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Johann Gottlieb Christaller an Eltern und Geschwister

(Akropong, 3. Sept.1866)

Nbrg,66 JG Chr 2

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Dießmal schreibe ich nicht mehr von Kyebi aus, sondern von Akropong; die lb Briefe von Waiblingen u Gmünd vom 15. Juli u von Basel, 18. Juli trafen mich auf der Reise hieher schon am 23. August in Kukurantumi, wo ich einen Tag verweilte. Die lb. Mutter schreibt, der lb. Emilie letzter Brief vom 29. April habe Euch wieder einigermaßen beruhigt, über ihre Gesundheit, doch blieben noch Besorgnisse. Die folgenden Briefe, wenn nicht die vom Anfang Juni, die sie glaub ich, wieder selber schrieb, so doch die vom Juli u August, werden Euch dann freilich aufs neue u mehr beunruhigt haben, da die lb. Emilie vom 27. Juni an aufs Krankenlager gelegt worden, u die Krankheit, die sich als Schleimfieber oder Unterleibs-Nervenfieber herausstellte, schon in Europa eine bedenkliche ist (d.i.: Emilie hatte kurz zuvor eine Totgeburt hinter sich.) Es war mir schwer geworden, die Briefe für die zwei letzten Posten zu schreiben, theils weil mir die Krankenpflege u Haushaltsgeschäfte fast keine Zeit ließen (d.i.: nachts zu schreiben hätte ihren Schlaf gestört), theils weil ich keine besseren Nachrichten geben konnte. Dießmal dürfte mir das Schreiben noch schwerer werden, aber wie der Herr alles Schwere leicht machen oder, wenn dieß zu viel gesagt sein sollte, erleichtern kann, so seid auch Ihr getrost der lb Emilie Krankheit darf Euch nicht mehr beunruhigen, sie ist genesen; ihre Seele ist genesen. 'Die Seele ruht in Jesu Armen, der Leib schläft sanft im Erdenschoß [...] (voller Text aus württ. Gesangbuch 630 zitiert.) Leset auch die übrigen Verse, die nicht minder passend u treffend sind. Ich schreibe zwar diese Zeilen unter aufs neue fließenden Thränen, u Ihr werdet sie nicht ohne inne zu halten, nicht ohne Thränen lesen; aber ihr sind ja die Thränen nun abgewischet u auch wir werden reichlich getröstet durch Christum, so reichlich, daß des Trostes mehr ist denn des Leides, so wir uns nur Seine Fülle zu Nutze machen. (zitiert Luther 'Mit Fried u Freud fahr ich dahin etc' [...]).

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[...] Aber Ihr werdet begierig sein zu vernehmen, wie es kam, daß der lb Emilien Krankheit solchen Ausgang nahm.

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Zwischenrein möchte ich übrigens den Ausspruch eines glaubigen Mannes in der Heimat anführen. 'Der Mensch stirbt nicht an der Krankheit, sondern am Willen Gottes.' - u was Gott will u thut, das ist ja gut u gewollt u wohl gethan. Obschon Emilie einen solchen Ausgang wohl ins Auge gefaßt hatte u wir manchmal davon sprachen, gieng es doch vollends überraschend schnell, bis zu ihrem letzten Lebenstag hatte ich die Hoffnung einer günstigen Wendung u Wiedergenesung nicht aufgegeben; doch des Herrn Rath, der wunderbarlich ist, aber es herrlich hinausführt, war anders. Sie hatte während des fast siebenwöchigen Krankenlagers [...] wohl manches zu leiden, aber es war doch nie zu viel auf einmal; die letzten Tage hatte oder fühlte sie keinen Schmerz mehr; leider gieng dieß in Bewußtlosigkeit über, aber eben dadurch wurde ihr das Sterben umso mehr zum Entschlafen, daß sie die Bitterkeit des Todes nicht zu schmecken bekam.

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[...] Es war mir schwer, daß ich von meiner geliebten Gattin nicht Abschied nehmen, ihre letzten Aufträge nicht mehr von ihr hinnehmen konnte; wir hatten wohl öfters von der Möglichkeit dieses Ausgangs geredet, u es war ihr das fest geworden: 'Wenn Gott will, so will ich auch'. (So hatte sie sich auch von ihrem Wirkungskreis, Nähschule der Mädchenanstalt, Kleinkinderschule, die sie plante, nicht verabschieden können.)

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[...] Es tut mir leid, daß ich meiner lb Emilie nicht mehr aus Gottes Wort u aus dem köstlichen Liederschatze unserer evang. Kirche vorlesen konnte; es fehlt an Zeit u ihr an Kraft u zuletzt an Bewußtsein. Darum habe ich eine Bitte an Euch, geliebte Eltern u Geschwister: Leset im Andenken an die lb Emilie u an Euer eigenes Ende jeden Tag, etwa nach dem Mittagessen gemeinsam eines der Lieder No 585-651 im Württ.Gesangbuch, samt den darüber angeführten Bibelstellen; ich bin`s gewiß, Ihr werdet viel Genuß u Segen davon haben; schreibet mir dann gelegentlich, ob Ihr`s thun konntet, zu schwierig ist es gewiß nicht, thut Ihr's 2 mal des Tages, so habt Ihr in 1 Monat fast alle gelesen. Hiemit will ich diesen Brief schließen u einige mehr äußerliche Puncte in einer 2ten Beilage (= 66/18) besprechen. Der Vater der Barmherzigkeit u unser gnadenreicher Heiland sei mit Euch u Eurem G. Christaller.

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