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Johann Gottlieb Christaller an Gottliebe und Philipp Merkle:

Christaller erwartet längere Zeit die Ankunft der für ihn bestimmten, aber ihm noch nicht bekannten Braut Emilie Ziegler; er schildert sehr genau, wie er die langen Wochen des Wartens zugebracht hatte und spricht dann von der ersten Begegnung der beiden Brautleute in Christiansborg

(Akropong, 5. Jan. 1857)

M3,57 G C 2

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Geliebte Schwester und Schwager Merkle.

Eure mir so lieben Briefe vom 7. Sep. u 2.-15. Nov. wurden mir am 23. Dez. durch meine lb Braut eingehändigt. An diesem Tage wurde es mir also durch Schauen zur Gewißheit, die keinen zweifelnden Besorgnissen mehr Raum ließ, daß ich die theure Emilie mein nennen dürfe. Daß sie, wenn sie nur einmal käme, die rechte für mich bestimmte sei, daran zweifelte ich nie, und die Gewißheit, die jedes von uns beiden davon hatte, daß der Herr uns zusammen geführt hat, wurde durch die gegenseitige Mittheilung (hier ist ein Loch im Brief) so, daß ich glauben möchte, es werden selten Verlobte sie in solchem Grade haben. Auch uns stand u steht, um Deine Worte, lb.Gottliebe, zu gebrauchen, 'endlich nun Gottes ganze Führung vor unseren Augen', und wir können sagen mit den Worten eines Liederverses, der mir während meiner vierwöchigen Wartezeit in Christiansborg einmal lieb wurde, 'Herr mein Hirt, du Brunn der Gnade, deine Pfade enden alle wunderbar.'

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Ihr werdet nemlich aus meinem Brief an G. Hafner schon ersehen haben, daß ich auf einem Brief von Br. Widmann von Christiansborg vom 23. Okt., der mich aus zwei Briefen von Br. Stanger u Hrn Linder den einfachen Schluß machen ließ, daß meine Braut, mit der 'Ida' alle Tage dort ankommen könne, ich also Bräutigam sey, mich am 25. Okt. auf den Weg machte, um sie in Christiansborg zu erwarten; daß sie vor mir dort ankommen werde, war mir nicht wahrscheinlich.

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Ich verließ Akropong am Sa VM mit zwei Trägern, wurde aber ehe ich Mamse erreichte, durch einen Regen, der in zwei Minuten den Weg in ein Bächlein verwandelte, ganz durchnäßt, was mir aber den stillen Dank u die Heiterkeit nicht verdarb, denn ich dachte, zugleich im Rückblick auf meine Vergangenheit, an die Worte Paul Gerhardts; 'Wenn der Winter ausgeschneiet, tritt der schöne Sommer ein: also wird auch nach der Pein, wers erwerben kann, erfreuet.' In einer Otji-Übersetzung des herrlichen Liedes drückte ich mich hier etwa so aus: Laß den Regen nicht erst peitschen, bis die Sonne wiederkommt, und ich werde mit Geduld warten, das was er mir tun wird. Alle Dinge schwinden hin, nur nicht Gottes Liebessinn. (Er gibt hier die Übersetzung dieser Verse in die einheimische Sprache.)

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In Mamse konnte ich mich bei meinen alten Freunden aus meinem Koffer umkleiden, meine nassen Kleider teilweise waschen, auswinden u unterwegs trocken werden lassen, sprach auch unterwegs, wo es Gelegenheit gab, zu den Leuten, wurde übrigens noch ehe ich Aburi erreichte, abermals von einem Regen überfallen u durchnäßt. Die 3 1/2 Stunden weiter bis Abokobi mußte ich deshalb am So Morgen machen, ich traf dort Br. Süß bei Bruder Steinhauser u beide beglückwünschten mich. Am Mo gings nach Christiansburg.

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Die erste Woche war mir das Warten lieb, dann stiegen mir wohl auch Besorgnisse auf, aber wir wußten, der Herr kann 6 Missionsgeschwister nicht ohne Rettung verunglücken lassen, dachten an Kohlenmangel, an Beschädigung der Dampfmaschine, an die mindere Zuverlässigkeit der neuen Gesellschaft usw., u nachdem wir ein paarmal durch ankommende Kriegsdampfer nächtliche Raketen von den Forts u Kanonenschüsse vorübergehend getäuscht waren, warteten wir nicht wohl mehr so sehr auf die 'Ida' als auf das nächste Postdampfschiff. Ich kann sagen, ich war des Wartens nie überdrüßig oder unzufrieden, war ich ja nicht schuld daran, konnte nichts machen u wußte alles in Gottes Hand.

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Diese Zeit war mir eine gesegnete, u ich suchte sie zu benüzen so gut ich konnte, sah sie zugleich als eine weiter vergönnte Erholungszeit an, stiller u ruhiger als die auf dem Schiff und in Sierra Leone.

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Endlich am Abend des 19. Nov, meines Geburtstages, kam die 'Candace'; vom Fort in British Accra wurde unvorsichtigerweise noch in der schon eingebrochenen Nacht ein Canoe abgeschickt, um die Post abzuholen; die auf dem Schiff befindliche Witwe des kürzlich verstorbenen holländischen Gouverneurs von Elmina bestand, trotz der abmahnenden Bitten des Kapitäns, darauf, in diesem Canoe ans Land zu gehen mit ein oder zwei Kindern u ein paar Dienstboten. Sie war von Accra gebürtig, u weil erst ihr Mann u ihr Großvater gestorben waren, schämte sie sich, bei Tage in die Stadt zu kommen. Aber in der Brandung schlug das Canoe (sprich Kanuh) um, u Mutter u Kind ertranken. (Die Postsäcke blieben mit Ausnahme eines einzigen glücklicherweise in dem vorne bedeckten Teil des Canoes hängen, sonst wären wir um die sehnlich erwarteten Briefe von Basel u von unseren schiffbrüchigen Geschwistern gekommen.)

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Am anderen Morgen ging Br. Stockmann an Bord, Br. Locher u ich guckten uns durch das Fernrohr die Augen müde, um das verabredete Zeichen, daß die Geschwister dort seien (Frau Locher hätte das auch wegen des Kochens wissen sollen).

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Endlich stieß das Canoe vom Schiff ab, aber als es näher kam, sah ich nur zwei Herren darin, die ich allerdings auch erwartet hatte: Bischof Weeks von Sierra Leone u Br. Frey, sein Begleiter, bei dem ich in Waterloo drei Wochen gewesen war. Letzterer sagte mir gleich von dem Schiffbruch der 'Ida' u dem Unfall, der meine Braut noch besonders dabei betroffen, er meinte aber, sie habe den Daumen abgebrochen. Um besonderer Umstände willen erhielten wir die Briefe erst nachmittags von Accra herüber. Die den Brüdern bei der Aussendung mitgegebenen Committeebriefe (alle von Hrn Insp.) erfreuten uns, mich besonders der über meine Braut, den Zunamen wußte ich schon aus einem Briefe vom 3. Aug., den Taufnamen Emilie, den auch Lochers Kind führt, ließ sich Frau Mohr in eben diesen Tagen träumen, so daß sie ihn schon wußte, als ich hinauf kam. Und Br. Hecks Brief über den Schiffbruch u die Errettung beruhigten uns, mich besonders freute der Gruß, den Emilie schreiben ließ, und obwohl wir nur mit tränenden Augen u brechender Stimme lesen konnten, wie sie sich schon zum Sterben bereiteten und einander den Trost des Ew. Lebens zusprachen, so erkannten wir doch, daß der Ursache zum Dank u Preis, ja zur Freude überwiegend mehr sei u in dieser Stimmung trat ich auch des anderen Morgens unverweilt meine Rückreise nach Akropong an, um auch den dortigen Geschwistern ihr ungewisses Harren zu beendigen. Da Bruder Locher, der am NM den Bischof u Bruder Frey nach Accra begleitete u dort ihre Wiedereinschiffung für Lagos besorgt hatte, u Bruder Rottmann, der sonst Geschäfte gehabt, erst abends mit ihren Leuten zurückkamen, so wurden die drei Mann, die ich für Hängematte u Koffer brauchte, erst des andern Morgens zusammengebracht u es wurde über die Ebene hin sehr heiß, während meine Haut trocken blieb.

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In Abokobi blieb ich, schon wegen eines nach meiner Ankunft gekommenen Gewitterregens, über Nacht, hatte deshalb am nächsten Tag (Sa) noch etwa 9 Stunden mit vier Trägern. In Tutu, durch etwas Regen aufgehalten, ging ich zu dem Vater eines durch meine Veranlassung unter Mohrs Arbeiter eingetretenen u dann in Accra getauften jungen Mannes u hatte in einem von Leuten vollgepfropften Häuschen eine lebhafte Unterredung mit ihm u den anderen Anwesenden, aber als ich wieder auf die Straße herauskam, überfiel mich Fieberfrost, so daß ich mich, obwohl der Regen noch nicht ganz aufgehört hatte, in die Hängematte legte u die übrigen drei Stunden mich fast immer tragen ließ, bis es dunkel wurde u die Träger sagten, sie sehen den Weg nicht mehr; so ging ich noch eine halbe Stunde, wenn auch nicht so rüstig wie sonst, u kam wohlgemuth in Akropong an, aber am andern VM (So 29. Nov.) kam ein starkes Fieber, das wie meine früheren seine vier Tage haben wollte. (Der unangenehmste Teil, die auf den Frost folgende Hitze u große Mattigkeit, dauerte nur eine oder ein paar Stunden). Doch dann erholte ich mich wieder gut u wunderte mich, daß ich am 10. Nov. abends wieder Fieber bekam. Es war freilich auch die Witterung ungesund, in der Stadt gab es viele Kranke, u meine Beschäftigung mit den Censurbemerkungen zu den Evangelien u anderem mochte auch dazu beitragen.

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Am 13. Nov. Abends holte man mich, so müde ich noch war, zu einem Manne, dem eine zersprungene Fließe (= Fliese) Haut u Gelenke von Daumen u Zeigefieber zerrissen u von letzterem die Spitze hinweggenommen hatte. Ich tat was ich konnte u verband die Hand, sie brachten ihn aber des andere Tages, wie sie dies oft mit Kranken tun, auf ein Plantagendorf u überhoben mich dadurch weiterer Behandlung.

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Am 18. Dez. Mittags wollte ich mich wieder auf den Weg machen nach Christiansburg in der Hoffnung, dießmal zu meinem Zwecke zu gelangen. Einer mußte doch die Geschwister für Akropong abholen u ich hätte es mir nicht nehmen lassen, meine Braut dort zu empfangen u herauszubringen. Br. Zimmermann, der seine Brüder erwartete, hatte überdieß die unerfreuliche Gewißheit bekommen, daß er in seinem rechten Unterschenkel den Guinea-Wurm habe, der anfing, ihm Schwellung u Schmerzen zu verursachen u ihn am Gehen zu hindern.

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Am Abend zuvor u am Morgen des 18. waren sechs Mann für mich gefunden, also einer zuviel, da ich nur einen Lastträger für meinen Koffer u vier Hängemattenträger wollte. Da die bestellten auf 11 Uhr nicht kamen, schickte ich nach ihnen, da wollten zwei nicht mehr, ich dachte, das thut nichts, schickte nochmals nach dem Kofferträger, da war dieser schon fortgegangen u kein anderer zu finden. Ich ließ den Koffer stehen u nahm das Nötigste in meine Hängematte mit den zwei Trägern; nun machte mir mein Knabe noch die meiste Unlust, der ein Kistchen mit Mangofrüchten und grünen Bohnen für Lochers Tisch nicht aufnehmen wollte. Ich bat Frau Mohr, mir für diesen Fall ihren Kochjungen mitzugeben u ließ mich, nachdem ich den ersten rauhen Teil des Weges gegangen, bis Mamse tragen. Dort war eine Kostüme (d. i. wohl eine Art Festlichkeit?), der Kochjunge kam mit dem Kistchen, u mein Knabe mit, obwohl ich ihm wiederholt gesagt hatte, wenn er das Ding aus Stolz oder anderen Gründen nicht tragen könne, ich ihn nicht behalte. Einen meiner Träger aber, als er die Kostüme mit Trommeln, Tanzen, Palmwein in vollem Gang sah, däuchte es lustiger mitzutanzen u zu trinken, als sich nach Accra hinunter müde Füße zu machen. Er nahm sein Säckchen mit den 12 Kr Weggeld, womit er sich für sein Tragen bezahlt halten konnte, aus der Hängematte, als ich grade zu Fuß zum Ort hinaus vorausgegangen war. Man sagte es mir, aber ich fand es am geratensten, ohne weiteren Zeit- und Wortverlust meines Weges zu gehen u ließ die Hängematte mit dem was darin war, durch den einzig übriggebliebenen Mann nachtragen.

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In Mampong traf ich mehrere junge Männer auf der Straße u fragte sie, ob keiner tragen u sich etwas verdienen wolle. Aber, wie ich erwartet hatte, zeigte keiner Lust, außer um das Doppelte des Lohnes, den ich bot. Nun, ich lief gerne vollends bis Aburi, sprach auch in den drei Dörfern bis dahin einiges mit den Leuten, z.T. zu meiner eigenen Ermunterung.

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In Aburi bekam ich dann zwei unserer dortigen Christen u einen Accra-Mann zu Trägern, mit denen ich die schwierigen u steilen Stellen auf die Ebene hinunter natürlich gehend, in Abokobi bei Br. Steinhauser eintraf. Diesen fand ich auf einem Schmerzenslager; er hatte kurz vorher einen etwa zwei Fuß langen Guinea-Wurm aus dem Unterschenkel nahe am Knie herausgekriegt, u einen anderen hatte er noch in der Fußsohle. Er hatte ein Stück davon bereits in der Nähe der großen Zehe herausgezogen, als er unglücklicherweise abriß, wodurch der Prozeß langsamer u schmerzhafter wird, da es nun durch eine neue Geschwulst u Vereiterung geht. Es ist selten, daß Europäer diese Plage der Goldküsten, besonders der Accra-Neger bekommen. Hier in Akropong bekommen ihn auch fast nur die Accraer, die gangbarste Art Ansicht schreibt die Entstehung der Würmer dem Wasser an der Küste zu. Die Brüder Zimmermann u Steinhauser werden von den Accra-Negern als durch diesen Umstand naturalisiert betrachtet u mit großer Teilnahme besucht u beraten. Diese neue Verknüpfung mit dem Gefühl oder Herzen der Eingeborenen ist ihm natürlich nicht unlieb, u Br. Steinhauser konnte nun über diesen den europäischen Ärzten noch so rätselhaften Parasiten im menschlichen Körper u seine Ausscheidungsgeschichte an sich selber Erfahrungen machen, aber, infolge der Dicke der Sohlenhaut u der dort befindlichen zahlreichen Nerven so schmerzte, daß er, als ich zu ihm kam, bereits etwa 6 Tage bei Nacht vor Schmerz gar nicht geschlafen hatte. Er schnitt sich den Fuß an jenem Abend noch auf, wodurch er einige Erleichterung bekam, aber er schrieb nach Chr(istiansborg), der Herr möge jeden von uns in Gnaden davor bewahren, u an Zimmermann schrieb er: Oh liebliches Afrika! Hat man den Nuzen, so hat man auch den Buzen!

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Ich hätte gern dem auf sein Schmerzenslager gebannten Br. Steinhauser bis den anderen Tag Gesellschaft geleistet, aber das Schiff konnte an diesem Tage kommen u dann war keine Zeit zu verlieren, wenn wir vor Weihnachten nach Akropong kommen wollten. Steinhauser konnte seine Braut mit diesem Schiff erwarten, hatte uns kurz vorher nach Akropong geschrieben, auf was für Freiersfüßen er gehe oder vielmehr herumliege oder herumhinke. Es wurde Nacht, eine gute Weile ehe ich nach Chr. kam. Da ging ich natürlich zu Fuß, ein Träger, der in Abokobi in die Stelle des von Akropong mitgenommenen trat, da dieser in Zimmermanns Dienst war u Eier einkaufen sollte, meinte, so oft ich auf dem mitunter unebenen steinigen Weg stolperte, ich werde fallen, aber ich sang wohlgemuth einige Lieder u führte dann mit ihm eine Unterhaltung in Otji, bis wir zwischen den Ruinen von Usu (Osu) u an dem Fort Chr. vorbei auf das Missionshaus zukamen.

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Am Sa war ich müde von der Reise, vom So u Mo weiß ich nichts besonderes, am Die war die engl. Flagge des Forts wegen eines amerikan. Kriegsschiffes, das sich zu 3-4 Kauffahrerschiffen auf der Rhede (= Reede) von Accra gesellt hatte, aufgezogen, aber unvermutet machte ein Kanonenschuß vom Fort Chr. auf das von unten herauf kommende Postdampfschiff aufmerksam, das in der Frühe an Accra vorbeigesegelt war u nun wieder umkehrte. Es kam näher, während das Kriegsschiff durch Abfeuerung aller seiner Kanonen zuerst die englischen Forts begrüßte, was vom Fort Chr. in gleicher Weise beantwortet wurde, u dann das holländische. Ob letzteres u das englische Fort in Jamestown (Brit. Accra) auch antworteten, darum kümmerte ich mich nicht, denn unsere Aufmerksamkeit war auf den Mail-Steamer gerichtet, der endlich Brit. Accra gegenüber Anker warf u seinen Schuß hören ließ.

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Bruder Rottmann ließ sein Canoe mit eingeborenen Gehilfen u einem Katechisten von Chr. abgehen, er selber begab sich nach Accra, um dort die Briefe zu empfangen u dann auch aufs Schiff zu gehen.

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Ich hatte noch etwas zu schreiben, dann stellte ich mich hinter Lochers Fernrohr u bald sahen wir, nachdem unser Canoe den 3/4 stündigen Weg zurückgelegt hatte u am Schiff angelangt war, ein weißes Sacktuch vom Hintertheil des Dampfschiffes hin und her geschwenkt, worauf wir durch eine weiße Flagge mit rotem Kreuz vom platten Dach des Missionshauses Antwort geben ließen.

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Ich machte mich bereit, meine Braut zu empfangen, sah durch das Fernrohr ein Frauenzimmer in dem nahenden Canoe mit drei Europäern. Als sie sich der Brandung näherten, hatten sie ihre Schirme zugemacht u ich sah dann gerade noch, wie sie eine der überstürzenden Wellen glücklich auf ihrem Rücken dem Strand zugleiten ließ; letzteres, also auch das Aussteigen verdeckte mir des Mulatten William Haus.

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Bruder Locher hatte die Geschwister am Strande empfangen, die Bevölkerung des Missionshauses natürlich größtenteils mit ihm. Ich wartete in Lochers Saal, begrüßte die Brüder Heck, Knecht und Haas, u dann sagte mir Bruder oder Schwester Locher, daß meine Braut bereit sei, mich zu begrüßen oder zu empfangen. Ich ging in ihr Zimmer, in dem auch ich bei meiner Ankunft mit Bruder Mader untergebracht worden war, und bewillkommte sie im Namen des Herrn, drückte meine Freude u meinen Dank gegen den Herrn aus, erkundigte mich nach ihrer Seefahrt, ihrem Daumen, nach Euch usw. Sie sagte mir, wie Du, liebe Gottliebe, gewünscht habest, auch nur diesen ersten Tag bei uns u Zeuge unseres Glückes sein zu können. Nun ja, glücklich waren wir, fühlten uns wie lange schon bekannt, wozu wohl Du, lb Schwester, nicht wenig beitrugest, denn auch ihre Züge erinnerten mich, wie ich mir nachher bewußt wurde, an die Deinigen, neben dem, daß wir von Dir sprachen, u bald auch Deine Briefe miteinander lasen oder einander mittheilten.

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Wenn sie Dir gleich sieht u Du mir gleich siehst, so sehen wir auch einander gleich, u wirklich habe ihr auch Frau Jonas in Sierra Leone gesagt, ihr Gesicht komme ihr so bekannt vor. Sie meine, ein ähnliches noch nicht lange gesehen zu haben, u dann sich erinnert, daß ich das gewesen sei. Auf dasselbe kamen die westindischen Frauen hier, als sie uns begrüßten, u dann mit Frau Mohr mit uns redeten. Ebenso finden unsere heidnischen u christlichen Eingeborenen, die über solche Persönlichkeiten oft ein sehr richtiges Urteil haben, daß wir so zueinander passen, u sagten von mir: Gott ist wahrhaftig mit ihm, Gott liebt ihn viel. Sie wunderten sich (wie Frau Mohr sagte), wie man das daheim so habe wissen können, u wirklich ist es merkwürdig, wie bei Widmann, Dieterles, Mohrs, Maders auch die äußere Gestalt so zusammenpaßte. Doch das Wichtigere ist natürlich das innere Zusammenstimmen, u dies findet bei uns, wie ich gewiß glaube, nicht weniger statt. Wir fanden dies schon in manchem, z.B. in Lieblingspsalmen oder Liedern, dann kamen wir auch auf gemeinsame persönliche Bekanntschaften, daß sie mich in Waiblingen einmal gesehen, der lb Bruder Münzenmaier, der in ihrem elterlichen Hause so bekannt war u dessen Tod wir gerade in Chr. erfuhren, dort von mir erzählte, hat sie Dir vielleicht gesagt.

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Nun, um nicht zu weit abzuschweifen, wenn wir eine Mittelsperson noch bedurft hätten, so hättest Du, lb G(ottliebe), am besten dazu gepaßt, aber wir waren ja doch nicht alleine, u ich sagte meiner lieben Emilie, wir wollen den Herrn Jesum stets den ersten in unserem Bunde sein lassen. Übrigens, wenn wir auch Zeugen unserer vertraulichen Unterhaltung gehabt hätten u hatten, so konnten sie wohl ruhige u gesprächige Heiterkeit, aber nichts Außerordentliches oder Leidenschaftliches bei uns wahrnehmen. Schon während jener vier Wochen war mir ein Vers von Zinzendorf lieb geworden, der so lautet:

So kommt ihr längst Erwarteten

u laßt Euch brüderlich empfangen!

Die durch das Kreuz Erharrteten

sind mäßiger in dem Verlangen,

als ungebrochene Herzen sind,

die alles wollen, was sie mögen;

ein von dem Herrn gezogen Kind

eilt seinem Willen froh entgegen.

Auch der nächste Vers [...] stehe hier. [...]

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(Ob der) obige Ausdruck: 'Die durch das Kreuz Erharrteten' für mich nicht zu stark ist, weiß ich nicht, obwohl es in Afrika an Übungen der Geduld u Selbstverleugnung nicht fehlt u ich auch einen Gewinn gleich dem obigen angedeuteten davon hatte, getraue ich mir doch nicht, meine bisherigen Erfahrungen 'Kreuz' zu nennen, und doch darf ichs so nennen, sonst müßte ich ja schließen, ich gehöre noch garnicht zu seinen Jüngern u Nachfolgern, aber man findet eben beim Rückblick, daß des Christen Trübsal im Grunde doch nur vorübergehend zeitlich und leicht ist. Ja, sein Joch ist sanft u seine Last ist leicht, daß man schon mit und unter ihr Ruhe findet für die Seele. [...] Aber obwohl wir schon am 29. u 30. Dez. hieher reisten u glücklich ankamen, kam ich ebenso lange nicht zum Schreiben. Wir sind in Afrika - es mit mehrerem zu erklären, wäre zu weitläufig, u ich wars oben schon, am unrechten Orte. Was meinen Dank an Euch betrifft, muß ich nur in großartigerem Maßstabe machen wie unsere Neger, die sich für ein Geschenk erst am anderen Morgen bedanken. Der Herr segne Euch u Euren G. Christaller.

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