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Julius und Marie Ziegler an Gottliebe:

kritische Bemerkungen zum Christentum aus der Sicht des Arztes Julius Ziegler; über die Fragwürdigkeit des Trostspendens

((undatiert) aus Tübingen?)

M3,66 Zie

Hiermit übersende ich Dir eingehende Nachrichten von uns, wie sie von unseren Lieben in Afrika gewünscht sind. Ich fürchte, das Blatt ist zu schwer, da mußt Du vielleicht diesmal nur die Hälfte nehmen, u die andere das nächste Mal mitschicken. So bald schreibe ich ja doch nicht wieder, denn wenn nichts besonderes eintritt, könnte ich nichts weiter als ganz Ähnliches wieder schreiben u das wäre unnöthig. Deine Einwendungen von Liebe u dergl., was Dich dazu treiben könnte, die verstehe ich nicht, denn ich könnte mir nicht denken, in welcher Weise mein Schreiben ein Liebesdienst sey. Trost u Ermunterung brauchen sie in Afrika keinen von mir. Darum wird sichs auch gar nicht handeln, ob von Dir, weiß ich nicht, verstehen könnte ichs wenigstens nicht, denn Du kannst ihnen weiter auch nichts schreiben, als was sie wohl wissen. Es kommt mir überhaupt vor, daß nur solche Leute von anderen Leuten Trost brauchen, welche in ihrem Glauben zweifelnd sind, denn wenn das nicht der Fall ist, haben sie ja Trost genug in der Hlg Schrift. Luther meint zwar, der Glaube sey bald schwach usw, aber nach meiner Erfahrung immer nur Augenblicke u nie länger, sobald der erste Schreckensmoment vorüber ist die Besinnung zurückgekehrt, muß die Wahrheit mächtig sein bei einem wahren Christen, meine ich. Es kommt mir überhaupt vor, als bestehe bei Euch Weibsleuten das Christentum hauptsächlich in Marter (oder Worten). Ihr solltet vielleicht den 10. Teil schwätzen u schreiben, dann wäret Ihr zur Zeit der Not nicht so zerstreut. Wie ich denke, schreibe ich, ob ich nun recht oder nicht recht habe, ich lasse mich gerne darüber zurechtweisen. [...] Daß unsere Lieben in Afrika keinen Arzt bei leiblicher Krankheit haben, ist kein Fehler, ich würde jedenfalls auch keinen rufen, wenn ich krank wäre, aus guten Gründen, u daß kein Beichtvater in der Gegend ist, würde ich auch nicht bedauern, denn der könnte auch nicht helfen. Alles ist in Gottes Hand u ein Christ fügt sich gerne u ist still, der soviel klagt über sich selber oder für oder gegen andere, der kann weder trösten noch getröstet werden. Der Heiland kennt seine schwarzen Kinder u ist in unmittelbarster Nähe von einem Jeden, braucht man dann weiter. - Ehe Du dagegen etwas sagst, besinne Dich ein paar Tage und sieh, ob Deine Gründe nicht aus diesem Buch oder jenes angesehenen Mannes Ausspruch entnommen sind, die ja beide nicht gelten.

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