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Emilie an Sohn Ernst Christaller:

Aufmunterndes und sehr viel vom Kind Forderndes in diesem mütterlichen Schreiben zu seinem 4. Geburtstag, es mag typisch sein für die Art der moralischen Fernerziehung im Rahmen der Basler Mission

(Kyebi, 30. Sept. 1865)

M3,65 Em 5

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Mein lieber Ernst! Nun will ich Dir auch einmal ein Briefle schreiben; wenn Du es bekommst, dann bist Du 4 Jahre alt geworden, u als Geburtstagsgeschenk bekommst Du dieses Briefchen von Deiner Mama in Afrika. Nun will ich Dir zuerst sagen, daß Dein Papa in Afrika u ich Deine Mama Dich sehr lieb haben u daß wir alle Tage zum lb Heiland, zum Herrn Jesus im Himmel beten u sagen, er möchte unseren lieben Ernst in Waiblingen ein gutes u gehorsames Kind werden lassen, daß unser lb Ernst den Großpapa u die Großmama recht lieb hat, u daß er die Tante Bertha u die Tante Sophie recht lieb hat, u alle Menschen, die da sind. Weißt Du, lb Ernst, daß der Herr Jesus im Himmel Dich auch lieb hat? ja denk nur, er hat Dich recht lieb, der Herr Jesus wohnt im Himmel, aber er sieht Dich immer u er sieht immer, was Du thust, ob Du Gutes oder Böses thust, weißt Du, was Böses ist? sieh wenn der Herr Schallenmüller Deine Händle verbindet u Du sagst zu ihm: böser Schallenmüller! so ist das unartig u böses, so darf man zu niemand sagen; ich will Dir erzählen, wie es ein Negerbubele gemacht hat, das hat Alfred geheißen u ist auch 4 Jahre alt gewesen wie Du, seine Mutter hat ihn gebracht u gesagt, er sei krank, er habe Bauchweh, da hat Papa ihm eine Arznei gemacht u zu ihm gesagt: Alfred, weil Du krank bist, mußt Du Arznei trinken, es ist aber bitter, willst Du's trinken? Dann hat das Negerbubele gesagt: Ja, ich wills trinken, u hat ganz nett u ruhig ein ganzes Kelchle voll ausgetrunken, u als er fertig war, hab ich ihm ein Zuckerle ins Mäule gesteckt. Das hat ihm aber gut geschmeckt u dann ist er ganz lieb mit seiner Mutter wieder fortgetroddelt, nachher hat er dann viele Würmer erbrochen, denk, die sind alle aus seinem Mäule herausgekommen, er hat aber nicht geweint u dann ist er wieder gesund geworden. Gelt, lb Ernst, jetzt willst Du auch recht still u gehorsam sein, wie das Negerbubele Alfred, u wenn H Schallenmüller wieder Dein Händle verbinden muß, dann hast Du ihn recht lieb, willst Du das? Deine Brüder in Basel sind auch gehorsam u alle Knaben, die dort sind, sind gute liebe Kinder.

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Jetzt darfst Du auch in die Kinderschule gehen zur Jungfer Seiz, u da darfst Du schöne Versle lernen vom lieben Heiland u von den Engele im Himmel, soll ich Dir eines sagen:

1) Aus dem Himmel ferne, wo die Engel sind,

Schaut doch Gott so gerne her auf jedes Kind,

2) höret seine Bitte, treu bei Tag u Nacht,

nimmts auf jedem Schritte, väterlich in Acht.

Willst Du das lernen? bitte die Großmama darum, den guten Kindern schickt der Herr Jesus einen Engel u der behütet dann den Ernst, daß er nicht mehr vom Sessele fällt, u wenn dem Ernst etwas weh thut, dann behütet ihn der Engel, daß Ernst nicht schreit u strampft, sondern still u geduldig wird u dann haben Dich alle Menschen lieb u der Engel u der Herr Jesus auch. Nun wird Dir der Papa in Afrika auch noch etwas schreiben, weil er Dich so lieb hat.

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(G.Chr.): Ja, mein lb Ernst Gotthold, auch ich, Dein Papa in Afrika, habe Dich sehr lieb, wenn Du gleich nicht mehr viel von mir weißest, weil ich nun schon über 3 Jahre von Waiblingen fortgegangen bin u Du damals noch sehr klein warst u noch nicht einmal gehen konntest. Wenn Du den lb Heiland bittest, daß er mich am Leben erhalte u ich einmal samt der lb Mama wieder zu Euch kommen möge, so wirst Du einmal mich selber wiedersehen, nicht blos auf dem Bild. O das wird eine Freude sein, wenn ich und die Mama den lb Gottreich, die Martha, den Paul, Dich u Theodor alle wiedersehen u haben dürfen!

<4>

Aber das wird mich am meisten freuen, wenn ich dann finde, daß Ihr gerne von dem Heiland höret, den jeder Mensch am allermeisten lieben soll u daß Ihr ihn recht lieb habt u zu ihm beten könnt. Niemand liebt uns so wie er u das sagen wir auch den Negern, die früher gar nichts von ihm gewußt haben. Neulich war ich mit der lb Mama 3 Wochen in Kukurantumi. Von da gieng ich eines Tages in ein anderes Dorf, über 2 Stunden weit, um auch den Leuten dort von Jesu zu sagen. Der Weg geht immer durch Wald u Busch, es gibt gar keine Äcker u Wiesen u Gärten u Straßen wie bei Euch, 2 erwachsene u 3 junge Neger gingen mit, aber da war auf dem krummen Fußweg durch nassen Busch so oft u so viel Schlamm u Wasser, daß ich wohl 20 mal, hie und her, dem einen Neger auf den Rücken saß, daß er mich hindurchtrage, sonst wäre ich oft mit den Stiefeln stecken geblieben oder naß u davon krank geworden. Einmal kam ich an einen Fluß so breit wie die Rems, da ist aber nirgends eine Brücke, nur ein großer Baum, moderig u mosig, liegt schief darüber, über den mußte man gehen, ich hatte fast Angst u wie ich zurückkam, trug mich der Neger durch das Wasser, das nicht tief war.

Nun lebe wohl u sei gehorsam u lerne beten u den Heiland lieben.

Wir beten alle Tage auch für Dich. Deine Eltern Gottlieb u Emilie Christaller.

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