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Emilie Zieglers Einblick in das hauswirtschaftliche Leben ihres afrikanischen Haushaltes an Eltern und Geschwister

(ca. März 1857?)

M3,57 Em 3

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[...] zudem kommt mir in Christallers Kasten ein zerrissenes Stück ums andere zum Vorschein; wir haben wohl einige Schneider hier, aber keine Flicken, in diesem Stück sind sie greulich ungeschickt. [...] als Schneider haben wir, einen alten u einen jungen, die können nähen, was man ihnen zugerichtet hat, nämlich geschnitten u zu Faden geschlagen. Thut man letzteres nicht, so nähen sie den einen Theil ein u schneiden das übrige vom andern Theil weg, so daß der Kleiderleib oder was es ist ganz aus der Facon kommt. [...] Mode gibts hier keine. Einen Schuhmacher haben wir auch unter unsern Christen, dem man aber alles dazu geben muß, wenn er Schuhe machen soll. Jede Haushaltung hat auch einen Mann, der wascht u bügelt; zu farbigen Sachen u feinem Weißen hat man euorpäische Seife. Fürs gewöhnliche Landesseife, welche sehr scharf ist; sie wird von den Hälften der Pisang- u Bananenfrüchte, welche zu Asche verbrannt u dann mit Palmöl vermischt wird, bereitet, [...]

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Unsere Stärke machen wir von Arrownuts, Mehl welches nur mit Wasser angerührt wird. Der Bügelstahl wird auf der Asche vor dem Häuschen, in dem gebügelt wird, heiß gemacht, mit Holz, das der Bügler im Tag zuvor im Busch gehauen hat. Also grünes, was dann immer raucht, aber gute Stähle giebt. Es sieht mir immer ganz komisch aus, wenn dann so ein Neger am Tisch sitzt u bügelt.

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[...] Weiter hat jede Haushaltung einen Koch; die Küche ist der Hitze u des Rauches wegen nicht im Wohnhaus, sondern in einiger Entfernung von demselben in einer Lehmhütte, ohne Decke oben, nur versehen mit einem niederen Strohdach; geht man durch die schmale niedere Thür hinein, so sitzt da am Herd ein Neger, vor ihm brennt ein oder zwei Feuer, darüber ist ein Dreifuß u darauf eine Kachel ohne Füße, wie man sie in England hat oder ein Topf; da wird nun gekocht; sieht man sich sonst in der Küche um nach Pfannen, Schüsseln, Häfen, Koch- Schöpf- Schaumlöffeln usw, so findet man nichts. Die Wände sind ganz kahl. Als ich zum ersten Mal hineinsah, dachte ich: Da beißts fast, eine Schüssel und ein Häfelein, ist all mein Küchengeschirr. Doch der Neger ist genügsam u weiß sich leicht zu helfen, wenn das Essen auf dem Tisch steht, so siehts gar nicht so übel aus, als man nach der Besichtigung der Küche erwartet hat. Da steht ein gebratenes oder in der Suppe gekochtes Huhn oder Schaf- oder Ziegenfleisch, Jams oder Poprei Gemüse, letzteres ist eine Baumfrucht ungefähr wie eine kleine Kürbse; wenn sie noch grün ist, wird sie geschnitten u gekocht wie Gelbrüben, hat auch beinahe den gleichen Geschmack. Ist sie reif u gelb, so ißt man sie ungekocht, sie hat ein goldgelb zartes Fleisch, das wie Butter im Munde zergeht, in der Mitte hat sie kleine runde braune Kerne, die wir Pfeffer schmecken.

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[...] Außer diesen Landesprodukten, haben wir auch einige europäische, Mehl, Reis, Gerste, Gries, Butter u Schmalz.

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Das Landesbrod wird von Mais, das die Weiber mit einem Stein zerreiben, bereitet, sie vermischen es mit Wasser u sieden oder backen es, eingewickelt in große Blätter, wie bei uns Laubfrösche, aber dreimal so groß. Es ist sauer u schwer. Doch soll es kräftig u gesund sein. [...] Wir backen von unserem Mehl immer das Brod zum Caffee. [...]

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Wenn eine der Frauen ein Schaf oder Ziege schlachtet, so kaufen die anderen davon, denn man kann kein Fleisch bis zum anderen Tag aufheben, außer in Essig u Salz, u so auch nur einen Tag, weil es hier keine Keller gibt, sondern nur Vorratskammern auf ebener Erde. Was Butter u Schmalz, Zucker u Salz ist, muß darin in steinernen Töpfen aufbewahrt werden, weil es entweder schlecht würde oder verschiedenes Getier daran käme. Das Mehl hält sich bloß in Blech, nur ungefähr ein halbes Jahr.

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Das Ekligsein kann man hier verlernen, es ist nichts Außerordentliches, wenn man Mücken, Ameisen u dergl in Fleisch u im Essen findet, letztere spielen überhaupt hier eine große Rolle, wo man geht und steht, sind Ameisen, nicht nur laufende in allen Größen, Formen und Farben, sondern auch fliegende, doch ists bei uns nicht so arg wie in Christiansborg. Da laufen sie auf dem Tischtuch u in den Tellern herum; nimmt man Zucker für den Caffee, so bekommt man in einem Löffel immer auch ein Dutzend oder zwei ganz kleine rote Ameisen in Kauf, die dann in der größten Verwirrung hin und herspringen; mit Entsetzen sah ich sie zum ersten Mal, ich bemühte mich, Zucker ohne Ameisen herauszukriegen, da sagte Br. Locher: ich solle mich nicht so bemühen und alles miteinander nehmen, die Ameisen schwimmen im Kaffee oben, dann könne man sie gut herausfangen, dieser Rath entsetzte mich noch mehr. Ich konnte mich nicht entschließen, ihn zu befolgen. Es lernt sich aber so nach und nach.

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[...] Von den vielen Thieren, die man in jedem Zimmer als Mitbewohner hat, könnte ich auch ein ganzes Buch schreiben. Es ist eine Art die springt, eine andere die hüpft, eine dritte die fliegt, u wieder eine andere die kann alles. Ich fürchte mich noch immer vor ihnen u stoße manchmal einen Ausruf aus, wie Du, lb Mutter, wenn Dir in der Speisekammer eine Maus begegnet. Christaller lacht mich immer darüber aus; er läuft ganz harmlos über alles hinein u hinüber. Es giebt eine Sorte weißer Ameisen in der Größe einer Klammer, die wohnen unter den Bretterböden unseres Zimmers oder in den Wänden; da kommts oft vor, wenn man morgens aufwacht, so ists über einem Bretterspalt auf dem Boden ein mauerförmiger Haufen Erde, in der Höhe eines Maulwurfshaufens oder noch höher, fängt man an ihn umzustoßen, so rennt eine Unzahl solcher Ameisen heraus und durcheinander, u verliert sich dann wieder in den Spalten in die Erde, welche diese Thierchen aus dem Spalt heraufgetragen haben, ist sehr künstlich in verschiedenen Zimmerchen abgetheilt; das alles ist das Werk einer Nacht, u nicht nur dieß; stehen Schuhe oder sonst ein Kleidungsstück, ein Schirm in der Nähe, so ist es am Morgen total zerfressen; aber solche Verformungen richten sie an, wenn sie ihre Wohnungen in der Wand haben, alle Wände unserer Häuser sind geziert mit Löchern, die von ihnen selbst mit Erde zugeklebt sind; kommen sie hinter einem Bücherschrank hervor, so zerfressen sie der Reihe nach alle Bücher, bloß den hinteren Theil, so daß man vorne lang nichts bemerkt; früher kamen sie einmal an Christallers Bett herunter u fraßen ihm Löcher in den Teppich (d. i. Bettdecke), während er darunter lag. Brechen diese Räuber [...] in eine Kiste ein, so muß man nach einigen Tagen aus dem Kopf wissen, was drin gewesen ist. Deßhalb sind meine Kisten die besten; ich erhielt in London eine solche für meinen Koffer u sie ist mir unentbehrlich, ich verwahre alles Bessere, besonders wollene Sachen, die mir von Schaben und Cockroaches in Gefahr sind, letztere sind so groß wie Schwaben (Thiere) u ganz platt wie Feldwanzen und ungeheuer flink, macht man eine Kastenthüre auf u es kann eine ungesehen hineinspringen, so hat sie gewonnen. Doch ich denke Ihr habt jetzt genügend von dieser Geschichte gehört, wie ich genug erzählt. Vielleicht ein andermal mehr. Ebenso von dem Negerleben u ihren Sitten.

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Ich freue mich recht, bis ich von Euch Briefe habe, es ist schon ein Vierteljahr, daß ich nichts mehr von Euch hörte. Was kann da als nicht geschehen; ja gewiß viel, aber ebenso gewiß nicht mehr als der Herr will, ihm befehlen wir auch alle Tage an, er wird auch beistehen in allen Nöten u Beschwerden dieses Lebens, er lasse auch alles zum Besten dienen. Es ist gut, auf den Herrn vertrauen, wie elend wären wir ohne ihn, besonders wir, die alle Tage erfahren, daß wir in vollem Sinn des Wortes in Feindesland sind, wir könnten ohne ihn hier nicht existieren.

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(Fragen über Familiennachrichten, bes. Julius.) [...] Christaller ist auch ein halber Chirurg. Er heilt den Eingeborenen viele Schäden; gegenwärtig hat er zwei Patienten, einen Mann, der sich den Daumen weggeschossen hat, u ein Weib, die durch einen Fall zwei große Wunden am Fuß bekam. [...] (es folgen Familie Ziegler betreffende Anfragen) [...] Mohrs kommen bis April oder Mai in die Heimath, sie werden Euch auch besuchen, von ihnen könnt Ihr viel erfahren, was man nicht so ausführlich schreiben kann. Gegenwärtig haben wir ordentliche Witterung, nicht zu heiß u nicht zu kalt; es wird nämlich bei uns auch kalt durch den Harmattanwind, den wir im Januar sehr stark hatten, so daß die Geschwister hier sich einmullten, wie wenns Grimm-Kälte wär; mir war es ganz angenehm, auch einmal wieder kühl zu fühlen, denn es kam mir nur vor wie ein etwas rauher Wind bei uns daheim; jetzt werde ich auch nach und nach empfindlicher dagegen, im Mai u Juni wird die erste Regenzeit des Jahres kommen, wenn ich sie durchlebt habe, so der Herr will, werde ich gleich davon schreiben.

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In letzter Zeit hatten wir Besuche von Bischof Wenk u Miss. Frei, bei deren Frauen ich in Sierra Leone vier Tage war; damals hatten eben diese beiden Männer eine Reise nach den afrikanischen Missionsstationen der englischen Missionsgesellschaft angetreten u kamen jetzt [...] wieder zurück, es war eine gefahrvolle Reise, aber der Herr, dessen Werk sie treiben, hat sie behütet. Der Vorgänger Wenks, welcher auch diese Reise zu machen hatte, ward todt nach Hause gebracht. So manches Samenkorn derart liegt schon im afrikanischen Boden, besonders in Sierra Leone, sie sind auch reichlich aufgegangen, denn jetzt stehen dort blühende Gemeinden. [...]

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