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Emilie an Gottliebin:

Entschluß, drei Kinder nach Basel zu geben: Gottreich und Paul nach Basel, Theodor zu Merkles, Ernst soll in Waiblingen bleiben

(Waiblingen, 11. Sept. 1863)

Nbrg, 63 Em 7b

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[...] Deine Nachricht (betr. ihren Abortus) hat mich schmerzlich berührt, das hab ich nicht erwartet; ich mußte allerlei dabei denken; deswegen weil es uns eine Weile ungeschickt war, aber der Herr hats nach seiner Weisheit u Liebe gethan, Du wirst ihm noch danken dafür.

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[...] Bei mir hat sich seitdem auch wieder einiges zugetragen. Du weißt, ich war willens, die drei größeren Kinder nach Basel zu geben, konnte aber eben immer nicht Freudigkeit finden zum Schreiben, unterdessen ward mir die Arbeit immer schwerer, u bei heftigem Kopf- u Zahnweh die Unruhe mit den Kindern immer aufreibender. Ich dachte, so kann ich nicht nach Afrika reisen. Ich machte nun den Plan, Dir mein Vermächtnis zu übergeben u meiner Mutter ebenfalls, u dann die Haushaltung aufgeben, u irgendwo noch einige Wochen Ruhe suchen; damit hatte ich auch Freudigkeit an Inspektor zu schreiben, es war letzten Samstag; ich erwähnte auch in meinem Brief, daß ich noch einige Wochen ausruhen müsse u fragte H Insp., ob er mir kein Plätzlein wisse. Am So Abend dachte ich, jetzt hat er meinen Brief; am Mo Morgen stand ich eben in der Mitte vom Zimmer, die Schlafhaube noch auf, ein Tuch über den Kopf gebunden, müde u elend nach einer unruhigen Nacht u dachte, was ist jetzt das Nöthigste, da klopfte es stark an die Thüre u herein trat - Herr Inspektor; ich war sehr verwundert, drückte es nicht aus, aber er sah mirs an u deutete mein ihn Anschauen, wahrscheinlich auf seinen liebenswürdigen Brief; seine ersten Worte schienen mir auch zu sagen, er ist nicht ganz unbefangen; als nun jedes seinerseits das erste gedacht hatte, sagte Insp., die Committee habe ihm aufgetragen, meinen Brief mündlich zu beantworten, u fragte ob es denn nicht möglich sei, daß meine Eltern beide jüngsten Kinder nehmen, dann könnten sie und wir ruhig sein; ich sagte ihm, daß er scheints meinen letzten Brief nicht erhalten habe, in welchem ich angezeigt habe, daß Du doch den Kleinen nehmen könnest u meine Eltern das größere, er war nun ganz zufrieden; u fragte mich, ob ich krank sei, ich sähe sehr elend aus; ich machte ihn nun auch mit dem 2.Theil meines Briefes bekannt, da sagte er gleich, ich müsse in ein Bad gehen, u hieß mich beim Arzt fragen, ob ich überhaupt eine Reise durchmachen könne, er halte mich für krank.

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Er ging dann nach Winnenden u versprach am Mittag wiederzukommen u zu hören, was der Arzt gesagt. Letzterer sagte, gehen Sie nach Soden bei Frkf oder nach Teinach oder Dizenbach, mir gefiel keines, die lange Reise nach Soden kostet nur, in Teinach oder Dizenbach stehe ich so allein, u kann so bei dem Heimweh nach meinen Kindern keine Erholung hoffen. Ich sagte das H Insp. am Mi, eine lange Reise sei gar nicht nöthig, was ich brauche, könne ich in der Nähe finden, ich sei nicht krank, sondern müd u schwach, er wollte aber nur von einem Bad hören, ich dürfe den Schnellzug nehmen, dann sei ich bald an Ort u Stelle, könne auch zu meinen Verwandten nach Frkf gehen, meinte er, aber ein Bad sei ihm lieber.

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Nun fiel mir Boll ein, u das war ihm lieber als alles andere, er hieß mich gleich an Pf Blumhardt schreiben, u soll sobald als möglich gehen; ich bin nun froh u zufrieden darüber u kann nicht anders als einsehen, so hats müssen gehen, ich glaube, dort finde ich, was ich brauche.

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Nächsten Dienstag bringt mein Julius den Gottreich u Paul nach Basel, es handelt sich nun nur noch darum, wann Du den lb Theodor aufnehmen kannst, man bringt ihn Dir dann, Du darfst noch keine Reise wagen, oder soll ich ihn bringen? Ich möchte freilich noch vor meinem Gehen Dich sehen, überleg aber, wann Du ihn nehmen kannst, Du bekommst ihn dann gewiß. Martha nehme ich mit nach Boll, ich denke so nützt mich das Bad mehr als Heimweh nach meinem ganzen Völklein haben.

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13. Sep. 1863. (Fortsetzung): Hr Insp. ist heute in Stgrt u morgen geht er wieder nach Basel, er u seine Frau waren sehr angegriffen durch den Abschied von ihrem Albrecht; H Insp. sagte mir, daß er nun keine Hoffnung mehr habe, daß er gesund werde; die armen Eltern dauern mich von ganzem Herzen, Frau Insp. weint fast immer. H Insp. war im ganzen recht herzlich u liebreich gegen mich; würde ich ihn nicht kennen, so könnte ich gar nicht glauben, daß dieses Betragen oder Ziel mehr bezeugen u jener Brief aus einem Herzen komme. - Gestern abend, als ich von Stgrt kam, fand ich einen Brief, durch welchen Pf Blumhardt mich einlädt, zu ihm zu kommen, ich solle nur den Tag meiner Ankunft bestimmen; das kann ich erst, wenn ich weiß, wann ich Dir Theodor u Caroline bringen oder, wenn nicht möglich, schicken kann. Ich will nun annehmen, es ist Dir kein Hindernis im Wege, dann bekommst Du Deinen Zuwachs am Do, kann dies nicht sein, so bitte ich um ein paar Worte. [...]

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