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Emilie an Eltern und Geschwister:

nochmals ein eingehender Bericht über ihre Seereise

(Aburi, 8. Febr. 1864)

(M3,64 Em 2):

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Nach einer langen Reise von 84 Tagen erreichte ich den 1.Febr. die Küste bei Christiansborg. Sechs Wochen lang hat mein lb Mann dort auf mich gewartet u gab endlich den Befürchtungen der anderen Brüder auch in seinem Herzen Raum, da nämlich durch die Stürme von Anfang Dezember, die sehr vielen Schiffen den Untergang brachten, vielleicht auch das unsrige verunglückt sey. Er reiste daher am Morgen des Tages, an dem wir Christiansborg erreichten, zurück nach Aburi u erfuhr erst den nächsten Tag durch einen ihm nachgesandten Boten unsere Ankunft, wonach er sich sogleich wieder auf den Weg machte, u abends hatten wir dann die Freude, nach mehr als anderthalbjähriger Trennung einander wieder zu begrüßen; es ist mir jetzt oft wie ein Traum, daß ich von meinem Mann getrennt war; weil aber denen, die Gott lieben, alles zum Besten dienen muß, deswegen werden wir auch in der Folge sehen, daß es kein Traum war. - Nach was mich zuerst sehr verlangte, war Nachricht über die Kinder, und gottlob, ich ward sehr beruhigt dadurch.

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Nun werdet Ihr aber auch etwas von der langen Zeit unserer Reise wissen wollen. - Daß wir am 9. November aus Bremerhaven fuhren, habe ich Euch von dort aus noch geschrieben. Es war mittags, u gegen Abend legte ich mich seekrank zu Bette, das, einige Stunden des Tages ausgenommen, meine Stätte blieb, vier bis fünf Wochen lang; das hatte ich mir nicht in Rechnung genommen, der Gedanke tröstete mich oft wieder, ich werde aber jetzt ausruhen sollen von meinen Strapazen, wie das am zweckdienlichsten geschehen kann, weiß der Herr am Besten. Langerweile kann ich mich nur erinnern, wenn ich neben der Seekrankheit auch an Kopf- u Zahnweh zu leiden hatte, bei dem ich nichts Ordentliches denken konnte. Als ich nach und nach auf sein konnte, beschäftigte ich mich mit Lesen, Nähen u Stricken, und konnte mich täglich meiner zunehmenden Kraft erfreuen; (als ich von der Seekrankheit erstand, war ich wie aus dem Grab hervorgekommen, so blaß, elend u schwach.).

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Im ganzen kann ich meine Reise eine rechte Segenszeit heißen, in mancher Beziehung. An Menschenkenntnis bin ich um ein Kapitel weitergekommen, darüber freute ich mich oft, denn man kanns auch da außen wohl brauchen; unsere Andachten morgens u abends, die Predigten sonntags, unsere Weihnachts- und Neujahrsfeier waren eine rechte Waide u Freude für mein Herz; überhaupt hat uns der Herr an Bruder Hauser viel Gutes mit auf den Weg gegeben (auch) den Bruder Locher lernte ich recht schätzen, er ist eine fromme, aufrichtige Seele.), wofür ich ihm oft u jetzt noch zum Dank mich verpflichtet fühlte; wir hatten von ihm täglich eine Lesestunde, u in der letzten Zeit der Reise, da man der Hitze wegen sich nur auf dem Verdeck aufhalten konnte u deshalb bei eintretender Nacht nichts zur Beschäftigung hatte, stellte er den Antrag, daß eins aus der Gesellschaft eine Frage stellen soll u die anderen sollen sie der Reihe nach beantworten. Dadurch fand nicht nur unnöthiges Geschwätz keine Stätte, wir hatten auch wesentlichen Nutzen davon. Wir hatten auch verschiedene Geburtstage zu feiern, zuerst den des Kapitäns, Br. Hausers, Br. Bohners, dann einer der Schwestern; die meisten hatte ich: Gottreichs, Ernsts, Theodors, Marthas und den Deinen, lb Mutter, den wir mit Deinem Lieblingslied feierten: Mein Glaub ist meines Lebens Ruh.

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Am Weihnachtsabend hättet Ihr nun auch sollen in unsere Kajüte hineinsehen können; unser guter Kapitän ist, wie man bei uns sagt, ein Bastler, er kann alles; er hat einen Baum geschnipfelt von Holz u hat ihn grün angestrichen, an die 12 Zweige wurden Nüsse, Mandeln, Zibeben, Feigen u allerlei Backwerk gehängt, das er ebenfalls selber gebacken hat. Als es Nacht war, wurden die hellen Lichter am Baum angezündet, u er nahm sich wirklich wunderschön aus; am Gipfel stand ein Engel mit einem Papierstreifen an der Brust, darauf stand: Ehre sei Gott in der Höhe. Wir freuten uns drüber wie Kinder. Br. Haußer hielt eine kurze Rede, dann wurde gesungen u gebetet; den Matrosen war diese Feier etwas ganz Neues; sie erhielten dann jeder einen Teller voll Backwerk und Wein und Käs. Wir drei Schwestern hatten dem Kapitän auch eine Überraschung bereitet, nämlich ein Sophakissen u den beiden Brüdern hägelten wir Federwischer, sie beschenkten uns auch mit Kleinigkeiten, u so waren wir recht von Herzen vergnügt.

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Am Neujahrsabend hatten wir wieder eine ähnliche Feier, bei der dann jedes, auch die Matrosen, ein Loos bekam. Jedes von uns bedachte daher seine Angehörigen, u somit kann ich Euch jedem eins geben. Folgende sind es: Für den Vater: 14. Juni, Mutter 16. Dez. Pauline 12. Febr., Marie 25. August, Julius 23. Nov, Bertha 5. Aug., Frau Merkle 5. Juni, Karoline Gräber 1. August, Nane Heller 10. Sept., Luise Beuchner 30. Sept., G. Monz 29. April, J. Groß 26. Febr., Gretle 10.März, P. Stuttgart 25. April.

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Diese Loose findet Ihr im Loosungsbüchle, Bertha kanns vielleicht woher bekommen. 'Wir haben auch Fische gesehen', haben wir einmal in einem Brief von Auswanderern gelesen, u das ist mir auf der Reise oft eingefallen, denn ich habe auch gesehen, mitunter auch gegessen; zwei Schweinfische hat der Kapitän mit der Harpune gefangen, sie waren 6 und 8 Fuß lang u so dick u fett wie ein Schwein, und das Fleisch war delikat. Auch fliegende Fische wurden gefangen, verschiedene Arten. Ungeheuer große Fische, der Kapitän wußte sie nicht zu nennen, sahen wir oft ganz in der Nähe über das Wasser heraufspringen. Ein Anblick bleibt mir unvergeßlich: Es war Nacht, der Kapitän rief uns heraus, u da war das Meer um uns her wie der Sternenhimmel über uns, voll hell leuchtender Körper in der Größe u Form wie halbgewachsene Gurken. Man ließ einen Eimer hinunter u fing einige auf, die aber nur noch kurze Zeit leuchteten u dann zusammenfielen. Es war nur eine Haut u innen war Wasser.

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Nun wisset Ihr aber immer noch nicht, warum meine Reise nicht 6-8 Wochen, sondern 12 gewährt hat. Wir hatten nämlich vom 2. Tag an immer widrigen Wind u deshalb mußte das Schiff kreuzen, also den Weg doppelt u dreifach machen, und nachher hatten wir viel Windstille. Ein großes Wunder ist es vor uns, daß wir ohne einen Sturm zu erleben, unsere Reise machen konnten in einer Zeit, da so viele Schiffe ihren Untergang fanden. Der Herr hat sichtlich über unserm Schiff gewacht. Einige Mal hatten wir stürmisches Wetter, da die Wellen über Bord schlugen, so daß man auch in der Kajüte in Wasser waten mußte, u ich oft in Sorge war, obs nicht noch in unser Bett komme. Es kam aber nie so weit. Wenn ich ängstlich wurde, hatte es gewöhnlich den höchsten Grad erreicht u ward schnell besser. Ein Beweis wie der Herr oft auch unsere Schwachheiten berücksichtigt, wenn sie nicht selbstverschuldet sind; ich glaube, daß mir diese Ängstlichkeit der Schiffbruch eingeprägt hat.

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Nun, Ihr Lieben, habe ich das Nöthigste geschrieben, wüßte freilich noch viel zu erzählen von der Reise; Abenteuer wie z.B. Rickele B. sich das erstemal erbrach; sie blieb auf den Rath des Kapitäns auf Vordeck, als sie aber fühlte, daß ihr Erbrechen kam, eilte sie herunter; ich lag auf dem Bett, vor mir auf dem Boden eine Waschschüssel, in welcher sich schon meine Bescherung befand. Auf diese ging sie zu, erreichte sie aber nicht recht, sondern erbrach sich mir über Gesicht u Kleider u verlachte sich dann nachher ungeheuer, daß ich so ruhig geblieben sey, u habe nur gesagt: Aber Rebekka! Und dann: bring nur ein Handtuch zum Abputzen.

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