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Emilie an Gottliebe Merkle:

Leichte Mißstimmung zwischen Gottliebe und Bertha; Emilie wirbt um Verständnis für ihre noch unerfahrenHe jüngere Schwester; Kritische Töne Emiliens zur Organisation der Mission, besonders in finanzieller Hinsicht

(Aburi, 5. Juli 1864)

M3,64 Em 9

<1>

Herzlichen Dank für Deinen großen Brief, der uns viel Freude u Erquikung bereitete, zuvörderst weil prächtige Nachrichten von unserem Herzblatt A u O drin sind.

Wie gönne ich Dir die Freude an dem süßen Kind; bin recht begierig auf Deine nächsten Nachrichten, wo Du uns von Deinem Besuch in Waiblingen erzählen wirst; von unserem Ernst ist eben mit letzter Post wieder keine Nachricht gekommen; das thut mir oft recht weh; auch das, daß meine Schwester Bertha Dir in so unpassendem Ton meinen Brief abverlangte; halte es doch, ich bitte Dich, ihr als einem unerfahrenen Mädchen zu gut, sie wird noch manchen Stoß vor den Kopf bekommen müssen, bis sie versteht, den rechten Weg zu gehen; auf welch schweren Wegen mußte ich es lernen, so oft ich mein vergangenes Leben durchschaue, wechseln verschiedene Gefühle miteinander ab, aber eines behält durch alles hier die Oberhand, das Gefühl des Dankes gegen den treuen Führer meines Lebens für alles, auch das Schwerste. - Daß Du bei Deinen recht gemeinten Bemühungen für die Mission nicht immer den gewünschten Fortgang sehen darfst, ist ganz missionsmäßig, gerade so gehts allen, die für die Mission arbeiten, in der Heimath u hier außen; es heißt in einem Missionslied:

Scheint es oft vergeblich Mühen,

segenloses Kämpfen auch,

denkt: auf rauhem Pfade ziehen

alle in Dein Kreuzesreich!

laß Dichs nicht verdrießen;

wir haben nur zu säen

u vom Herrn kommt das Gedeihen,

u nach Frucht u dergleichen

dürfen wir erst drüben fragen.

<2>

Ich will Dir zwei Beispiele aus unserem ganz jüngsten Erleben anführen: Die große Missionsschuld hat unsere Gesellschaft gedrungen, ihre Ausgaben zu reducieren, mit der letzten Post erhielten wir die Nachricht, daß in nächster Zeit kein Bruder herausgeschickt werde; u nun was thut der, der Silber u Gold sein nennt? er nimmt plötzlich einen Bruder (Meier, er war Mechaniker) weg, dessen Leistungen sehr nothwendig sind. Was soll hiebei unsere arme Gesellschaft denken, auf der eine große Last durch die Schuld liegt? liegt bei solchen Vorkommenheiten, die sehr häufig sind in der Mission, nicht ein Beweis für den ungläubigen Gedanken: dem Herrn liegt wenig daran, daß es vorwärts gehe, - ja, da gilt im vollen Sinn: Verlier nur Muth u Glauben nicht.

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Das zweite Beispiel: Frau Mohr ist, wie Du weißt, Hausmutter der hiesigen Anstalt, die 50 Mädchen zählt, sie fühlt sich längst überladen mit Arbeit, u sehnte sich nach Hülfe, die sie sich in meiner Person zugesandt dachte; ich hatte von Basel aus keine Anweisung dazu, stand aber gleich in die Arbeit ein, sie hatte manchen Vortheil dabei, darunter auch den, wenn sie zu einer Frau auf eine andere Station gerufen wird, daß dann eine Frau ihre Obliegenheiten übernehmen kann, ebenso auch zu Zeiten, da sie krank u schwach ist, was nicht selten vorkommt; so hätte sich also die Anstalt eines gedeihlichen Fortgangs zu erfreuen; nun was thut der Herr? Wegen der großen Schuld darf das für uns angefangene Haus nicht ausgebaut werden, u wir sollen nach Kyebi wandern, unsere äußerste Station gegen das Innere des Landes, damit Gottlieb die Bearbeitung der Sprache im dortigen Dialektbezirk sichtigen kann, und dort ist dann auch ein Haus, das wir bewohnen können. Nun steht die gute Frau da, sehr ungehalten, fühlt ihre Leistungen nicht anerkannt, weil man ihr ohne Rücksicht die Hülfe entzieht, der sie sich so sehr benöthigt glaubt. Es scheint mir, als erkenne sie erst jetzt, was sie hatte, und wenn sie ihre Ohren öffnet, dann sagt ihr diese Geschichte etwas.

<4>

Und was saget ihr dazu? wirst Du fragen, nun wir denken, der Herr hats gethan, u deswegen gehen wir gern. Weil wir nun so ruhig dabei sind, sind wir in Verdacht gekommen, als sey von Gottlieb die Bitte um Versetzung ausgegangen, was ja nicht der Fall ist, denn wir befinden uns ganz wohl bei Mohrs, u keine eigene Haushaltung zu haben, hat natürlich auch seine Unannehmlichkeiten, aber ich hätte mich gerne dreingeschickt, es hat auch Annehmliches.

<5>

Sieh, so macht der Herr oft Querstriche, um das eigene Feuer u unseren Enthusiasmus zu vertreiben; wir wähnen an anderen u für andere zu arbeiten, aber der treue Hirte hat vor allem anderen das Heil des Arbeiters im Aug, u wenn ihm das Gelingenlassen unserer Arbeit für sein Reich sehr nützen würde, schadet aber dabei dem gedeihlichen Fortgang unseres inneren Lebens, hilft uns z.B. zur Selbstgefälligkeit, dann läßt ers nicht geschehen. Sieh, wie der Herr so treu ist gegen uns bei diesem Strich durch die Rechnung machen. Hier gilt in einem tieferen Sinne das Wort: ein Arbeiter ist seines Lohnes werth, wenn wir bei unseren Arbeiten dem Reich Gottes weniger oder nichts nützen, tragen aber das Heil unserer eigenen Seele davon, ist das nicht ein kostbarer Lohn? Darum, Schwester, wollen wir aufs neue wieder anfassen, 'es ist der Mühe u des Schweißes werth'.

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Du hast auch Dein Bedauern ausgedrückt wegen dem von Dir gesammelten Geld für die Negerinnen, aber wart nur noch eine Weile, vielleicht bietet uns der Herr des Weinbergs eine einträglichere Gelegenheit zur Verwendung des Geldes, solches finden wir vielleicht, wenn wir auf unsere neue Station kommen, mehr im Innern des Landes. Dann kann Dein Sammeln zwei Fruchtzweige treiben, das Gebet für die Negerinnen und die Erreichung des Zweckes, wenn wir Dein Geld sparen. Uns scheint nur das dabei ungeschickt zu sein, daß es an einem Platz angelegt ist, wo es nicht jeden Augenblick erhoben werden kann, wenigstens ein Theil davon, denn wir haben hier nur 36 Gulden; nun, dafür wollen wir den lb Gott sorgen lassen, inzwischen freue ich mich, daß mein lb Bruder sein Geschäft u wahrscheinlich auch Hausstand mit Geld anfängt, das zu guten Zwecken dem Herrn gegeben wurde, möge es gleich auf seiner ersten Station denselben entsprechen. Den lb Gebern sagen wir indessen herzlichen Dank, wir wollen alle miteinander nicht aufhören, mit Machen u Beten, dann läßts vielleicht der Herr gelingen, daß wir bald eine erquikliche Nachricht darüber melden können.

<7>

Den beiden Kindlein, die so lieb u willig für eine arme schwarze Frau ihr Sparkäßle leerten, darf auch nicht bange sein für das Gegebene, wenn sie fleißig beten u fromme Kinder werden, dann kommt, wenn sie sterben, vielleicht nicht nur eine schwarze Frau, sondern ein schwarzes Kind oder zwei, u sagen: durch Euch hat uns der lb Heiland errettet und dann wird ihre Freude groß werden. [...]

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