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Johann Gottlieb Christaller an Gottliebe Merkle:

Christaller berichtet über die neue Wohnung in Basel, es kehrt aber sehr wenig Ruhe ein bei den Missionaren, die an sich Fremdlinge und Pilgrime seien, auch stehe die Festwoche vor der Türe

(Basel, 19. Juni 1858)

M3,58 G C 4

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Diesen Brief schreibe ich in unserer vorgestern bezogenen Wohnung vor dem Spahlentor, einem kleinen Hause, das die Missionsgesellschaft mit dem Bauplatz für das neue Missionshaus erkaufte, das zwar nach Vollendung des neuen Baues abgebrochen werden soll, aber wohl noch zwei Jahre stehen mag u nun für uns gerade paßte. Unten ist eine Küche u eine Kammer für unsere Magd Caroline Ruof von Winnenden (seit Dienstag bei uns) und unser Negermädchen, nebst Kämmerchen, das zugleich die Stelle eines kleinen Kellers vertritt, oben haben wir ein Schlafzimmer, das für Bettladen, Commode, zwei Kleiderkästen gerade Raum hat u ein Wohnzimmer, je mit drei Fenstern (je eins auf einer Seite des Hauses) zwischen beiden ein Öhrn mit Fenster hinten u vorne. Vorne zieht die breite Straße nach Frankreich vorbei, schräg hinüber wohnt ein lieber Missionsfreund Kaufmann Martin, hinten haben wir Reben am untern Stock des Hauses und dann etliche Akazienbäumchen u andere Bäume u Gebüsch, den vormaligen Garten aber können wir nicht bebauen, da weiterhin (schräg) bereits an den Fundamenten fürs neue Missionshaus gegraben wird u wegen ermangelnder Umzäunung bei den vielen Bauarbeiten u Arbeitern nichts (zu) sehen wäre. [...]

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Wie hätte es mich gefreut, wenn Ihr oder doch eins von Euch hätte zum Fest kommen können. Wir könnten jetzt schon ein oder zwei Personen zur Not beherbergen. Wir haben meine Schwiegereltern eingeladen u haben einige Hoffnung, daß die Mutter (wohl eher als der Vater) komme, um zugleich die Witwe, Kinder u Enkel eines hier verheirathet gewesenen Bruders, an denen wir also hier Verwandte haben, zu besuchen.

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Du hattest es, liebe Gottliebe, zur Zeit Deines Schreibens recht unruhig, Du wirst es uns glauben, daß wir es seit langer Zeit, schon in Afrika, dann auf dem Schiff, dann im England, dann auf der Reise den Rhein herauf bis Mannheim, dann von Heidelberg, wo wir Steinhausers Schwiegereltern besuchten, dann im Missionshaus in Basel und jezt bis wir vollends gehörig eingerichtet sind - auch unruhig hatten u haben, zumal da unser kleiner Gottreich sehr lebhaft ist u ihm hie und da auch bei Nacht etwas fehlt, ernstlich krank war er Gott lob! noch nicht. Es wurde meiner lb Emilie oft schwer u gestern hatte sie eine Art Fieber, aber doch müssen wir die Treue u Güte des Herrn, mit der Er uns bisher geführt und behütet hat, rühmen. Wir sind nun froh, einmal ein eigenes Pläzchen zu haben, soweit wir als 'Fremdlinge u Pilgrime', was Missionsleute in doppeltem Sinne sind, von eigen reden können.

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Zur eigentlichen Ruhe kommen wir aber auch jezt nicht viel, denn noch ist nicht Alles in Ordnung u Geleise, ich sollte noch einiges für Hrn Insp. schreiben können, in acht Tagen beginnt die Festwoche u nach derselben geht das Reisen wieder an. Freilich geht es ja ganz in die Heimat u zu den Lieben dort, aber abgesehen von dem Wiedersehen und Zusammensein mit den Angehörigen und nächsten Freunden läßt u gönnt man gewöhnlich auch in der Heimat den armen Missionsleuten wenig Ruhe, ich bin aber auch froh, daß ich hier Beschäftigung habe. Es wird mir solche nicht ausgehen, u wenn ich mehrere oder viele Jahre hier zu bleiben hätte, u zwar nicht bloß für Hrn Insp., sondern auch für unsere afrikanische Mission insbesondere. Freilich weiß man in mehr als einer Hinsicht nicht, wie lange man wirken kann, wie lange es noch Tag ist. Hr Insp. sagte erst gestern, es wolle ihm vorkommen, als baue man das neue Missionshaus zu einer Kaserne für die Franzosen. Hr Insp. war gestern mit Frau Pfarrer Hager u ihrer Tochter Lydia u deren Bräutigam mit Herrn Candidat Ulr.Finkh jezt erneuter Helfer in Ebingen sowie dessen Schwester Emma bei unserem Nachbar Martin zu Tische, auch wir konnten die Einladung nicht ausschlagen, was Emilie gerne gethan hätte, sie mußte denn aber vom Tische weg nach Hause.

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Emilie hätte fast schon auf den Besuch in der Heimat verzichtet, weil sie am Reisen genug bekam, aber sie bleibt eben auch nicht gern allein hier. Ich denke, wir bringen, wenn sie mitkommt, außer Gottreich auch unsere schwarze Pflegetochter oder Kindsmagd mit. Die Zeit kann ich noch nicht bestimmen, wahrscheinlich etwa Mitte Juli. [...]

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