung. Aber die Art u Weise und der Grad, wie das Innerliche kundgegeben wird, ist nicht bei allen gleich; meiner lb Emilie Briefe waren den Deinen darin wohl nicht gleich, und die meinen werdens noch weniger sein. Das bringt mich auf eine Gedankenreihe, der ich wohl ein wenig Raum geben darf. Angenommen, es bestehe eine Verschiedenheit in unser beider Gefühlen oder doch in der Art, wie sie zum Ausdruck gelangen, (und ich würde allerdings nicht so gut in den mir so lieben u merkwürdigen aus Brüdern u Schwestern bestehenden Freundeskreis meiner lb Emilie in Stgrt hineingepaßt haben, wie z.B. G.M. oder der sel. Ad.J.,) so waren u sind wir doch in meiner lb Emilie Eins, in Liebe u Vertrauen u herzlicher Theilnahme füreinander. Sie stand in vollem Verständnis, in gebender u nehmender Liebe nach beiden Seiten, u so sind auch diese Seiten wirklich u lebendig miteinander verbunden. Das ist aber in noch viel höherer u umfangreicherer Weise der Fall, in der Verbundenheit und Zusammengliederung aller Glaubigen mit dem gemeinsamen Haupte Christo u dadurch untereinander, Menschen, die für sich allein betrachtet anderen nicht sonderlich gleichen, oder nicht viel Gemeinsames haben, sind in Ihm zusammengefaßt u Eins; deswegen können wir auch, je entschiedener wir am Haupte hängen, desto entschiedener u wahrer einander lieben u für u miteinander beten u wirken. Auch mit meiner theuren Emilie fühle ich mich fortverbunden, vielmehr dadurch, daß sie des Herrn eigen war u blieb, als dadurch, daß ich sie auf Erden, durch Gottes freundliche Führung, mein nennen durfte.

<7>

Du schreibst mir in den Trostbriefen von Bruder V.J. (mit den an der Spitze gedruckten Worten aus Ps. 23,1-2) 'Er will uns alles sein in jeglicher Minute, u um zu diesem Ziel und Zweck sicher zu gelangen, zieht Er eine solche treue [...] Hilfe ab.'

<8>

Das fühle u erkenne ich, daß der Herr in Seiner Gnade u Treue stets u in allen Dingen dies im Auge hat, uns ganz an sich u in sich hineinzuziehen u andererseits uns ganz mit sich zu erfüllen, weil er nur so uns ganz beseligen kann, weil alles, was uns von Ihm oder Ihn aus unseren Herzen ausschließt, der Erreichung Seiner Liebesabsichten entgegen ist. 'Du Vater in mir und ich in Dir - ich in ihnen, den Glaubigen, u sie in uns Eines, vollendet in Eines.' Das sind große Worte aus dem hohenpriesterlichen Gebet! Unser theologischer Lehrer im Missionshause H Pfarrer Geß sagte: Geister können ineinander sein.

<9>

Ich glaube, daß für meine theure Emilie ihre Abberufung die Folge hatte, daß sie nun ganz in Jesu ist und Jesu sie ganz erfüllt hat; dasselbe ist nun auch unser, der Zurückbleibenden Ziel, u wenn es einmal erreicht ist, so werden wir zusammen vollendet sein in Eins; die Liebe, damit Gott der Vater Gott den Sohn liebet, wird sein in uns und Jesu in uns, welcher schon zu den noch hienieden Lebenden sagte: Gleich wie mich der Vater liebet, also liebe ich auch euch. Ich weiß keine größeren Worte für uns als diese. Sollten die Worte 'Jesus liebt dich!' in solchem unaussprechlichem Sinne genommen, nicht trösten können? Sollten wir nicht bleiben in dieser Liebe? Solten wir uns nicht immer mehr hineinleben, u nicht alles gerne fahren lassen, was Seinem heiligen Liebesleben zuwider ist? Durch den Glauben an diese Liebe werden wir uns selbst u die Welt überwinden u die Frucht des Glaubenssieges wird sein, daß wir auch völlig zu lieben vermögen, u dann wird auch unsere Freude vollkommen sein. Soviel es uns an Glauben fehlt, soviel fehlt uns Liebe, u ebensoviel fehlt es uns an Friede u Freude u an der Hoffnung der einzigen völligen u herrlichen Freude. Leider fehlt es auch bei mir an allen diesen Stücken, nicht ganz, aber doch mehr als recht ist.

<10>

Frl. Scholtz in Basel schrieb in Bezug auf mich an Frau Mader hier: 'Nachher bricht oft erst der Schmerz u das Gefühl der Einsamkeit hervor, wenn die Fürbitte sovieler Theilnehmenden nachläßt, und sagte doch neulich z.B. Dr. Ostertag, je mehr Zeit dahinfließe, desto mehr empfinde er die Lücke, die durch den Tod seiner Frau entstanden sei. [...]'

Nun, ich weiß wenigstens, der Herr will mir alles sein, so werde Er es mir denn!

In herzlicher Verbundenheit grüßt brüderlich G. Christaller

Fenster schließen