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Johann Gottlieb Christaller an Rapps:

von dem ersten gegenseitigen Kennenlernen Christallers mit Emilie, daß sie sich gleich in herzlicher Liebe zugetan waren; vom Auspacken der Sachen und Einrichten bei Mohrs, noch vor der Hochzeit machten sie einen Besuch bei dem Häuptling in Abiriu, der zugleich Hauptfetischpriester des Landes ist;- bereiteten sich auf die Hochzeit vor und Frau Mader gab Emilie ihren mitgebrachten Myrtenkranz, Trauung nach württ. Ritus vollzogen, Hochzeitsmahl in Mohrs Haus mit 16 Missionsgeschwistern

(Akropong, 2. März 1857)

M3,57 G C 3

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(G.Chr. dankt für Briefe aus der Heimat, besonders da er nun mit Emilie darüber sprechen kann, welche die dortigen Verhältnisse kennt. Er teilt seiner Schwester Hannele mit, daß seine u Emiliens Hochzeit auf Hanneles Geburtstag festgesetzt worden sei.) Ich will nun versuchen, Euch einige Blicke in unser Leben vor und nach diesem Tage thun zu lassen.

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Von den glücklichen Tagen unseres friedevoll und ruhig fröhlichen Zusammenseins in Christiansborg (23.-28.Dec.) will ich nur das dem in meinem früheren Briefe Mitgetheilten noch beifügen, daß meine Emilie am 2. oder 3. Tag ihrer Ankunft bei Br. Münzenmeiers Erwähnung zufällig von Br. Knecht hörte, er sei in New Orleans gestorben, was sie mir gleich mittheilte, u was mir sehr nahe gieng; doch zweifeln wir nicht, daß wir die treue edle Seele im Himmel wieder treffen werden. Wir sprachen manches über ihn u lasen hier die Briefe, die er an mich in Winnenden und Basel vor seinem Eintritt geschrieben. Er hatte ja meiner Emilie manches von mir erzählt, mich ihr sogar gezeigt, als ich einmal, bald nach der Februar Revolution 1848 mit Merkle in Waiblingen war, um selber auch einmal den Gustav Werner zu hören, über den uns auch seine Auslegung u Anwendung von Johannes alsbald ins Reine half. Freilich sah mich Emilie nur noch von hinten und mir blieb es bis in die neueste Zeit unbekannt, daß es eine mir nun so theure E.Z. in der Welt gebe. Auf die Reise mit m.l.E. hieher am 29. u 30. Dec. blike ich, troz etlicher Unannehmlichkeiten mit den Leuten unterwegs mit demselben Vergnügen zurück wie auf die sechs Tage in Christiansborg.

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Mit der Ankunft hier trat dann freilich nach Außen wieder mehr Zerstreuung und Unruhe ein, aber umso erquickender war dann unsere gegenseitige herzliche Liebe in und vor dem Herrn, und sie nahm nur zu und nie ab, so daß ich auch darauf die Worte anwenden kann: Da geht man in seinem Glück immer fort und nie zurück.

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Als Vorkommnisse und Geschäfte, unter denen wir besonders auf den morgen- und abendlichen Spaziergängen uns gegenseitig zur Freude, Erheiterung und Erholung waren, führe ich an: In den ersten 1 1/2 Wochen Aus- und Einräumen meines Kleiderkastens (man muß die Sachen von Zeit zu Zeit sonnen), Auspacken der Sachen meiner Emilie (die aber zum Theil lange auf sich warten ließen, da die Br(üder) an der Küste nicht jederzeit Lastträger haben können, diese auch bisweilen unterwegs verweilen) und dann Unterbringung theils in Br. Mohrs Zimmerchen, ihrer einstweiligen Wohnung, theils in meinem Zimmer, in das zunächst noch eine Commode kam.

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Anfangs Januar hatten wir starken u sehr kalten Harmattanwind (sonst, wenn dieser Wind nicht weht, u besonders Mittags, haben wir auch im Januar heiße Zeit); in einer sehr kalten Nacht zog sich Br. Zimmermanns Georg vom Schlafen auf der ziemlich offenen Bühne eine heftige Lungenentzündung zu, die Sorge darüber und vielleicht noch der Schreck über eine leichte Ohnmacht, die Christoph Zimmermann während Georgs Behandlung befallen, machte Frau Zimmermann bedenklich unwohl und hielt sie für einige Tage im Bett, bis die Folgen mit Verlust neuer Elternfreude vorüber waren; zu gleicher Zeit war Br. Zimmermann durch den Guineawurm in dem Fleische seines rechten Wadenbeines zum Liegen genöthigt und litt noch dabei große Schmerzen. Da waren denn Hilfeleistung soweit als möglich und Besuche sehr angelegt. Vom 7.-11. Januar hatte Br. Haas sein erstes Fieber, u die Woche darauf hatte ich, gerade drei Wochen nachdem an Weihnachten gehabten, wieder Fieber; da that mir die Pflege u Unterhaltung von Seiten meiner lb Emilie recht wohl, obwohl es mir schwer werden wollte, daß ich noch so von Krankheit u Schwachheit heimgesucht war. In der nächsten dritten Woche hatten wir am So Abend einen Besuch in Abiriu bei dem Häuptling, zugleich Hauptfetischpriester des Landes gemacht, lasen u betrachteten manches miteinander, deutsch und englisch, ließ mein Zimmer weißnen u herrichten, gegen Ausgang der Woche bekam auch Frau Mader Fieber, sie hatte es, außer ihres Wochenbettes, eigentlich noch gar nicht gehabt.

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Am 25. Jan. fühlte sich Emilie nach der Zurückkunft von einem Abendspaziergang nach Abiriu ermüdet und so bis gegen Abend des folgenden Tags, an dem Fr. Mohr mit Fr. Widmann u Fr. Zimmermann Vorbereitung für die Hochzeit machten. Am Hochzeitsmorgen aber befand sie sich wieder gesund u wohl. Statt eines Kränzchens von Ölzweigen (wir haben ein Ölbäumchen im Garten) gab ihr Fr. Mohr ihren mitgebrachten Myrtenkranz, der meiner theuren Braut recht wohl anstund, wie nicht minder ihr weißes Hochzeitskleid, von dem ich den merkwürdigen Umstand anführen muß, daß es sich mit anderen Kleidern in einer während des Schiffsbruchs reichlich mit Seewasser getränkten Kiste befand, die erst drei Tage nach der Strandung ausgeliefert u dann unausgepackt nach London geschickt wurde, aber von allen Kleidern, die theilweise ihre eigene Farbe an die anderen abgaben, war dieses weiße allein ganz ohne Flecke. Mein Herz war voll von stillem Dank u Freude u es war mir innig wohl, als ich die mir vom Herrn zugeführte u geschenkte Braut zur Kirche führen durfte. Der deutsche Gesang: Jesu geh voran und Br. Widmanns deutsche Predigt über: Befiehl dem Herrn deine Wege u hoffe auf ihn, er wirds wohl machen, waren recht ansprechend und für uns passend. Die Trauung wurde nach dem würtb. Kirchenbuche vollzogen. Das Hochzeitsmahl war natürlich in Mohrs Haus, wo wir 16 Missionsgeschwister die Stube ordentlich füllten, während die Kinder draußen auf dem bedeckten Hausgang waren. Außer den 4 hies. Geschwisterpaaren waren Br. Süß von seiner neuen Niederlassung am Volta, Baum von Gyadam, Rottmann von Christiansborg, Heck von Abokobi, Haas u Christoph Zimmermann Theilnehmer unserer Freude. Br. Steinhauser u Schall bezeugten schriftlich ihre Theilnahme, und so hernach Br. Locher u Christian Rottmann. Lezterer ist von der Bremer Gesellschaft für Quitta (Keta) bestimmt, vorderhand aber noch bei seinem Bruder Hermann, der nächsten Freitag, 6.März, mit der mehrjährigen Lehrerin an der Usuer Mädchenschule, Regine Hesse, einer Mulattin, Hochzeit haben wird. Unser Zimmer hatten wir recht hübsch, für Afrika, abgetheilt und eingerichtet, u fiengen sogleich an, in täglicher Morgen- und Abendandacht gemeinsam unsere Knie zu beugen vor dem Gott aller Gnade und alles Trostes, vor dem Herrn und Heilande, durch den allein uns alles Gute zu Theil wird u der der Erste in unseren Herzen und unserem Bunde sein u bleiben soll. Es ist eine große Erleichterung für meine lb Frau, daß sie nicht gleich eine vollständige Haushaltung zu übernehmen hatte u wir noch länger bei den Geschw. Mohr in Kost gehen konnten, doch ist ihr keineswegs bange davor, kam es ihr ja zuhause vor 9 Jahren einmal vor, daß sie in Abwesenheit ihrer Mutter nicht nur für die eigene Haushaltung, sondern eines Tages noch für 25 Taglöhner allein zu kochen hatte. Abends besonders erzählt sie mir manches aus ihrem früheren Leben, dem ich mit größtem Vergnügen zuhöre. Es gewährt uns beiden viel Genuß, so auf die Führungen und Begebnisse eines - nun zu einem so befriedigenden vorläufigen Abschluß gekommenen Lebens zurückzublicken - meine l. E. hat am 11. Februar das vierte 7 Lebensjahr zurückgelegt - aber wir begnügen uns natürlich nicht mit diesem Abschluß, sondern es gilt uns jezt erst recht gemeinschaftlich uns zu bereiten u auszustrecken nach dem, das da vorne ist. So glücklich wir miteinander sind, u ganz unbeschadet dieses Glückes ja zur Weihung und Vertiefung desselben, konnten wir am 1. Febr. in traulicher Abendstunde von unserem Heimweh sprechen, nicht nach der irdischen Heimat, sondern was uns darauf brachte, waren die Worte: 'in des Hirten Arm u Schoß, Amen, ja mein Glück ist groß ', welche meiner Emilie Gedanken ausfüllten, als sie noch seekrank in ihrer Kajüte lag, und als Augenblicke des Rufs, das strandende Schiff zu verlassen, gewärtig sein mußte.

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Am 31. Dec. hatte Br. Heck auch wieder Fieber bekommen, das aber gut vorüber gieng. Er las mit uns am 2.Febr. eine Predigt von Staudt und wir lasens am 3. Am 2. Febr. wurde ich nach dem beendigten Mittagessen zu meinem Zimmer hinübergerufen, wohin man von Mamse einen jungen Mann (keinen meiner Bekannten) gebracht hatte, dem ein Schuß bei einer Leichenfeier den linken Daumen aus der Hand gerissen hatte, ganz wie früher dem Arbeiter bei Mohrs, der sich seither hat taufen lassen. Ich verbinde sie noch jeden Morgen u Abend, sie wird aber bald schön geheilt sein.

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Vom 2. Februar an arbeitete ich wieder regelmäßig mit David Dieterle, gab dann auch wieder Lectionen, aber nachdem ich am 7. Febr. die in Maders Studierzimmer verpflanzte Stations-Bibliothek, meine eigene und meine Papiere schließlich in Ordnung gebracht hatte, bekam ich am 8. u 9. Febr. wieder Fieber, u ebenso nach einem durch verschiedene einander unmittelbar ablösende Beschäftigungen zu sehr ausgefüllten Montag am 24., 25., 26. Febr., was mir eben zeigt, daß ich mir noch fernere Einschränkung u Verläugnung in meiner Arbeit gefallen lassen muß. (Die Gründe dafür ließen mich auch mit der Februarpost nicht schreiben, noch auch angefangene Briefe nach Basel u Winnenden mit dieser vollenden). Meine lb. E(milie) ist treulich u weislich um meine Gesundheit besorgt, übrigens werfen wir beide auch diese Sorge, wie unseren ganzen Weg getrost auf den Herrn, u ich bin guter Zuversicht, daß es besser mit mir gehen wird. Das letzte Fieber war ein Ausnahmsfall, sonst waren meine neueren Fieber alle und zunehmend leichter als meine früheren vor der Reise. Meine lb. E. ist mir Bürgschaft u Angeld für jeden weiteren Segen. Die Geschw.Mohr verlassen uns vielleicht schon Mitte März, dann werden wir in ihr Haus (mit drei Zimmern) hinüberziehen. Br.Haas, der Mohrs Arbeiten übernimmt, wird bei uns in die Kost gehen. Gestern hat m.Em. die Kleinkinderschule (nachmittags von 2-4) von Fr. Mohr übernommen. Letztere wird Euch hoffentlich mehrere Briefe von uns bringen. Vom 14.-28. Febr. waren der edle Bischof Weeks von Sierra Leone, der vor 32 Jahren als Katechist u Schullehrer herausgekommen war und von diesen 32 mehr als 30 Jahre in Afrika verlebt hat, mit Miss. Frey von Waterloo (bei dem ich drei Wochen gewesen) liebe Besucher, sie wohnten bei Widmanns auch Br.Steinh. war auf 8 Tage mit ihnen gekommen. Seid nun mit allen die diesen Brief lesen oder nach mir fragen, herzlich gegrüßt von Eurem G. Christaller.

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